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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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18.05.2005
 

Fundsache
„geradezu fortschrittlich“

„Die gerade beschlossene Rechtschreibreform ist alles andere als ein ,Jahrhundertwerk‘, sondern notwendigerweise nur eine vergängliche Etappe in der Entwicklung orthographischer Regelungen, und über ihren Erfolg oder Nichterfolg wird allein die Gemeinschaft der Sprecher/Schreiber der Sprache entscheiden.
Und bisweilen geschieht es auch, daß die Weigerung, sich veränderten Regelungen anzupassen, später einmal geradezu als fortschrittlich empfunden werden mag.“ (Manfred Kohrt in Augst et al. 1997:313)



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Kommentare zu »Fundsache«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2017 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#37332

"Es gibt eine neue Entlastung vom Korrespondenzdruck. Wer die reformierte Orthographie schreibt, sollte nicht auf Antwort hoffen." (Johannes Gross 13.12.1996)

Hübscher Einfall, aber schon im Bewußtsein der Ohnmacht gegen die allgemeine Folgsamkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2018 um 04.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#38243

(Horst Ludwig hat folgendes übermittelt:)

faz.net-deutsche Schreibung (19.3., 11:59): "Der 50 Jahre alte Oekonom hat ein wahrhaft schillernden Weg zurueckgelegt. (...) Anschliessend startete er seine Karriere bei Goldman Sachs, fuer die er London und Frankfurt arbeitete. (...) Viel Zeit hat der SPD Politiker nicht, um den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vor zu legen." (Wenig weiter dann aber doch Bindestriche bei "Zu allgemeiner Ueberraschung blieb das SPD-Mitglied auf der Position (...)" und "Schmidt wird als Staatssekretaer die Koordinierung der von SPD-Politikern gefuehrten Ressorts uebernehmen.")
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2019 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#42609

Fürz gleich nicht überall Überzeugung bei sich, so fürz doch auf Einigkeit, und hilfz nichz, so schatz doch auch nichz. (Lichtenberg Sudelbücher G 35 über Rechtschreibreform)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2020 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#43103

Warum Angst vor der Rechtschreibung?
Sprachpflege am verkehrten Ende – Viel Lärm um eine angebliche Reform
Von Christian E. Lewaiter
DIE ZEIT 32/1954

Der Hamburger Lokalbericht der "Welt" meldete am 5. August an erster Stelle: "Dr. Franz Thierfelder, der Generalvertreter der deutschösterreichisch-schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege, ist in der Hansestadt eingetroffen, um Besprechungen über die ‚reformirte ortografi‘ zu führen." Erst dann kamen Meldungen über den Senatsempfang der internationalen Tennisspieler, über Cécile Aubrys Geburtstagsfeier im Mühlenkamper Fährhaus und über das Eintreffen von Hannerl Matz im Hotel Atlantic. Das war bislang der Gipfel an Publizität, der dem als Sprachtheoretiker bekannten, aber in der breiten Öffentlichkeit noch unberühmten "Generalvertreter" eingeräumt wurde.
Die Gelegenheit, die den hohen Gast (er ist im Hauptberuf Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart) "in der Hansestadt eintreffen" ließ, war eine vom NWDR-Fernsehen verbreitete Diskussion unter dem Titel "der reformirten ortografi auf den zan gefült" – einem Titel, dessen Schreibung ein ironisches Kompliment für die solche Schreibungen empfehlende "Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege" darstellen sollte. Wer aber diesem "Gespräch des Monats" am Fernsehgerät folgte, erlebte, daß hier nicht so sehr der "reformirten ortografi" als vielmehr der Arbeitsgemeinschaft selbst und ihrem Generalvertreter ganz ungeniert auf den Zahn gefühlt wurde, Und das war auch nötig. Denn nach den Kontroversen in der Presse mußte die Öffentlichkeit das beunruhigende Gefühl bekommen, es stünden scharfe Eingriffe in die deutsche Rechtschreibung unmittelbar vor der Tür. Die ferngesehene Vernehmung Dr. Thierfelders und seiner Mannschaft hatte jedoch ein tröstliches Ergebnis: Sämtliche "empfohlenen" Reformen, von der Abschaffung der großen Buchstaben für Substantive über die "Eindeutschung" von Wörtern aus anderen Sprachen ("filosofi" statt Philosophie) bis zum Fortfall des Dehnungs-h ("ur" statt Uhr) und dem Verzicht auf das tz ("sizen" sowohl statt sitzen wie statt siezen) – alles sind sozusagen "ungelegte Eier". Niemand hat die Macht, uns solche Änderungen aufzudrängen. Das ist tröstlich. Bedenklich aber ist, daß diese Besorgnis überhaupt aufkommen konnte – und daran sind zwei Dinge schuld, die näher untersucht werden müssen: Zum einen die fast erpresserische Propagandamethode, deren sich Dr. Thierfelder bisher bedient hat; zum anderen die geradezu masochistische Angst der deutschen Bevölkerung vor Rechtschreibungsfehlern.
In den "Empfehlungen" der Thierfelderschen Arbeitsgemeinschaft an die Kultusministerien der Bundesrepublik, der Sowjetzone, Österreichs und der Schweiz steht am Schluß der wuchtige Satz: "Eine weitere Verschiebung der Reform ist nicht mehr möglich; es könnte sonst der Augenblick kommen, in dem Teile der deutschen Sprachgemeinschaft ihre eigenen Wege gehen müßten, und dadurch könnte die geistige Stellung Mitteleuropas ernstlich erschüttert werden."
Was? Wer setzt uns das Messer an die Kehle? Wer droht uns mit orthographischem Seperatismus? Die Schweiz und Österreich wollen uns gewiß nicht terrorisieren. Also bleibt die Sowjetzone. Hier drängt, wie man längst weiß, die Besatzungmacht seit 1945 auf die "vereinfachte" Rechtschreibung, damit die Lehrer mehr Zeit für das Einpauken marxistischer Dialektik bekommen. Der umsichtige Leiter der Fernsehdiskussion, Dr. Fritz Brühl von der "Süddeutschen Zeitung", stellte die Gretchenfrage nach den Absichten ganz direkt. Es antwortete Dr. Wolfgang Ebert aus Leipzig. Er sagte: "Wir in unserem Bereich wünschen die Reform, aber nur unter der Bedingung, daß sie im ganzen deutschen Sprachgebiet gleichzeitig eingeführt wird. Eigene Wege gehen?‘ – Nein, das wollen wir nicht."
Ein harter Schlag für den so desavouierten Dr. Thierfelder! Den sah man unruhig auf seinem Stuhl im Fernsehbunker hin und her rücken, und als Dr. Brühl mit unerbittlicher Liebenswürdigkeit dann auch noch fragte, ob Herr Thierfelder sich etwa auf einen amtlichen Auftrag berufen könne (dies hatte nämlich in den Zeitungen gestanden, und es war nicht dementiert worden), da geriet der Reformator in heftigen Zorn und fuhr den Vorsitzenden an: "Es gibt ja vieles in der Bundesrepublik, was nicht erlaubt ist, aber es wird doch wohl noch nicht verboten sein, sich über Rechtschreibung zu unterhalten!" Die grobe Ausfälligkeit verriet den Ingrimm des Ertappten. Er hatte versucht, uns mit dem großen Bruder im Osten zu drohen – der Bluff war ans Licht gekommen!
Was ist es nun tatsächlich mit dieser ominösen Arbeitsgemeinschaft? Sie ist ein völlig privates Gremium, von Dr. Thierfelder zusammengerufen, Ihre Empfehlungen haben rein privaten Charakter. Das wäre an sich zwar kein Argument gegen die Nützlichkeit ihrer Arbeit. Aber die wenigen wohlüberlegten Einwände, die der Germanist der Hamburger Universität, Professor Ulrich Pretzel, als Opponent im Fernsehbunker vorbrachte, ließen erkennen, daß es Thierfelder und seinen Mitarbeitern auch an der sprachwissenschaftlichen Autorität mangelt. Sie mußten sich bedeuten lassen, daß sie noch nicht einmal die Funktion der Schrift im Leben der Sprache begriffen haben, Denn die Schrift ist, wie die mündliche Rede, etwas Gewachsenes, das man zerstört, wenn man mit dem Messer des Rationalismus darin herumfuhrwerkt.
Man könnte also über Thierfelders Unternehmen wie über so viele frühere stillschweigend zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht diese seitsam bange Aufmerksamkeit wäre, die man heute solchen Fragen widmet. Diese aber ist ein befremdliches soziologisches Phänomen, dem gegenüber Achselzucken nicht mehr angebracht ist.
Wieder kann man von einem Satz der "Empfehlungen" ausgehen: Ihre Annahme, so heißt es dort, "würde zu einer Erleichterung des Unterrichts und zu einer Verringerung des Minderwertigkeitsgefühls führen, das in der Vergangenheit die Kluft zwischen den ,Gebildeten‘ und ‚Ungebildeten‘ so verhängnisvoll vertieft hat."
Diese beiden Motivationen leuchten heute den meisten Menschen in Deutschland ohne weiteres ein. Die vielen roten Striche in den Schulheften sind eine Sorge der Kinder, der Eltern und der Lehrer; und: wer in der Orthographie nicht sicher ist, kommt sich "ungebildet" vor.
Beginnen wir mit diesem zweiten Punkt. Was für ein grotesker Irrtum liegt hier vor! Welche mysteriöse Gewalt hat denn bestimmt, daß ein Deutscher nur dann zu den Gebildeten zu zählen ist, wenn er alle Vorschriften des "Duden" im Kopf hat? Der Verfasser dieser Zeilen scheut sich nicht, die vielen ganz überflüssigen Distinktionen dieses mehr lästigen als nützlichen Sprachreglers – etwa: "ich stehe kopf", aber "ich stehe Schlange", oder "heute mittag", aber "diesen Mittag" – zu ignorieren und ihre Einhaltung denen zu überlassen, die durch den Unverstand unserer perfektionssüchtigen Kultur genötigt werden, nach ihnen zu verfahren: den Korrektoren in der Druckerei,
Rechtschreibungsregeln sind Konventionen, deren Sinn die Verständigung im schriftlichen Verkehr ist. Die klare Unterscheidung von "Urzeit" und "Uhrzeit" zum Beispiel dient der Verständigung. Der Lesende will wissen, was der Schreibende gemeint hat. Daher bedarf es eines Minimums an Regeln, die im Elementarunterricht der Schulen eingeprägt werden müssen. Maßstab für diese Regeln kann aber immer nur die Unzweideutigkeit des Verständnisses sein, niemals das Idol der absolut "richtigen" Schreibung. Ob jemand schreibt: "Ich fahre Rad" oder (wie Duden befiehlt) "ich fahre rad", das ist völlig gleichgültig, Warum also diese Schulsorgen?
Es wäre verlorene Mühe, die Thierfelderschen Empfehlungen im einzelnen durchzusprechen. Die ganze "Reform" geht ja von derselben falschen Voraussetzung aus wie die heute herrschende Ehrfurcht vör der Duden-Orthographie: als sei die hundertprozentige Uniformität der Rechtschreibung ein selbstverständliches Postulat der Sprachpflege. Sobald man aber einmal erkannt hat, daß das Unfug ist, ist es nicht mehr schwer, mit der wirklichen Reform anzufangen: nämlich mit dem Abbau aller Vorschriften, die über das Unerläßliche hinausgehen. Wenn zum Beispiel ein Schüler, sei es ein Grundschüler oder ein Abiturient, das Bekenntnis ablegen will, daß seine Lieblingsfarbe die blaue sei, so möge es ihm unbenommen bleiben, entweder zu schreiben: "Meine Lieblingsfarbe ist blau" oder (wie Duden zur Pflicht machen möchte) "meine Lieblingsfarbe ist Blau". Es gibt unzählig viele solche Fälle, wo man getrost mit dem alten Ploetz sagen sollte: "Richtig ist alles beides."
Reduzierung der Regeln ist also der einzig richtige Weg. Nur: er kann nicht eingeschlagen werden, solange die "Duden"-Redaktion ihre usurpierte Rolle als gesamtdeutsches Rechtschreibungsministerium mit totalitärer Machtfülle weiterspielt. Da müßten nun wirklich einmal die Kultusministerien des deutschen Sprachraums einen gemeinsamen Beschluß fassen und den Albdruck (Duden: "Alpdruck") von den Gemütern nehmen. Es gäbe auch schon ein Gremium, das diese Reform in den (nicht sehr zahlreichen) Einzelheiten ausarbeiten könnte. Dabei denken wir jedoch nicht an Thierfelder und seine Mitstreiter, sondern an die eigens für solche Aufgaben gegründete linguistische Abteilung der "Akademie für Sprache und Dichtung".
Christian E. Lewalter
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2020 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#43158

In meiner Kiste mit Preziosen finde ich einen "Kalender für Lehrerinnen und Lehrer für das Schuljahr 1997/1998", "mit sonntäglichen Tips (!) zur neuen deutschen Rechtschreibung".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2021 um 16.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=92#46800

Der im vorigen Eintrag erwähnte Kalender ist selbst noch nicht in Reformschreibung gehalten.

Für jeden Sonntag sind holprige Verse eingetragen, die zwar die Reform unters Lehrervolk bringen sollen, aber teilweise ein wenig aufmüpfig klingen.

Lässt man sich erst aufs Duzen ein,
schreibt „du“, „ihr“, „euch“ man künftig klein.
Es kann mir niemand machen weis,
dass Opa das zu schätzen weiß.


Das ist natürlich lange vorbei. Wahrscheinlich sind die neuen Ausgaben auch politisch korrekt.
 
 

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