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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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03.08.2007
 

Unterm Strich
Es geht uns von Tag zu Tag besser und besser

Die schleswig-holsteinische Kultusministerin Erdsiek-Rave im Nordfriesland-Tageblatt:

- Seit heute gilt an den Schulen nur noch die neue Rechtschreibung. Gibt es noch Proteste?
- Aus den Schulen habe ich in den letzten zwei Jahren keinen einzigen Protestbrief erhalten. Wenn ich Protestbriefe bekomme, dann von den alten Reformgegnern. Unter Schülern und Eltern sind die eher nicht zu finden.
- Unterm Strich hat die Reform also funktioniert?
- Ja. Es wird vielleicht noch ein paar Jahre dauern, aber dann wird kein Mensch mehr merken, dass wir eine Reform hatten.
- Erleichtert die Reform das Schreiben für die Schülerinnen und Schüler?
- Ich bin davon überzeugt. Rechtschreibung war im Deutschen schon immer schwierig. Sie ist jetzt leichter geworden. Aber leicht ist sie immer noch nicht. Man hätte sich eine noch größere Erleichterung vorstellen können.



Da wir nicht behaupten dürfen, daß die Ministerin lügt, müssen wir annehmen, daß sie von der Wirklichkeit abgeschirmt wird. Gibt es einen Kultusminister, der nicht behauptet hätte, er habe keine Beschwerden und nur positive Rückmeldungen aus den Schulen erhalten? Die Rechtschreibreform scheint von der ganzen Bevölkerung begeistert begrüßt worden zu sein. Da die Rechtschreibung außerdem leichter geworden ist, werden entsprechend weniger Fehler gemacht, nicht wahr? Nachdem nun die Unsicherheit beseitigt ist, wird die Zahl der Fehler bald gegen Null tendieren.
Es erfüllt mich seit elf Jahren mit immer neuem Staunen, wie es mit sonst ganz intelligenten, zum Teil verdienstvollen Ministern bergab geht, sobald sie sich zur Rechtschreibreform äußern. Privat reden sie natürlich ganz anders. Wem Gott ein Amt gibt, dem nimmt er den Verstand.



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Kommentare zu »Unterm Strich«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2009 um 10.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#14810

In Schleswig-Holstein, dem Land, dessen Parlament in seltener Einmütigkeit einen erfolgreichen Volksentscheid nach knapp einem Jahr annulierte, ist nun die große Koalition zerbrochen. Mit den anderen SPD-Ministern ist auch Kultusministerin Erdsiek-Rave entlassen worden. Sie wird vermutlich eine Nachfolgerin aus CDU oder FDP bekommen, deren Aufgabe es dann sein wird, die unwahren Behauptungen über die Rechtschreibreform und ihre fabelhafte Umsetzung weiterzutragen. Hier noch einmal - sozusagen als Nachruf - die gesammelten Äußerungen über die Entlassene:

Kieler Nachrichten 13.7.99 (Urs Stahl):
Ministerin: Schreibreform nicht übereilen
Erdsiek-Rave warnt vor Chaos
Kiel (US) Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) hat gestern an die Landtagsfraktionen appelliert, die Rückkehr zur Schreibreform nicht zu übereilen. Angesichts der drohenden Klage der Volksinitiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ sei die Wiedereinführung der Neuschreibung an den Schulen gleich nach den Sommerferien nicht ratsam.

Trotz der Kehrtwende der CDU und einer sich nun im Landtag abzeichnenden einvernehmlichen Wiedereinführung der Schreibreform „müssen wir auf der rechtlich sicheren Seite bleiben“, sagte die Ministerin. Bevor der Landtag ein neues Gesetz verabsachiedet, gelte es, genau zu prüfen, wie lange die Bindungswirkung des Volksentscheides vom 27. September 1998 gegen die Neuschreibung gilt. Es dürfe nicht wieder Chaos ausbrechen, falls das Verwaltungsgericht eine wiedereingeführte Reform auf Antrag der Initiative gleich wieder stoppen sollte. Die Ministerin empfiehlt, der Landtag müsse zumindest mit der zweiten Lesung warten, bis das Prozeßrisiko einschätzbar ist.
Die Rechtslage ist nicht eindeutig: Das Kommunalwahlrecht schreibt zwar für Bürgerentscheide eine Bindungswirkung von mindestens zwei Jahren vor. Das Gesetz über den Volksentscheid auf Landesebene enthält hingegen eine solche „Anstandsfrist“ nicht. Gleichwohl gehen Fachleute davon aus, daß die Gerichte dem Landtag nicht völlig freie Hand geben, das Instrument des Volksentscheides durch beliebig verkürzte Bindungsfristen zu entwerten. Der Ausführungserlaß zum Volksentscheid ist erst vor einem Dreivierteljahr in Kraft getreten. Ursprünglich hatte sich der Landtag darauf geeinigt, zwei Jahre abzuwarten und dann erst eine Gesetzesinitiative zu prüfen.
Matthias Dräger, Sprecher der Volksinitiative, erwartet denn auch mindestens zwei Jahre Bindungsfrist. Außerdem wirft Dräger nach der CDU-Kehrtwende nun auch CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe vor, das Votum der Wähler beim Volksentscheid „mit Füßen zu treten“.

––

Interview mit den Lübecker Nachrichten, 30.7.99:

Ute Erdsiek-Rave:

Es gibt im neuen Regelwerk auch Rechtschreibung, die schwer nachvollziehbar ist – die dreifachen Konsonanten zum Beispiel. Entweder wird diese Schreibweise im Laufe der Zeit korrigiert – oder aber man gewöhnt sich daran.

- Geht Ihnen die neue Rechtschreibung nicht weit genug?

Meine private Meinung zur neuen Rechtschreibung ist eher gespalten. Was aber die Schulen angeht, muß ich sagen: Es geht künftig nicht mehr anders als in der neuen Rechtschreibung, der Zug ist abgefahren.

- Nachgehakt: Hat sich ausgerechnet die Kultusministerin mit ihrer gespaltenen Meinung zur Reform dem Fraktionszwang Ihrer Partei beugen müssen?

Ich habe diese Reform nicht gemacht. In Kiel war ich auch nicht verantwortlich, als 1996 in der Kultusministerkonferenz darüber entschieden wurde. Ich muß nicht begeistert sein. Es war eine pragmatische Entscheidung.



KMK 20.1.2006:
Ute Erdsiek-Rave: Föderalismusreform für Innovationen in Schule und Hochschule nutzen – Empfang zur Amtsübernahme der neuen Präsidentin der Kultusministerkonferenz in Berlin
(...)
Rechtschreibung
Die Kultusministerkonferenz wird sich voraussichtlich Anfang März mit den Vorschlägen des Rats für deutsche Rechtschreibung befassen. „Unser Ziel muss es sein, dass das Regelwerk zum Schuljahresbeginn 2006/07 für alle Schülerinnen und Schüler gilt“, sagte die Ministerin weiter.



Tagesspiegel 13.2.2006:

Der Rat für Rechtschreibung hat die letzten Vorschläge zur Änderung der Reform vorgelegt. Ist die Reform inzwischen nicht weitgehend zurückgedreht worden?

- Nein. Es werden Korrekturen vorgenommen, etwa in der Zusammen- und Getrenntschreibung. Die Kultusminister dürfen jetzt nicht selbstgefällig sagen: Es war alles vom Besten. Ein Teil der Kritik war berechtigt. Meine Hoffnung ist aber, dass Ruhe einkehrt. Die Schulen müssen sich an einige neue Regeln gewöhnen, aber das war es dann bis auf weiteres.

Das Gespräch führten Anja Kühne und Amory Burchard.

Ute Erdsiek-Rave (59) ist Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder. Seit 1998 ist die Sozialdemokratin Bildungsministerin in Schleswig-Holstein.


Nordfriesland Tageblatt 2.8.07:

- Seit heute gilt an den Schulen nur noch die neue Rechtschreibung. Gibt es noch Proteste?

Erdsiek-Rave:: Aus den Schulen habe ich in den letzten zwei Jahren keinen einzigen Protestbrief erhalten. Wenn ich Protestbriefe bekomme, dann von den alten Reformgegnern. Unter Schülern und Eltern sind die eher nicht zu finden.

- Unterm Strich hat die Reform also funktioniert?

Erdsiek-Rave: Ja. Es wird vielleicht noch ein paar Jahre dauern, aber dann wird kein Mensch mehr merken, dass wir eine Reform hatten.

- Erleichtert die Reform das Schreiben für die Schülerinnen und Schüler?

Erdsiek-Rave: Ich bin davon überzeugt. Rechtschreibung war im Deutschen schon immer schwierig. Sie ist jetzt leichter geworden. Aber leicht ist sie immer noch nicht. Man hätte sich eine noch größere Erleichterung vorstellen können.



 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.09.2007 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10201

"Wem Gott ein Amt gibt, ..."

Die Beamtin hatte es ja schon früher zu Duden-Ehren gebracht, die Verwandtin und Bekanntin leider noch nicht.

Aber im heutigen Mannheimer Morgen (S. 15) sah ich gerade:
"Zuvor hatten Grenzbeamten die Mutter ... aufgegriffen."

Das ist, glaube ich, neu, oder? Na ja, es sind halt Beamten ...
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 30.08.2007 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10049

Zu B. Eversberg am 29.08.2007 um 15:30 Uhr:

''Selbst Nobelpreisträger und Ministerpräsidenten kommen nicht an gegen Stümper und Ignoranten, die zufällig die Hand am richtigen Hebel haben. Die meisten beugen sich sogar, ohne auch nur irgendeinen von der Bande zu kennen.''

Früher einmal stand ''Made in Germany'' weltweit für Qualität. Ich bin der Ansicht, daß diese Qualität auch etwas mit der klassischen Rechtschreibung zu tun hatte, denn diese trainierte das Verstehen und führte so zu der Grundhaltung, derer es bedurfte, Qualität auch auf anderen Gebieten zu liefern. Leider ist aber ebenjene Grundhaltung durch die 68er in Verruf geraten, warum auch immer. Heute ist es offenbar ''hip'', stümperhaft und ignorant zu sein. Man sollte sich hier einmal Gedanken darum machen, warum das so ist und ob es vielleicht etwas mit der Rolle Deutschlands im letzten Jahrhundert zu tun hat.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 30.08.2007 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10048

GEZ:

Vielleicht sollte es die GEZ machen wie Roland Koch bei den Studenten in Hessen: Statt Gebühren erheben besser Beiträge einsammeln und sich entsprechend umbenennen. Aus GEZahlt wird dann eben BEZahlt. Kommt letztlich aufs Gleiche raus, würde aber die Reformwilligkeit der GEZ unter Beweis stellen. Vielleicht sollte sich die GEZ bei den Rechtschreibreformern beraten lassen, die mit ihrer Reform ja auch das ganz große Geschäft machen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.08.2007 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10046

Nachdem nun der Duden die aktuellen Empfehlungen des Rechtschreibrats umzusetzen verweigert und sich dadurch als Autorität selbst demontiert, sollten diejenigen Wissenschaftler, die nachweislich etwas von Rechtschreibung verstehen und die nicht an der Rechtschreibreform mitverdienen, mit der provozierenden Frage konfrontiert werden, ob ihnen die Rechtschreibung ganz gleichgültig ist und sie wirklich nichts mit ihr zu tun haben wollen. "Gehört die Rechtschreibung nicht mehr zur deutschen Germanistik?"
 
 

Kommentar von Infelix Francia, verfaßt am 29.08.2007 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10045

Frankreichs "Institutionen", allen voran die Académie française, haben allerdings 1990 den "rectifications" der französischen Rechtschreibung ohne weiteres zugestimmt, obwohl diese (neben zahlreichen Kleinigkeiten wie "cent trois" --> "cent-trois") auch brutale Eingriffe in die Grammatik ("les lieder" --> "les lieds", "des pèse-personne" --> "des pèse-personnes", "je les ai laissés partir" --> "je les ai laissé partir") sowie grobe Entstellungen diverser Wörter ("paraître" --> "paraitre", "j'amoncelle" --> "j'amoncèle") enthalten.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 29.08.2007 um 15.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10044

Es gibt in manchen Ländern Institutionen (z.B. Frankreich) oder hochgeachtete Koryphäen (z.B. Polen), ohne deren Beteiligung und Zustimmung in Sachen Schriftsprache niemand etwas unternehmen würde. Bei uns ist es anders, das steht fest. Selbst Nobelpreisträger und Ministerpräsidenten kommen nicht an gegen Stümper und Ignoranten, die zufällig die Hand am richtigen Hebel haben. Die meisten beugen sich sogar, ohne auch nur irgendeinen von der Bande zu kennen.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 29.08.2007 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10043

Lehrerdeutsch
Eben erhielt ich ein Schreiben, Absender ist ein Lehrer:

„Ich habe die Rechnung bereits überwiesen würde mich jedoch freuen wenn sie die zu viel bezahlten 4,- Euro wieder zurück überweisen könnten.“

Vor 1996 wären einem Schüler für einen solchen Satz gleich fünf Fehler angestrichen worden, nach der Reform sind es meines Wissens vier. Wie mag der Rechtschreiballtag wohl in den Schulen aussehen?

Aber dies scheint mir erst der Anfang zu sein.

Als ob es nur ums Schreiben ginge! Wenn das Netz der Kultur an einer Stelle beschädigt wird, werden als unerbittliche Konsequenz auch andere brüchig. Wo das sein wird, und wie groß der Schaden am Ende sein wird, kann niemand vorhersagen. Ich frage mich: Gibt es in Deutschland eine Person, welche die Macht besitzt, dem Zerstörungswerk an der Sprache durch ein Machtwort Einhalt gebieten zu können (wenn sie das denn wollte)? Oder ist dieser Selbstläufer wirklich durch nichts und niemanden mehr zu bremsen?
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 27.08.2007 um 18.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10038

Lieber Germanist,
gleich ob der Wüstensand des Originals oder der Würstchenstand aus dem Parodieverfahren, die ohrwurmige Melodie regelt es zu brennend heiß. Auch in der Schreibung brennendheiß liegt eine Graduierung per Vergleich vor. Freddy indessen käme in einem Text mit heiß brennend oder subjekt- bzw. objektattributivem heißbrennend beim Singen ganz schön ins Schleudern.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.08.2007 um 17.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10037

Die Freddy-Quinn-Parodie "brennend heißer Würstchenstand" = der brennt wirklich, oder "brennendheißer Würstchenstand" = der ist wirklich heiß, ist nicht ganz dasselbe.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 27.08.2007 um 17.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10036

Schön war die Zeit ...

Wie würde es z.B. "Der Spiegel" mit dem Text von Freddy Quinns Schlager Heimweh halten, wenn er ihn drucken müßte? Darf er den "Song"text normal, d.h. entsprechend der Melodie mit langersehnt wiedergeben, oder muß er ihn zu lang ersehnt entstellen?

Die rücksichtslose Wortzerfransung durch die deformierte Schreibung des Deutschen entstellt nicht nur Texte der Großmeister des Dichter- und Denker-Volkes, sondern auch populäre, volkstümliche, sprichwörtliche etc. Texte meist anonymer Autoren. Das fällt besonders denen auf, die solche Texte vertont kennen, weil sie die Melodie und damit auch die Satzprosodie im Ohr haben.
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 27.08.2007 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10035

Der SPIEGEL reflektiert nicht den Stand der Reformdinge. Will sagen, er wendet offenkundig die Option "Presse" des Duden-Korrektor nur lax an.
Lektüre der Ausgabe 34 ergab am Wochenende :
Potential, potentiell, plaziert, heißgelaufen, gutgehend, phantastisch, er habe recht, ...
Was die GZS angeht, sind alle Korrektor-Varianten ohnehin unterbelichtet, aber das liegt in der Natur der Sache. Im SPIEGEL scheint jetzt wieder zu gelten "im Zweifel zusammen", dafür findet man sehr viele Belege, und der Korrektor läßt das alles durch, manche aber bei Einstellung "progressiv" nicht, wie soganannt, selbstgemalt, schwarzvermummt, heißumkämpft.
Durchaus über weite Strecken unauffällig also. Was das Blatt als reformwillig erkennbar macht, sind einzig die ss-Wörter, die beherrscht man gut, bis auf ein vereinzeltes "schmeissen" alles reformgerecht.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 26.08.2007 um 17.52 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10031

Es handelt sich ja nicht um eine Gänseauftriebsztrale, sondern um die in ihrer Art einzigartige Gebühreneintriebszentrale. Wie oft in deutschen Komposita wird das Wichtigste (ökonomisch) ausgelassen. So fehlt z.B. in den MAK-Werten das unschudlige Wort Gift, was heute manchen an Arbeiterintensivhaltung in Großbetrieben denken läßt. Die heilige Institution GEZ heißt sehr wohl nicht Rundfunk- und Fernsehgebühreneintriebszentrale. Und genau deshalb darf sie nicht nur für die Machtposaunen, sondern für alles, was ihr gerade einfällt, Gebühren eintreiben. Das Ganze kann man "sprachliche Entgrenzung" nennen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.08.2007 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10026

Volkstümliche Bezeichnungen sollen bei Strafe verboten werden. Die GEZ will alle öffentlichen Wortverbindungen von "GEZ" mit "-Gebühr, -Anmeldung, -Brief, -Verweigerer" usw. per Abmahnung mit Vertragsstrafe verbieten. Interessante Rechtsfrage, ob die Sprache wirklich dem Volk gehört.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 24.08.2007 um 11.42 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10025

Das Kompositum die Fünfzigerjahre scheint zwanghaft entstanden. Aber so ist das nun einmal mit der Durchsichtigkeit der Komposita, insbesondere der nominalen.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 22.08.2007 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10016

„Es war mir ein unerträglicher Gedanke, das Hitler mich zum Juden gemacht hatte.“ Dazu komplementär eine Lesefrucht aus diesen Tagen. Meine Tochter brachte aus der Schule ein Arbeitsblatt mit nach Hause, auf dem eine Aufgabe lautete: „Zeichne jeweils dass dazugehörige Schaubild.“
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.08.2007 um 20.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10012

Fünfzigerjahre ist kein "neues Zwangskompositum". Man kann auch unter der Reform fünfziger Jahre oder 50er Jahre schreiben.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 21.08.2007 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10010

Provokation Schreibreform

Wer ausloten möchte, wieviel Schwachsinn einem obrigkeitshörigen Volk zumutbar ist, der darf Fragen, wie Prof. Schatte sie in 9994 stellt, nicht stellen. Er darf gerade nicht darauf achten, ob jemanden etwas stört, im Gegenteil, er muß möglichst inkonsistent und gegen das Sprachgefühl agieren. Er muß Regeln aufstellen, die kein Mensch versteht, er muß Varianten kreieren, die keine sind, und er muß all das provokant als Vereinfachung, Eliminierung von unverständlichen Ausnahmen, Folge des natürlichen Sprachwandels und Vereinheitlichung der Schreibung darstellen. Wenn er das mit einfach verständlichen Worten macht, springen Volk und Journaille auf und übernehmen die Provokation. Unter dem Deckmantel "Schutz der Kinder" wird der Unsinn dann breit verankert und die Wörterbücher freuen sich, endlich Gründe für mehrfarbige Sachverhaltsdarstellungen zu haben. Natürlich gehört eine gewisse Akrobatik dazu, die Vierfarbigkeit der neuen Einheitlichkeit zuzuschreiben...

Einmal losgetreten, läuft so ein Prozeß, wie lange und wohin, das weiß heute noch niemand. Von der Schmerzgrenze des offenen Aufbegehrens ist man aber noch weit entfernt. Satiriker würden sagen: Ein wenig komplizierter, inkonsistenter und sprachgefühlswidriger ginge schon noch - werte Provokateure.

 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 21.08.2007 um 18.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10008

Das Lesen des Textes von Jacques Schusters stören allerdings auch die neuen Zwangskomposita "in den Fünfzigerjahren". Falls ein widerspenstiger Schüler in den 50er Jahren schreiben sollte, wird das wahrscheinlich mit Tiefstnoten geahndet. Deutschland liegt nun in den Fünfzigerbreitengraden. Wie schön für das Land!
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 21.08.2007 um 17.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#10007

Unterwegs in der Eisenbahn habe ich mal wieder nach langer Zeit eine Zeitung gelesen: die Samstagsausgabe der „Welt“ vom 18. August 2007. An die Rechtschreibreform dachte ich nicht, wer mag schon dauernd daran denken. Aber beim Lesen wurde ich dann doch wieder an dieses Ärgernis erinnert. Gerade bei der Lektüre anspruchsvollerer Texte wird klar, wie wenig geeignet die Reformschreibung für die Formulierung von Inhalten ist. Das Lesen bereitet keine Freude, wenn man immer wieder zum Satzanfang zurückkehren muß, weil sich der Sinn durch fehlende oder falsch gesetzte Kommata nicht gleich erschließen mag. Zum Verdruß und Verderb des Lesevergnügens reicht es, wenn dies in jeder Spalte einmal passiert.
Auf den literarischen Seiten fand ich einen Artikel von Jacques Schuster über Fritz Stern. Ich quälte mich durch die Spalten. Dann stolperte ich endlich über den Satz: „Es war mir ein unerträglicher Gedanke, das Hitler mich zum Juden gemacht hatte ...“ Damit war es genug. Den Rest der Zeitung stopfte ich ins Netz der Rückenlehne. Mag sich daran erfreuen, wer will.
Erheiternd dagegen stimmte mich der „Ernährungstipp“ in derselben Zeitungsausgabe. Wenn daran nicht so mancher Zeitgenosse den Magen verdirbt: „ ... die Chipstüte muss immer ganz leer gegessen werden ...“ Obwohl, Zellulose soll ja auch nahrhaft sein, oder?

 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.08.2007 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9996

einmal und keinmal

Nach welcher Überlegung einmal, keinmal und diesmal zusammen, jedes Mal aber obligat getrennt zu schreiben ist, das wissen nur die Reformer. Man sollte sie einfach einmal fragen.

Vor allem sollte man fragen, warum tausende Varianten eingeführt wurden, die vielfach gar keine Varianten sind, da sie unterschiedliche Bedeutung haben, in solch läppischen Fällen wie jedesmal aber kategorische, trotzdem aber inkonsistente Getrenntschreibung Vorgabe ist.

Ob das was mit der 2/3 Mehrheit bei den Abstimmungen zu tun hat?
Einzelfallabstimmung und Konsistenzhaltung, an dieser Herausforderung ist man im Rat und früher schon in der Kommission kläglich gescheitert, wie es scheint.

 
 

Kommentar von "Hirn verbrannt", verfaßt am 19.08.2007 um 12.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9995

Die Rechtschreibreform kam der "Presse" schon 1999, als alle anderen österreichischen Zeitungen umstellten, "Hirn verbrannt" vor. 2003 hat sie dann aber doch umgestellt (aus "Rücksichtnahme auf die Schulkinder"). Seither hat sie einige Absurditäten zu diesem Thema gedruckt, etwa eine Kolumne von Doris Knecht, in der die reformierte Rechtschreibung als "verbindliches Gesetz" bezeichnet wurde!
Andererseits veröffentlicht sie wenigstens Leserbriefe zum Thema Rechtschreibung in der vom Verfasser gewählten Orthographie - im Gegensatz zu den meisten Zeitungen, die rücksichtslos in neue Rechtschreibung umkorrigieren, und zur FAZ, die Briefe über die Rechtschreibreform jetzt offenbar überhaupt nur noch im Papierkorb verschwinden läßt.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 19.08.2007 um 11.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9994

Wen eigentlich hat die deutliche graphemische Unterscheidung des Frageadverbs wieviel und des Frage-Syntagma wie viele gestört? Mit dem ersten fragt man nach einer Menge, mit dem zweiten nach einer Anzahl.

Daß umgangssprachlich häufig mit wieviel nach einer Anzahl gefragt wurde und wird ("Weißt du, wieviel Sternlein stehen ... ?"), tut nichts zur Sache. Mit Umgangssprachlichem wie auch mit Dichterischem sind zweifelhafte Schreibungen werder zu begründen oder herzuleiten noch -- hochmodern -- zu "motivieren".
 
 

Kommentar von stefan strasser zu 9992, verfaßt am 18.08.2007 um 22.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9993

"wie viel"

Diese Getrenntschreibung wurde doch schon 1998 mit der ersten Reform eingeführt, oder? Die Zusammenschreibung bekam nur eine Gnadenfrist, da der GZS-Bereich für strittig erklärt wurde und daher die alten Schreibweisen in Schulen weiterhin toleriert werden mußten. Da die 2006er Reform die obligate Getrenntschreibung aber bestätigte, ist ab 1. 8. 2007 nurmehr getrennt erlaubt - in deutschen Schulen. Die Presse könnte weiterhin schreiben, wie sie will, allerdings sieht auch die Hausorthografie der Agenturen Getrenntschreibung vor.

"Wievielmal", "wievielerlei" und "wievielte(n)" bleiben hingegen zusammen.

"Jedes Mal" statt "jedesmal" ist ebenfalls seit 1998 eingeführt, es gilt das selbe wie oben; "jedesmalig", "diesmal", "diesmalig" bleiben hingegen zusammen.

Verwunderlich nur, daß das der Presse erst jetzt "Hirn verbrannt" vorkommt und nicht schon 1998. Abgesehen davon, ist die Übergangsfrist in Österreich um 1 Jahr länger, für Schüler ändert sich daher am 1. 8. 2007 eigentlich nichts...
 
 

Kommentar von diepresse.com, verfaßt am 18.08.2007 um 20.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9992

Hirn verbrannt (Die Presse)

1.August – ein historischer Tag. Für Schüler, für Lehrer. Und so natürlich auch für uns Eltern. Wir dürfen feststellen (oder heißt's nun: fest stellen?), dass der nächste Schub unsinniger „Rechtschreib“-Regeln auf uns Deutschsprechende (deutsch Sprechende) niederprasselt (nieder prasselt?). Und zwar mit Wirkung von heute, Leute! Alsdann: Es heißt ab sofort wie viel (statt bisher wieviel), es muss jedes Mal so sein, und nicht mehr jedesmal. Wenn Tochter Magda, dieses gelehrige Wesen schmetterlinghafter Zartheit, aber nun ganz analog dies Mal verwendet, dann ist' natürlich falsch, kapiert? Und wenn sie das auch noch jeder Zeit tut, dann ist der Fünfer in Deutsch bald perfekt!

Der Irrsinn geht noch weiter: Nach dem Willen der geistig umnachteten Reformer soll Magda nun nur noch hartgekochte Eier machen, aber ja nicht gargekochte, denn das schreibt man getrennt!! Bald ist sie nass geschwitzt, die arme Elfe, und was ist der Effekt? Na? Rot geweinte Augen etwa? Keineswegs: Rotgeweinte Augen hat sie zu haben! Hirnverbrannt, was? Oder Hirn verbrannt. In dem Falle stimmt wohl beides. hws
 
 

Kommentar von Fundstücke, verfaßt am 17.08.2007 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9988

Meine Fundstücke aus heutigen Zeitungen passen zwar nicht direkt zum Thema, sind aber zu "schön", um nicht erähnt zu werden:
"Racheackte von 'Ndrangheta-Clans" (FAZ, Seite 7)
"Rating Agenturen" gleich mehrmals auf Seite 2 der Wiener "Presse", die doch vor kurzem eine kleine Kolumne über die Rechtschreibreform gedruckt hat (Titel: "Hirn verbrannt").
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 17.08.2007 um 08.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9986

Weiter unten meint ein Teilnehmer: "Bei vorangehendem kurzen Vokal ("hissen") schreibt man dagegen "ss" (nicht etwa "ßß", wie zu erwarten)."

Kann diese Erwartungshaltung ernst gemeint sein?
In Majuskeln wäre dann HISSSSEN zu schreiben - eine offensichtliche Absurdität...
Das ss in hissen kommt doch nicht vom kurzen Vokal sondern von der Trennmöglichkeit zwischen den beiden s, was bei heißen nicht der Fall ist, und daher wird hier ß geschrieben (=untrennbares ss). Daß am Wortende ß statt ss steht ist doch eine zwangsläufige Folge der Untrennbarkeit, und es hat den angenehmen Nebeneffekt, Silben- und Worttrennfugen auch optisch zu markieren.

Dann später: " "Kuss" wie "küssen" sei doch logischer als "Kuß", was so lapidar festgestellt sogar stimmt."
Wieso Kuss logischer sein soll als Kuß, das muß mir erst einmal jemand erklären, lapidar oder nicht lapidar.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 08.08.2007 um 20.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9955

Gerade eben gab es bei RTL folgende Einblendung (Untertitel unter O-Ton von G.W. Bush):

...wenn du eine Brezel isst, mußt du kauen...

Selbiger Fehler tauchte in der nächsten Einblendung in einem leicht veränderten Satz nochmals auf.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 07.08.2007 um 14.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9951

Ich bin mir ziemlich sicher, daß "Bimbes" da eine Rolle spielen dürfte. Fehlt mir schon jedes Verständnis, daß scheinbar alle Kinder und Jugendlichen ständig Unsummen von Geld verschleudern, um extrem verkürzte Botschaften per Marschfernsprecher auszutauschen (ein Hobby, das auch die nicht mehr als Jugendliche durchgehende Regierungschefin unseres Landes eifrig pflegt) - so ist ja für Bild- und Video-Übertragungen den Kindern noch viel mehr Geld aus den Taschen zu ziehen.
Und das glückt - trotz der hohen Kosten: Da kündigt sich durch einen "individuellen" (in Wirklichkeit nur für viel Geld zugekauften) Klingelton eine Videobotschaft an, die - wenn sie cool genug ist - an ganze Freundeskreise (natürlich wieder gegen viel Geld) weitergesandt wird.
Um vom Leben (und erst recht vom "zweiten") nicht brutal ausgeschlossen zu sein, ist ein (wiederum auf die Dauer sauteurer) DSL-Anschluß Pflicht, mit dem man dann z.B. Podcasts herunterladen kann. Man kann sie auch selbst produzieren. Ich habe mir vor einigen Monaten mal so etwas angehört: Eine jugendliche Podcast-Autorin legte da eine beeindruckende Beredsamkeit an den Tag - sie sprach "ohne Punkt und Komma", aber auch ohne jedes "äh" - und ging genau darauf auch einmal ein - nein, sie schreibe nie etwas vorher auf, wenn man wie sie in den Sprechpausen (die es bei ihr nicht gab) überlege, was man sagen wolle, ginge das auch ohne "ähs". (Ihre Texte klangen wirklich angenehm im Ohr - nur war in dem ziemlich professonell wirkenden Gerede relativ wenig Gehalt.)
Das könnte ein erheblicher Teil der zukünftigen Kommunikation sein: Statt sich zu treffen (mega-out) oder miteinander zu telefonieren (ist doch direkt unhöflich und bedrängend, jemandem direkt ins Ohr zu quatschen, wenn der einen halben Tag später vielleicht viel eher Zeit hat, sich mein Podcast ("Über Ostern bei den Verwandten in Western") anzuhören oder zu sehen! Dann läuft auch alles artíg über Gebührenzählmaschinen (und wo nicht, haben die Menschen der automatischen Dauerschröpfung durch sogenannte Flatrates zugestimmt). Anstelle von Schulaufsätzen stellen die Schüler aus (an Medienkonzerne zu bezahlenden) Versatzstücken "individuelle" Kompilationen zusammen - Lebenssituationen, in denen nichts bezahlt wird, sollen zur Ausnahme werden.
Wo immer noch Bücher gebraucht würden, sollen diese so gestaltet sein, daß ich mir daraus wenig aneignen kann, sondern lerne, daß ich ihrer ständig (oder zumindest über einen längeren Zeitraum hin) bedarf.
Wie dies alles wirklich aussehen wird, weiß ich natürlich nicht. Aber daß "unbezahltes Leben" zur Ausnahme wird (und weiter werden soll), das kann man heute schon allenthalben sehen.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 07.08.2007 um 12.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9950

Um mal wieder ein bißchen zum Thema zu kommen, ich habe da mal eine Frage zum Tagebucheintrag:

Warum darf man eigentlich nicht behaupten, daß eine Ministerin lügt? Offensichtlich erzählt Frau Erdsiek-Rave doch zumindest die sogenannte "Unwahrheit"; warum soll man das hinnehmen? Gibt es da wirklich keine Möglichkeit, sich zu wehren?

Und wenn ich's mir genau betrachte, ist ihre Äußerung "Es wird vielleicht noch ein paar Jahre dauern, aber dann wird kein Mensch mehr merken, dass wir eine Reform hatten." ein Hinweis darauf, daß die Hohen Damen und Herren darauf warten, daß in ein paar Jahrzehnten niemand mehr da sein wird, der unreformiert schreiben gelernt hat. Und dann hat sich's ohnehin erledigt.

Planen die die Ausrottung der Alphabetisierten? Mir kann keiner erzählen, daß die an sowas nicht irgendwann schon einmal gedacht haben!
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.08.2007 um 02.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9949

Herr Jochems stellt meinen Vorschlag wiederum irreführend dar. Ich hatte den Eindruck, daß Herr Jochems nicht glauben kann, was ich ihm schreibe; das bestätigt sich jetzt auch in seiner Einschätzung "undenkbar". Ich habe ihm deshalb am gestrigen Montag vorgeschlagen, er möge sich selbst in diesem Forum erkundigen, ob es stimmt, daß einige Teilnehmer froh wären, wenn er sich hier nicht mehr äußert; auf diese Weise könne er sich nach den Gründen erkundigen und dazu aufrufen, ihm das an seine E-Mail-Adresse mitzuteilen, damit er sich daran orientieren kann. (Ich halte so ein Vorgehen für besser, als daß sich verschiedene Teilnehmer untereinander über ihn die Haare raufen oder ihrem Unmut Luft machen; und natürlich auch für besser als eine öffentliche Erörterung.) Von gehaltvollen Äußerungen zu seinen künftigen (Logik?) Beiträgen, von einer "geheimen eAnschrift", von der Yahoo-Gruppe, von einer internen Diskussion auf deren Website, von deren früherem Moderator "Lufthauch" oder irgendwelchen dort "akkreditierten" Mitgliedern und von einer angeblich von ihnen garantierten Diskretion war überhaupt nicht die Rede. Ich frage mich, warum Herr Jochems dies alles erfindet und hinzufügt. Ich habe den Eindruck, er möchte damit den zuvor schon mehr versteckten als ausgesprochenen Aufruf (... etwas Gehaltvolles ... könnte ...) ins Lächerliche und Absurde ziehen, um möglichst keine Zuschriften zu erhalten. So wird das natürlich nichts mit ehrlichen Rückmeldungen.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 21.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9948

Lieber Herr Jochems,

ich habe so viele Zeit damit zugebracht, mich in dieser verm--- Software zurechtzufinden, aber ich kann Ihnen, wenngleich ich auch Ihren akademischen Status anerkenne, nicht zustimmen. Wenn Sie etwa der gemäßigten Kleinschreibung nicht abhold wären, wie die Brüder Grimm, könnte ich darauf hinweisen, daß das letzte Jahrhundert nicht so völlig folgenlos war. Das Deutsche hat inzwischen eine Fülle von Unterscheidungsmöglichkeiten hervorgebracht, und ich möchte diesen Trend nicht stoppen, ich begrüße ihn sogar.
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 06.08.2007 um 21.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9947

Im Auftrag der Redaktion? Das wäre ja noch schöner. Dr. Markner ist doch der Vorsitzende der FDS. Von dem so etwas? Undenkbar. Nun greife ich aber einen anderen Vorschlag Herrn Wrases auf: Wer mir etwas Gehaltvolles zu meinen Beiträgen – den früheren und den künftigen – mitteilen möchte, könnte das privat in einer Mail an meine geheime eAnschrift tun: www.gue.ge@yahoo.de. Auf Wunsch könnte ich die Nachricht dann auch auf der Webseite unserer Yahoo-"Chaos"-Gruppe zur internen Diskussion stellen, und zwar nur für die von unserem Moderator lufthauch persönlich akkreditierten Mitglieder, die natürlich allesamt Diskretion garantieren. Wäre das nicht die Lösung?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.08.2007 um 20.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9946

Ich habe Herrn Jochems privat geschrieben, um ihn über die teilweise sehr negativen Reaktionen ins Bild zu setzen, die seine Kommentare auslösen. Ich habe ihm gesagt, was ich an seiner Stelle längst getan hätte: Ich hätte mich zurückgezogen, im Interesse von Schrift & Rede und mir selber zuliebe. Ich habe ihm dies nahegelegt, heute zum zweiten Mal.

Bei meinen Schreiben an Herrn Jochems habe ich auch ohne Namensnennung aus einigen Mails an mich zitiert, in denen Beschwerden und Klagen über ihn laut wurden, um ihm die Nachteile zu verdeutlichen, die sein Auftreten sowohl für das Forum von Schrift & Rede als auch für ihn selbst hat.

Herr Jochems stellt sich offenbar vor, ich hätte ihm in Absprache mit der Redaktion oder sonstigen Mitgliedern geschrieben. Das trifft nicht zu. Beim ersten meiner Schreiben an ihn habe ich das auch hinzugefügt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.08.2007 um 18.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9945

Die Teilnahme an der Diskussion auf diesen Seiten steht bekanntlich auch Nichtmitgliedern der FDS offen.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 18.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9944

Ich bin mir sicher, die FDS wird Sie dankend begrüßen. Aber Ihr Standpunkt ist mir noch immer nicht so recht klar. Seien Sie mutig! Schreiben Sie, wie Sie wollen! Möglicherweise könnte hier in Ansätzen ein Konsens gefunden werden. Von meiner eigenen Schrift werde ich mich aber nicht mehr ablenken lassen, dafür bin ich nun definitiv zu alt.
 
 

Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 06.08.2007 um 18.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9943

Gerade erhalte ich eine Mail von Herrn Wrase, in der es u. a. heißt:

Als ich am Sonntagabend aus dem Wochenende heimkam, fand ich eine private Mail mit dem Betreff "Jochems", in der es heißt: »Es war angenehm in den letzten Wochen, eine "jochemsfreie" Unterhaltung auf Schrift und Rede mitverfolgen zu können. Um so überraschender ist die Wiederauferstehung des alten Herrn. Fängt das unerträgliche Geschwätz jetzt von vorn an?«

Nun sollten sich die Mitglieder der FDS, die doch wohl ebenfalls diese Diskussion verfolgen, über den geistigen und moralischen Zustand ihrer Mitläuferschaft Gedanken machen. Ich habe bisher aus Altersgründen von einem Beitritt abgesehen. Aufgrund der Mail von Herrn Wrase habe ich jedoch sofort einen Aufnahmeantrag gestellt. Nun werden wir sehen, ob Herr Lachenmann, Herr Markner und Herr Stirnemann einem loyalen Mitstreiter der ersten Stunde ihre Webseite verbieten werden.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 16.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9942

Gut, wenn ich mich also zum Thema äußern soll: Der Aufsatz ist tendenziös. Sehen Sie mal hier: »Wenn ich Protestbriefe bekomme, dann von den alten Reformgegnern.« Hier sollen die Reformgegner sofort in eine für sie nachteilige Stellung gebracht werden, weil die Fürsprecher sehr wohl um die Vorzüge des Adjektives »neu« und »alt« wissen; Kritikern wird unterstellt, sie seien alt und gingen womöglich schon am Krückstock. Das haben wir doch mit der Muttermilch aufgesogen: Alles, was »neu« ist, ist cool. Deshalb nennt sich die NDR auch ganz bewußt »neu«. Daß aber nicht alles Neue auch automatisch erhaltenswert ist, nur weil es neu ist, geht vielen Beteiligten erst sehr spät auf. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
 
 

Kommentar von Red., verfaßt am 06.08.2007 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9941

Äußern Sie sich bitte zum Thema. Es ist durch obenstehenden Tagebucheintrag vorgegeben.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 15.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9940

Gut, liebe Red., Sie haben hier Ihr Bestes getan, um zu moderieren und zu tilgen, was zu tilgen war. Ich möchte es dennoch nicht so gerne hinnehmen, wenn ich nun öffentlich als »Krawallmacher« bezeichnet werden darf. Das wäre eine gänzlich unangemessene Bezeichnung, und solcherlei kann ich nicht so stehen lassen. Was Herrn Jochems und mich umtreibt, ist tatsächlich eine Kulturdebatte, und wir sollten hier nichts untertreiben.
 
 

Kommentar von Red., verfaßt am 06.08.2007 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9938

Wir bitten darum, die gegenseitigen Anwürfe einzustellen.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.08.2007 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9936

Wie wäre es mit ein wenig mehr Gelassenheit allerseits?
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 06.08.2007 um 11.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9935

Herr Köster, das ist der Ton des pseudomarxistischen Studentenaufstands, der in den frühen siebziger Jahren die deutschen Universitäten vor allem in den geisteswissenschaftlichen Fächern lahmlegte. Es war sagenhaft, was sich damals gestandene Wissenschaftler von hergelaufenen Ignoranten bieten ließen. Ich bin damals nicht zurückgewichen und tue es auch heute nicht. Wenn ein seriöser Verein wie die Forschungsgruppe Deutsche Sprache so etwas duldet, bitte sehr. Ich lasse mir jedenfalls nicht von irgendeinem Krawallmacher den Mund verbieten.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 10.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9934

Herr Jochems, Ihren herabsetzenden »Selbstoffenbarungen« zum Trotz, die ich für eine unverfrorene Frechheit halte, stelle ich hier fest, daß Ihnen offenbar nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung gelegen ist, und ich beschließe hiermit, Sie in die Schublade »uneinsichtige Kalkleisten« zu stopfen. Auf diese Art und Weise macht es alles keinen Spaß mehr, sich über unsere Sprache und Rechtschreibung zu unterhalten. Ich hätte mir da von den Universitätsobersten doch etwas mehr Kompetenz, Wissen und Humor erwartet. Erschütternd, daß es nicht so ist, wie ich es mir gewünscht hätte.
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 06.08.2007 um 10.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9933

Herr Köster, Ihre Selbstoffenbarungen sind hier völlig überflüssig. Schreiben Sie mit sachlichen Argumenten zur Sache. Sie würden dann die Glaubwürdigkeit dieser Webseite nicht weiter beschädigen und zugleich das leisten, was hier gefordert ist: ein sachliches Gespräch über ein schwieriges Thema
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9931

Nee, also, das geht so überhaupt nicht. Da habe ich noch geschmunzelt: »Wenn sich nicht gerade die halbe Republik an irgendeinem Urlaubsort befände, hätte Herr Köster vermutlich reichlich Beistand bei seinen eitlen Scherzen, die indes das ganze Elend des sprachlichen Niedergangs offenbaren.«

Just das war meine Absicht. Ich wollte zeigen, wie scheinbar harmlose Eingriffe in unsere Schrift Millionen von Büchern auf eine Weise entstellen können, daß ich sie für lächerlich halte. Der folgende Satz haut allerdings gar nicht hin:

»Offenbar fehlt Herrn Köster das Gefühl dafür, daß seine mangelhafte Lesefähigkeit ein Grund zur Sorge sein könnte.«

Wie das nun? War darin eine persönliche Vorhaltung enthalten? Ich bin ganz im Gegenteil ein sehr sorgfältiger Leser, ich lese alles zweimal, erstens aus inhaltlicher und zweitens aus ästhetischer Sicht, so bin ich zeit meines Lebens verfahren, und es gefällt mir nicht, wie Sie hier Zuflucht dazu suchen, mich persönlich zu diskreditieren.
 
 

Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 06.08.2007 um 10.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9930

Wer, wie Peter Schmachthagen vom Hamburger Abendblatt es tut, Professor Ickler mangelnde Kompromißbereitschaft vorwirft, kennt dessen Riesencorpus an Äußerungen zur Rechtschreibung bzw. zur Rechtschreibreform nicht. Prof. Icklers größte Leistung ist die durch empirische Forschung gestützte Umdefinition des Begriffs "Rechtschreibung": Es geht nicht um eine durch staatlichen Erlaß in einem entsprechenden Regelwerk festgeschriebene einheitliche Norm, sondern um die in sorgfältig redigierten Texten vorfindlichen "üblichen" Schreibungen. Zwar entzieht sich die private Schreibpraxis weitgehend dem Blick des Rechtschreibforschers, dafür sind publizistische Texte und die orthographischen Gepflogenheiten in der nichtfiktionalen Literatur mit den heutigen technischen Möglichkeiten um so leichter zu erschließen. Auf diesen Sprachausschnitt hat sich Prof. Ickler konzentriert. Die Belletristik hat er dagegen ausgeklammert, da ihre Schreibungen nicht verraten, ob sie den Notwendigkeiten des Ausdruckskontextes oder den persönlichen Gepflogenheiten des Autors geschuldet sind. Aber auch in dem Sprachausschnitt "Publizistik + Sachbücher" findet Prof. Ickler in einigen Teilbereichen unserer Rechtschreibung eine gewisse Variationsbreite, also Varianten. Zwar steht in den meisten Fällen "Übliches" gegen "weniger Übliches", aber "falsch" ist in dieser Sicht auch letzteres nicht. Der Hinweis Prof. Icklers, eine der beiden konkurrierenden Schreibungen sei meist die "bessere", muß zunächst verblüffen, da für diese neue Kategorie kein Kriterium genannt wird. Gerade das hat inzwischen aber Prof. Schatte nachgeliefert. Er warnt vor Regelwerken und Rechtschreibwörterbüchern, die abgehoben von der wirklichen Schreibpraxis ihre Lösungen vorschreiben. Tatsächlich sei die "'Äußerung" der Rahmen, in dem sich die Wahl der einen oder der anderen Schreibung entschiede. Damit ist primär der jeweilige Kontext gemeint, aber auch die Äußerungsabsicht des Schreibers kommt hier ins Spiel. Natürlich gilt dies alles nur für die Fälle, in denen wirklich konkurrierende Schreibungen zur Wahl stehen. Die meisten Einzelwortschreibungen des Deutschen liegen dagegen ein für allemal fest, und auch die Reformer haben sich (von Absurditäten wie "belämmert" und dergleichen einmal abgesehen) nur an die sog. Problembereiche gehalten.

Prof. Ickler läßt im übrigen keinen Zweifel daran, daß er die gehobene Belletristik als das herausragende Paradebeispiel für die Möglichkeiten einer nationalen Orthographie betrachtet. Auch für den erfahrenen Schreiber ist es deshalb eine interessante Übung, sich bei der Lektüre literarischer Texte in einzelnen Fällen zu fragen, welche Absicht wohl hinter der jeweils getroffenen Wahl des Autors steht, aber dann auch, ob er sich hier genauso entschieden hätte. Der autonome Orthograph Thomas Mann gibt bekanntlich immer wieder Gelegenheit zu solchen Überlegungen. Die nachfolgenden Zitate stammen aus den Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull (S. 179 ff. der Taschenbuchausgabe). Wie denken die Leser darüber?

Es war ein Juli-Abend, noch vor dem Nationalfeiertag ...
Man fuhr dorthinauf im Lift über fünf oder sechs Stockwerke ...
Ganz anderes und für mein Leben Bedeutenderes behielt an diesem Abend das Schicksal mir vor.
Ich hatte eben dem zu mir geneigten Kellner an Hand des Menus meine Wünsche mitgeteilt ...
Wie hätte es mir auch nicht leichter fallen sollen, meinen Augen zu trauen ...
Genau genommen heiße ich Felix ...
Ich kann Sie zu mir nicht hinüberbitten ...
Ich wäre unglücklich, Ihnen lästig zu fallen ...
Wenn das nicht Schwatzen ist, was ich da treibe!
... in der ich jetzt das Vergnügen hätte, ihm gegenüberzusitzen.
Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie Ihrerseits eigentlich ein Mann der Vertraulichkeit und der Herzensergießung sind. Mit einem Letzten halten Sie zurück.
Mit Recht haben die lieben alten Herrschaften den Eindruck, daß es mir Ernst ist mit der Affaire ...
Denn sie lieben mich ja und wollen mein Bestes ...
Die aber nicht die erstbeste sein dürfte.
Es ist doch mit Ihnen etwas Besonderes, Kroull!
Ich war froh, ein wenig allein gelassen zu sein ...
Seine Kinderbacken waren hoch gerötet ...
... daß wir einander so nahekommen würden ...
Daß aber für Sie, den Dritten, nichts dabei abfalle ...
Papa macht das geradeso ... Nein, genau so! ... die ebenso eng zusammenhingen ...
Zaza und ich, wir müssen uns dünnemachen ...
... das ihm um so leichter fallen mochte, als sein Trinkgeld enorm war,.
... eine Frist, über die hinauszusorgen ich mich weigerte ...
... konnte ich mich zu der weiteren, abschließenden Begegnung mit ihm frei machen.

 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 06.08.2007 um 10.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9929

Lieber Herr Germanist, ist es nicht schrecklich, daß auf dieser Webseite auch die harmloseste Äußerung zur Sache zunächst mit Argwohn betrachtet wird? Unsere Außenwirkung spielt bekanntlich keine Rolle mehr, aber es stimmt Sie doch gewiß ebenfalls traurig, daß einige in unseren Reihen sich auch im nachhinein weigern, einfache sprachliche Fakten als das zu nehmen, was sie sind. Wenn sich nicht gerade die halbe Republik an irgendeinem Urlaubsort befände, hätte Herr Köster vermutlich reichlich Beistand bei seinen eitlen Scherzen, die indes das ganze Elend des sprachlichen Niedergangs offenbaren. Wenn man Wikipedia glauben will, gelten "Menschen, [...] die den Sinn eines etwas längeren Textes entweder gar nicht verstehen oder nicht schnell und mühelos genug verstehen, um praktischen Nutzen davon zu haben", als funktionelle Analphabeten. Offenbar fehlt Herrn Köster das Gefühl dafür, daß seine mangelhafte Lesefähigkeit ein Grund zur Sorge sein könnte.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.08.2007 um 09.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9928

Ein weiteren Anlaß "zwischen den Zeilen lesen" zu müssen, ist nicht orthographischer, sondern grammatischer Natur: Manche Journalisten verwenden bei Verben des Meinens und Berichtens nicht den Konjunktiv I, sondern den Konjunktiv II, der aber formgleich mit dem Irrealis ist, sodaß der Leser herausfinden muß, ob Konjunktiv oder der Irrealis gemeint ist.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 06.08.2007 um 05.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9927

Herr Jochems, Sie und ich sind nicht Shakespeare -- wenn wir uns an ihm vergriffen, hätte das den Ruch der Anmaßung und Selbstüberschätzung. Wenn ich Ihr Beispiel allerdings einmal aufgreifen darf: Bei Shakespeare ist der finale Schlußzweizeiler das Dessert, die Kirsche auf der Torte eines vordem in jeder Hinsicht überragenden Textes. Bei Ihnen finde ich hingegen viele Kirschen, aber nur wenige Torten.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.08.2007 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9926

@ H. J.: Ich bin kein Deutschlehrer, sondern Autodidakt. Textinterpretationen waren nie mein Ding, deshalb hatte ich im Abitur eine Vier in Deutsch. Auf die Beschäftigung mit der Grammatik bin ich gekommen, als sie mir von Ausländern mit Deutsch als Fremdsprache so erklärt wurde, wie ich es in der Schule nie gelernt hatte. Falls der Hinweis auf die Kenntnis des "Kritischen Kommentars" eine Kritik ist, stelle ich fest, daß ich ihn besitze und sehr gut kenne. Ich sehe in der Schriftsprache einen Baukasten und ein Werkzeug, um sich möglichst verständlich auszudrücken, und daran habe ich lange gearbeitet. Seit ich in Rente bin, habe ich Zeit für die vergleichende Sprachwissenschaft der indogermanischen Sprachen als Hobby; zu irgendwas muß Latein und Griechisch doch nützlich sein.
 
 

Kommentar von Red/ub, verfaßt am 05.08.2007 um 19.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9925

Verehrte "Frage an Sommerloch", zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse: "Sommerloch" hatte seinen untenstehenden einsilbigen Kommentar offenbar aus Versehen noch einmal plaziert. Er wurde inzwischen entfernt.
 
 

Kommentar von Frage an Sommerloch, verfaßt am 05.08.2007 um 19.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9924

Wieso »häh«? Ich bin so langsam in dem Alter, daß meine Zeitgenossinnen Kinder auf die Schule schicken, und ich würde ihnen so gerne helfen. Mit Delfin und Fantasie habe ich keine Probleme, mit Panter und Känguru aber schon sehr viel mehr. Ich kann diesen Kindern nicht mehr helfen, ihnen wird im Deutschunterricht beigebracht, daß es chic ist, möglichst viele Kommata wegzulassen, und was soll ich dagegen ausrichten? Ihnen wird Angst einflößend nähergebracht, eine Quelle für so viele weitere Fehler, die dann später so etwas wie Wasser bewohnend hervorbringen. Was soll ich dagegen unternehmen? Mir gefällt das alles nicht mehr, was an den Grundschulen unterrichtet wird. Ich versuche, anderswo an der Glocke zu klingeln.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 05.08.2007 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9921

Lieber GL,

ich möchte hier auch nicht zuviel herumjammern, aber ich empfinde es eínfach als so eine Schande, daß ich nicht mehr so Deutsch unterrichten darf, wie ich es gerne möchte. Vieles von dem, was ich als richtig erachte, muß nun nach offizieller Lesart falsch sein. Weil ich ein hoffentlich recht konsequenter Mensch bin und gleich bei Recht haben schon laut aufschreien würde, ist mein Wissen heute nicht mehr gefragt. Das hätte man zu früheren Zeiten ein Berufsverbot genannt. Das ist ja auch eine Folge der Reform: Jeder Banause darf nun plötzlich die Finger auf meine Texte legen, und sei er charakterlich noch so primitiv.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 05.08.2007 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9920

Zwischen den Zeilen lesen können setzt auch voraus, im richtigen Augenblick schweigen können. Oft sagt das, was weder geschrieben noch gesprochen wird, mehr aus!

 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 05.08.2007 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9919

Natürlich, Herr Jochems, der perfekte Sündenbock ist ausgemacht: die Globalisierung. Meine Erfahrung ist jedoch eine ganz andere: Selbst Menschen, die Tag für Tag vor World of Warcraft und Second Life hocken, wollen irgendwann wissen, wie man eigentlich einen guten deutschen Satz schreibt. Es ist dies das Lieblingsargument der Reformer, für mich aber eine Nullnummer. Wer will, fängt irgendwann an, sich fürs Schreiben zu interessieren. Daß die Reform erheblich zum Schriftverfall beigetragen haben könnte, solcherlei käme natürlich niemandem öffentlich in den Sinn. Für mich bleibt es eine Tatsache.
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 05.08.2007 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9918

Die richtige Bezeichnung wäre "funktioneller Analphabetismus", der nicht das Ergebnis der Rechtschreibreform ist, sondern der anderweitig verursachten neuerlichen Einbrüche beim geduldigen, aufmerksamen Lesevermögen. Schuld daran trägt vor allem das Simsen, aber auch das oberflächliche Chatten in den Foren des Internets. Wenn ich hinter "Germanist" einen Deutschlehrer vermuten darf, laufe ich mit der folgenden Feststellung offene Türen ein: Literarische Texte haben mehrere Bedeutungsebenen, und nur wer die zu erschließen weiß, versteht sie adäquat. Expositorische Texte sind scheinbar einschichtig, können aber ebenfalls, für den kundigen Rezipienten erkennbar, verborgene Botschaften enthalten. Wer sich um die Schriftform unserer Sprache sorgt, sollte sich eigentlich kundig machen, wovon er spricht. Man stelle sich vor, für die Teilnahme an "Schrift & Rede" gäbe es eine Aufnahmeprüfung, nämlich der Nachweis genauer Kenntnis von Professor Icklers "Kritischem Kommentar". Was wäre wohl das Ergebnis?
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 05.08.2007 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9917

Ich stimme allem zu, was Germanist geschrieben hat -- ich wünschte, ich hätte das so ausdrücken können. Die Reform legt die Last auf den Leser, der sich nun der neuerlichen Forderung ausgesetzt sieht, das ihm Vorgelegte kraft seines Verstandes zu entziffern. Das können aber überhaupt nur Menschen, die auch in der normalen Rechtschreibung firm sind -- heutigen Abiturienten geht so etwas im weißen Rauschen unter. Die Folge ist, ich zitiere hier eine Vokabel, Sekundäranalphabetismus.

Ich möchte auch gerne Herrn Jochems antworten, der hier von einer »Kompetenzinitiative« sprach. Eine solche wäre wirklich sehr notwendig. Aber wer wäre kompetent und wer nicht? Daß Sie, Herr Jochems, hier versuchen, auf ihre akademische Laufbahn aufmerksam zu machen und mir deshalb meine Kompetenz absprechen wollen, ist mir ein Schnitt ins Herz, denn für so ganz unkundig halte ich mich nicht. Ich habe meinen Schülern immer gutes und richtiges Deutsch beigebracht. Englisch übrigens auch, aber das führte nun zu weit.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.08.2007 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9916

Unter "zwischen den Zeilen lesen müssen" verstehe ich den Aufwand, aus der Einheits-Getrenntschreibung und der übertriebenen Großschreibung deuten zu müssen, was der Schreiber wohl gemeint haben könnte. Um das zu überwinden, hatte ja die deutsche Rechtschreibung extra die Bedeutungsunterscheidungen durch Getrennt- oder Zusammenschreibung und Groß- oder Kleinschreibung entwickelt. Über die mutwillige Zerstörung der bedeutungsunterscheidenden Schreibweisen haben sich schon vor einigen Jahren Herr Krieger und andere bedeutende Geister öffentlich beklagt. Es paßt anscheinend einigen Leuten nicht, daß die deutsche Sprache darin höher entwickelt ist als andere europäische Sprachen. Ich glaube, daß andere Sprachen Bedeutungsunterscheidungen durch viel mehr unterschiedliche Wörter ausdrücken, während der Vorrat an wirklich deutschen Wortstämmen geringer ist und sie daher mehr variiert werden müssen, um damit auszukommen.
Wirklich unschön finde ich nur Wortschöpfungen wie "Schleierfahndung, Rasterfahndung, Schleppnetzfahndung", bei denen man arglos meinen kann, daß wie bei Drogenfahndung und Straftäterfahndung nach Schleiern, Rastern und Schleppnetzen gefahndet wird.
 
 

Kommentar von Sommerloch, verfaßt am 05.08.2007 um 15.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9915

Hä?
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 05.08.2007 um 15.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9914

Ganz einfach: Nachdenklichkeit erzeugen und in schlichtem Deutsch das Rüstzeug liefern, um über orthographische Fragen mitdiskutiern zu können. Eine Kompetenzinitiative also.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 05.08.2007 um 14.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9913

Ich zitiere Herrn Jochems: Interpretieren setzt im übrigen die Kunst voraus, zwischen den Zeilen lesen zu können.

Da bin ich völlig anderer Ansicht. Ich bin ganz im Gegenteil der Meinung, daß wir über das Instrumentarium einer hochentwickelten Sprache verfügen, die es nicht länger erforderlich macht, zwischen den Zeilen zu schreiben, sondern sehr wohl auch expliziten und gleichwohl salonfähigen Ausdruck zuläßt. Ich empfinde es sogar als Zumutung, dauernd zwischen den Zeilen lesen zu müssen, wenn der Urheber ein solches intellektuelles Niveau hat wie Sie, das sich zur Abwechslung auch einmal darin erschöpfen könnte, klipp und klar zu sagen, welches Spiel hier gespielt werden soll. Was wollen Sie denn eigentlich, Herr Jochems?
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 05.08.2007 um 14.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9912

Großartig, wie bei Benn: "Wo alles sich durch Glück beweist / und tauscht den Blick und tauscht die Ringe / im Weingeruch, im Rausch der Dinge, / dienst du dem Gegenglück, dem Geist." Noch ein Hinweis in Ergänzung des genossenen Deutschunterrichts: Die "Moral" am Ende einer Fabel macht die Lektüre und das Verständnis des Vorangegangenen nicht überflüssig, so auch der Zweizeiler am Schluß von Shakespeares Sonetten. Interpretieren setzt im übrigen die Kunst voraus, zwischen den Zeilen lesen zu können.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 05.08.2007 um 13.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9911

Lieber Herr Jochems,

die von mir weiter unten skizzierte Taktik hat sich auch hier wieder bewährt: Ihre Texte bleiben nur so lange verständlich, bis auch der letzte Satz durchdrungen ist. Ich könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, daß eigentlich überhaupt nur der letzte Satz interessant ist. Nehmen wir ihn uns doch einmal vor:

»Den künftigen Siegern kann man jedoch eines schon vorhersagen: Ihr Sieg wird einen sehr schalen Beigeschmack haben.«

Sie meinen, es besteht tatsächlich eine Chance, Heyse könne noch gekippt werden? Bestünde Verhandlungsbereitschaft? Das wäre ja fast schon mehr, als ich auf meinen Weihnachtswunschzettel schreiben würde? Da Sie ja über mehr Insiderwissen verfügen als ich, möchte ich Sie gerne fragen: Wären die Reformer bereit, hier Zugeständnisse zu machen?

Und warum hätte es einen »schalen Beigeschmack«, wenn die Reformkritiker immer dem Weg der Wahrheit gefolgt wären, statt sich auf politisch-taktische argumentatorische Abwege zu begeben? Mir ging es immer um die Sache, um den Dienst an unserer Schrift, nicht um Interessenskonflikte.
 
 

Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 05.08.2007 um 10.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9910

Zur Erinnerung: Herr Lachenmann hat hier kürzlich Zitate aus einem Briefwechsel zwischen Heine und seinem Verleger Campe eingestellt, in denen es im Sinne von Prof. Ickler um das zu ihrer Zeit orthographisch "Übliche" geht. Heine möchte unbedingt bei "frey" usw. bleiben, was Campe auch so zu drucken verspricht, allerdings mit dem Hinweis, daß der Schreibgebrauch darüber hinweggegangen sei ("veraltet"). Ein Blick in die Online-Ausgabe von Adelungs Wörterbuch (Internetportal der Bayerischen Staatsbibliothek) ergibt, daß Heine sich im Grunde dagegen wehrt, eine Adelungsche Schreibweise aufzugeben. 156 Jahre später wiederholt sich diese Konstellation in bezug auf das ambivalente silbenschließende "ß". Prof. Ickler hat der heutigen Heinepartei eine goldene Brücke mit dem Hinweis gebaut, es ginge eigentlich um zwei Buchstaben, die nur graphisch zusammengefallen seien. In "heißen" ist das "ß" demnach ein eigens für das Deutsche kreierter einfacher Sonderbuchstabe für das stimmlose "s", der zugleich die Länge des vorangehenden Vokals andeutet. Bei vorangehendem kurzen Vokal ("hissen") schreibt man dagegen "ss" (nicht etwa "ßß", wie zu erwarten). Dieses "ss" steht auch am Silbenende, dort aber – zur Andeutung des Silben- oder Wortendes – als Ligatur "ß" geschrieben. Man muß gewiß übernatürlich scharfe Augen haben, um diese beiden "ß" unterscheiden zu können. 1876 ließ man sich von dem damals längst verstorbenen Herrn Heyse mit den vielen Vornamen daran erinnern, daß die Ligatur "ß" (im Icklerschen Sinne) das letzte Überbleibsel der besonderen Silbenschlußschreibungen sei, und in Österreich startete man einen 25 Jahre währenden Probelauf. Dann wurde es "freylich" wieder still bis 1996, als unsere GEW-Grundschullehrerinnen durch den Mund ihrer Zweitkläßler verkünden ließen, "Kuss" wie "küssen" sei doch logischer als "Kuß", was so lapidar festgestellt sogar stimmt.

Zwei Anwendungsfälle träufeln jedoch ein wenig Wermut in diesen Logikwein: In einer Anzahl von Wortzusammensetzungen erzwingt Heyse das dreimalige "s", und die Konjunktion "dass" verliert ihre Sondergestalt "daß", die bei Verwechselungsgefahr mit dem Pronomen bzw. dem Artikel "das" den zerstreuten Schreiber auf den Pfad der orthographischen Tugend zurückzuführen pflegt(e). In der Schweiz hat man sich seit siebzig Jahren daran gewöhnt, daß es generell ohne "ß" geht, was auch hierzulande zu einiger diesbezüglichen Hoffnung berechtigt. Leicht wird das trotzdem nicht werden, denn unsere Heine-Adelungpartei dreht den Spieß um und bezeichnet Heyses Vorschlag als verwerflich, wenn auch, wie wir gerade lesen, die Person des Schulgrammatikers davon auszunehmen ist. Wer alt genug ist, um sich noch an die erstaunliche Formulierungskunst der Wehrmachtsberichte zu erinnern, weiß, wie "geordneter Rückzug" und "Frontbegradigung" zu verstehen sind. Fragt sich nur, auf welche Seite des gegenwärtigen Streits diese Euphemismen besser passen. Eines ist aber sicher: Die letzte Bastion wird "Heyse" heißen. An ihrer Erstürmung oder aber erfolgreichen Verteidigung entscheidet sich der gesamte Rechtschreibstreit. Den künftigen Siegern kann man jedoch eines schon vorhersagen: Ihr Sieg wird einen sehr schalen Beigeschmack haben.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 04.08.2007 um 23.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9909

Lieber Herr Jochems,

bevor hier zu viele Mißverständnisse aufkommen: Ich hatte keinen prominenten Deutschlehrer. Ich hatte in meiner Schullaufbahn viele, aber einer hat mich nachhaltig geprägt, und ich hoffe, es ist ihm recht, wenn ich an dieser Stelle einmal seinen Namen erwähne, zumal so lobend: Er hieß Jochen Pöhland. Er war ein so geduldiger Lehrer, der sich immer in den Pausen Zeit genommen hat, Zweifelsfälle zu erörtern, er war nicht dudenhörig, sondern über alle Maßen kompetent, und, was ja auch nicht ganz unwichtig ist: immer sehr humorvoll. Es scheint mir ein Glücksfall, daß ein so interessierter Mensch wie ich seinem Deutschunterricht beiwohnen durfte, so wie wenn Mars und Venus in einer glücklichen Fügung zusammenstürzten. Er wollte uns immer Henrik Ibsen auferlegen, alle haben gestöhnt, aber dann wir haben wir es doch ihm zuliebe gelesen, und siehe da! es war wundervolle Literatur.
 
 

Kommentar von H. J., verfaßt am 04.08.2007 um 21.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9908

Lieber Herr Köster, wenn Sie – was altersmäßig durchaus möglich wäre – in Hamburg Rudolf Nissen als Deutschlehrer gehabt haben, werden Sie sich an Kleists Aufsatz "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" erinnern und natürlich an Nissens Folgerungen daraus für Ihr kreatives Schreiben. Vergessen Sie Adorno und auch Augstein. Müller-Ullrichs satirische Kommentare von vorgestern und vom 30. 1. 2004 (Hurra, hurra, die Sprache brennt) böten sich dagegen als vorzügliche Schreib- und Lesehilfe an. Immer bedenken: Die bloße Reproduktion von Klischees über Heyse zeichnet nicht den Schreiber von Charakter aus.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 04.08.2007 um 21.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9907

Ein privater Nachtrag sei mir vielleicht an dieser Stelle gestattet: Ich habe nie das Lehramt des Deutschlehrers angestrebt – mich hat irgendwann die Informatik erwischt, und ich habe darin mein Lebensthema erkannt. Alles, was ich wollte, war, immer ein guter Informatiker zu sein, der eines Tages den Nerds in Palo Alto Paroli bieten kann, aber ich habe auf diesem Wege niemals meine Verbindung zu meiner Muttersprache gekappt. Ich habe damals, während meiner Schulzeit, sehr wohl für wenig bis überhaupt kein Geld Zugereisten Deutschunterricht erteilt, und ich verstehe nicht, wie Sprachbanausen sich nun dazu aufschwingen können, mir im in nachhinein erzählen wollen, daß vieles von dem, was ich ihnen damals beigebracht habe, nun plötzlich falsch sein soll. Das halte ich für eine Anmaßung sondergleichen, denn mir ist sehr bewußt, daß ich mich in meiner Muttersprache und auch in unserer Literatur besser auskenne als diese unsäglichen Reformer, die wirklich überhaupt keine Ahnung von gar nichts haben.
 
 

Kommentar von Karl Berger, verfaßt am 04.08.2007 um 20.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9906

... dann wird kein Mensch mehr merken, dass wir eine Reform hatten.
Man sagt, Worte seien verräterisch, und ich höre hier nur: "Herr hilf, daß das bald vorbei ist!"
Das ist gewiß eine falsche Hoffnung. Ich konnte soeben eine Hochzeitsgesellschaft erleben. Jedes Alter von fast 1 bis über 60 , auch fast jeder Beruf und viele Titel vertreten. Durchschnittsalter um die 30. Bemerkenswert die (durchweg "fehlerfreien") Texte im Gästebuch, die das Paar hochleben ließen: Von über 100 eingetragenen Personen, jung wie alt, wenden gerade mal vier eine der reformierten Schreibungen an.
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 04.08.2007 um 19.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9905

Wäre ich ein Deutschlehrer, ich würde einfach alle Kommata – zu elitär heutzutage, also besser »Kommas« – in die ewigen Jagdgründe schicken. Daß das dazu führte, daß die Sätze sich immer mehr eimem Troglodytendeutsch annäherten – wen würde es kümmern? Ich könnte den Eltern freudestrahlend berichten, daß in meinem Deutschunterricht keine Kommafehler mehr gemacht würden, plötzlich hätte ich nur noch Einserschüler. (Nebenbei: Was wäre der korrekte Plural von primus?) Ich könnte berichten: »Die Umsetzung meiner Reform verläuft problemlos. Alle sind zufrieden.«
 
 

Kommentar von Philip Köster, verfaßt am 04.08.2007 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9904

Lieber Herr Jochems,

ich glaube, jetzt habe ich den Trick raus, wie Ihre Texte adäquat zu lesen wären: Erst wäre der letzte Satz, das Fazit, sich vorzuknöpfen, danach könnte man die übrigen Zeilen, frei nach Adorno, zu Gemüte sich führen. Ihre Beiträge sind immer sehr eloquent formuliert, doch inhaltlich folgen Sie einem Schlingerkurs, den ich für unerträglich halte. Daß Herr Heyse privat ein ganz anständiger Mensch gewesen sein mag, bestreitet hier doch niemand – die von ihm vorgeschlagene s-Schreibung ist es allerdings nicht. Mich ergreift bei der Lektüre Ihrer Beiträge immer ein vages Unbehagen, wie mir das auch schon beim Lesen der letzten Beiträge des verdienstvollen Journalisten Rudolf Augstein widerfahren ist, den ich sogar für mich als persönliches Vorbild sehen würde. Er hatte in späteren Jahren nicht mehr den Biß, die Schärfe, die einst einen Jens Daniel ausgezeichnet hat – je älter und milder er wurde, desto mehr Döntjes hat er von sich gegeben.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.08.2007 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9903

Wer mit Häschen Haschen spielt . . .

Eine bessere Presseorthographie wird es nicht geben, solange die Faustregel „Im Zweifel getrennt (und groß)“ herrscht und die Autoren beim Schreiben viele Zweifel hegen.
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 04.08.2007 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9902

Dieser Tage las ich bei Thomas Mann "Krebschen", was mich daran erinnerte, daß auch vor der Reform das Lesen kein ganz und gar automatischer Prozeß war.

Das ist ein gutes Beispiel für die Vorzüge der Frakturschrift mit ihrer Unterscheidung zwischen langem und rundem s.
 
 

Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 04.08.2007 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9901

Nun liegt selbst der 1. August 2007 hinter uns. Das Presseecho war verhalten, aber so richtig glücklich schien niemand. Die Zahl der Kommentatoren war deutlich geringer als sonst, und richtig vom Leder zog nur Burkhard Müller-Ullrich im Deutschlandfunk. Wer sich vom Schicksalstag eine wenn auch nur geringfügig verbesserte Zeitungsorthographie erhofft hatte, sieht sich enttäuscht. Die neuen Rechtschreibprogramme sind wohl noch nicht überall installiert, oder aber die Journalisten pfeifen darauf, schon wieder einmal umlernen zu müssen. Wird das nach Ferienende in den Schulen anders sein? Die Lehrerorthographie in den vor ein paar Wochen geschriebenen Zeugnissen läßt eher ahnen, wie es weitergehen wird: Die Faustregeln der ursprünglichen Neuregelung haben so tiefe Spuren hinterlassen, daß keine Revision und kein Rückbau ihnen so leicht etwas anhaben können. Da bleibt also noch viel zu kritisieren, wenn es denn jemand hören will - und wenn es nicht das Glaubwürdigkeitsdefizit gäbe. Dieser Tage las ich bei Thomas Mann "Krebschen", was mich daran erinnerte, daß auch vor der Reform das Lesen kein ganz und gar automatischer Prozeß war. Eher könnte man sagen, daß heutzutage das Mitdenken beim Schreiben sehr nachgelassen hat. Wer "dass" für ein Relativpronomen hält, gehört in diese Liga, da sollte man die Schuld nicht lautstark dem ehrwürdigen Herrn Heyse in die Schuhe schieben. Merkwürdigerweise ist nur "im Übrigen" gut angekommen. Dabei führen besonders Schreibungen dieser Art die Vorteile der Substantivgroßschreibung ad absurdum. Wenn selbst das Unwesentlichste mit einem großen Anfangsbuchstaben ausgezeichnet wird, verliert diese Art der Hervorhebung nämlich ihren Sinn. Dazu benötigt man keine umständlich formulierte Regel, sondern nur seinen gesunden Menschenverstand - den zu fördern im übrigen Sache der Schule wäre. Nicht anders steht es um die Getrennt- und Zusammenschreibung. Friedrich Denk sagte in der Anfangszeit der Auseinandersetzung mit der Rechtschreibreform: "Man hört's doch" - nämlich was zusammengehört und was besser getrennt zu schreiben ist. Wenn man heute Schüler fragt, ob ihnen im Unterricht die Rechtschreibung wirklich erklärt werde, erfährt man kaum etwas Beruhigendes. Den "phonographischen" Grundbestand unserer Schreibungen lernt man tatsächlich nebenbei kennen. Ein paar Dinge bedürfen jedoch der Erklärung, und zwar auf gut deutsch, und nicht im Linguistenkauderwelsch. Das war immer schon der Schwachpunkt unserer Rechtschreibung, und auch daran hat die Reform nichts geändert. Leider.
 
 

Kommentar von Radiohörer, verfaßt am 03.08.2007 um 12.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9897

Der Deutschlandfunk zum 1. August – hörenswert!
Oder auch dies hier.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 03.08.2007 um 12.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9896

"Politisch" denken: Was überhaupt ist das Wesen der "Politik"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2007 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9895

Es handelt sich wohl um ein Lügen im außermoralischen Sinn. Erstens geschieht es zu unserem Besten, sozusagen fürs Gemeinwohl. Zweitens: Politik hat es nicht mit Wahrheit zu tun, das ist den Politikern im Laufe einer langen Karriere in Fleisch und Blut übergegangen: Alles ist Verhandlungssache. Gefragt ist nicht Wahrheitsliebe, sondern Kompromißbereitschaft. Auf dem altmodischen Wahrheitsbegriff bestehen nur Fanatiker. Das haben wir uns in verschiedenen Fassungen immer wieder anhören müssen. Die Journalisten waren die ersten, die diese Maßstäbe von den Politikern übernommen haben, dann kamen die Wissenschaftler. Eisenberg hat einmal einem unserer besten Mitstreiter vorgewofen, er denke nicht politisch. Man könnte, wenn man Zeit hätte, ein kleines Lesebuch aus solchen Zitaten zusammenstellen, es wäre eine ungemein lehrreiche Lektüre zum Beispiel für Schüler.

 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 03.08.2007 um 09.54 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9894

Das Kieler Ministerium meidet seit zehn Jahren wissenschaftliche Erfolgskontrollen wie der Teufel das Weihwasser. Die Ministerin weiß, daß sie lügt. Deshalb gibt sie sich nur „überzeugt“, stellt dann aber dennoch das „leichtere“ Schreiben im übernächsten Satz als uneingeschränkte Tatsache fest.
 
 

Kommentar von MG, verfaßt am 03.08.2007 um 09.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9893

Der Wähler belohnt die Lüge und bestraft die Wahrheit. Es ist somit völlig naheliegend, daß Politiker gewohnheitsmäßig lügen. Sinngemäß das gleiche gilt in fast allen Bereichen, in denen zwischenmenschliche Kommunikation eine Rolle spielt: Wenn Lügen glaubhaft vorgebracht werden, bringt das dem, der lügt, regelmäßig einen Vorteil. Aus diesem Grund wird glaubhaftes Lügen z.B. bei Servicepersonal systematisch geübt.

Die obige Aussage ist so negativ übrigens nicht, wie sie auf den ersten Blick erscheint: Kann man beispielsweise durch eine gezielte Lüge in schwerer Lage eine Panikreaktion verhindern, ist das Ergebnis mit guter Wahrscheinlichkeit besser (oder weniger schlimm) als mit der Wahrheit.

Als kleines Licht kann man die Regeln der Gesellschaft nicht ändern, aber man tut gut daran, diese Erkenntnis im Hinterkopf zu behalten, wenn wieder mal einer einem absichtsvoll Honig ums Maul schmiert oder im Brustton der Überzeugung von Dingen tönt, die eigentlich überhaupt nicht sein können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2007 um 09.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9892

Meine persönlichen Erfahrungen mit Politikern (in gehobener Position, versteht sich) sind begrenzt, aber ich würde ihnen im allgemeinen eher hohe Intelligenz als überdurchschnittliche Ehrlichkeit bescheinigen. Schon die Leistung, sich in einer Partei durch alle Fährnisse emporzuarbeiten, setzt eine spezifische Intelligenz voraus, wobei es sich von selbst verbietet, jeweils ehrlich seine eigene Meinung statt der Parteimeinung zu vertreten. Diese Anpassung an die politische Geschäftsordnung wird auch keineswegs als verwerflich angesehen, im Gegenteil: wer es besonders gut schafft, gilt als "Vollblutpolitiker" und wird hoch geachtet. Herr Zehetmair ist zweifellos hochintelligent und auch sehr gebildet, aber er ist auch ein Parteimann, und nur daran liegt es, daß er in Sachen Rechtschreibreform von Anfang an nicht seiner besseren Einsicht (oder wenigstens der intuitiven Ablehnung der ganzen Reform) folgte. Die Eitelkeit, die ihm von Berufeneren immer wieder bescheinigt wurde, tut ein übriges, seine Auftritte zu dem werden zu lassen, was sie nun einmal sind, und das wird naturgemäß im Laufe der Zeit nicht erfreulicher.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 03.08.2007 um 08.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9891

Über Adenauer und den Umgang mit der DDR ließe sich herrlich streiten... und gerade für den Anfang der Bundesrepublik wie für das Ende der DDR gilt, daß Politiker die von den Bürgern geleistete Aufbauarbeit bzw. den geleisteten Widerstand als persönliche Leistungen für sich ein einheimsen (Ersteres Adenauer, letzteres Kohl).

Was an dem Erdsiek-Rave Text wirklich stört ist, daß sich die meisten Menschen davon werden blenden lassen. Politiker können mit chuzpe Lügen verbreiten, und machen sie es nur ausdauernd genug, dann werden diese Lügen zur Realität.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 03.08.2007 um 08.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9890

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
ich will nur einmal ein kurzes Stück in die Vergangenheit enteilen und meine, daß wir mit Theodor Heuss und Konrad Adenauer zu Beginn der Bundesrepublik zwei fähige Politiker an der Spitze unseres Staates hatten. Einer von deren Nachfolgern, der Historiker Dr. Kohl, aus der Pfalz stammend, hat als wesentlichen Antrieb der Politik "Bimbes" benannt, genutzt und mißbraucht.
"Bimbes" taucht in Ihrer Systemkritik nicht auf; das halte ich für ein Versäumnis. (Reichlich) Bimbes erst zu gewähren und dann mit seinem Entzug zu drohen - das ist m.E. eine der stärksten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Politik, das sollte man mit Bezug auf unser Grundthema nicht verdrängen. Eine umfassende Aufklärung steht allerdings zugegebenermaßen aus.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 03.08.2007 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=886#9888

Lieber Herr Ickler, ist die Überzeugung, daß die meisten Minister "sonst ganz intelligent" sind, nicht vielleicht zu wohlmeinend? Wer von ihnen zur RSR Blech redet, tut das auch in anderen Bereichen - nur fällt das nicht auf, weil die meisten Menschen von Wirtschaft und ähnlichen Dingen zu wenig verstehen oder irrtümlich meinen, zu wenig zu verstehen. Vielleicht hören die meisten auch gar nicht so genau hin, weil sie gefühlsmäßig ohnehin die verbalen Absonderungen der Politkaste für unglaubwürdig halten.
Wem Gott ein politisches Amt gibt, der ist schon vorher dumm (oder gewissenlos). Denn in solche (verbürokratisierten) Marionettenämter drängen leider nicht nur fähige Personen, sondern auch jene, denen mangels geistiger und praktischer Wendigkeit in der freien Wirtschaft jede Chance zum Aufstieg versperrt ist. Die Schacherdemokratie bietet jenen eine Chance, die sich hemmungslos und gern auf die Bühne stellen und dort ausposaunen, was ihre Auftraggeber im Hintergrund befehlen. Politiker, die sich als Idealisten dem wirklichen Wohl des Volkes verschreiben, verschwinden ebenso rasch von der Bühne, wie sie diese betreten haben. Beispiele für gescheiterte Karrieren auf dem Parkett der Lüge gibt es immer wieder. Von den meisten erfährt die Öffentlichkeit wenig. Mit seinem kabarettreifen Kommentar im Deutschlandradio karikiert Burkhard Müller-Ullrich das politische Treiben trefflich.

Weil es hier gut hinpaßt, ein Zitat aus dem Buch "Demokratie, der Gott der keiner ist" von Hans-Hermann Hoppe, Seite 198:

„Die Auswahl der Regierungshäupter durch allgemeine Wahlen macht es im Gegensatz dazu praktisch unmöglich, daß gute, harmlose Menschen jemals an die Spitze aufsteigen können. Premierminister und Präsidenten werden für ihre bewiesene Effizienz als moralisch ungehemmte Demagogen ausgewählt. Somit sorgt die Demokratie effektiv dafür, daß nur schlechte und gefährliche Menschen jemals an die Spitze der Regierung aufsteigen.

(Fußnote) H. L. Mencken sagt dazu mit seinem typischen Sarkasmus: „Politiker gelangen selten, wenn überhaupt, durch Leistung in öffentliche Ämter, zumindest nicht in demokratischen Staaten. Manchmal passiert es, aber nur durch eine Art Wunder. Sie werden normalerweise aus ganz anderen Gründen gewählt, deren wichtigster einfach die Fähigkeit ist, die intellektuell Unterprivilegierten zu beeindrucken und zu bezaubern. Wird einer es wagen, die einfache Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit über die Lage des Landes – außen- oder innenpolitisch? Wird einer von ihnen auf Versprechen verzichten, von denen er weiß, daß er sie nicht erfüllen kann, die kein Mensch erfüllen könnte? Wird einer von ihnen je ein Wort äußern, wie offensichtlich auch immer, daß die riesige Horde von Trotteln verschrecken oder entfremden könnte, die sich am öffentlichen Trog tummelt, die sich, wider alle Hoffnung hoffend im immer dünner werdenden Brei wälzt? Antwort: Vielleicht am Anfang für einige Wochen. Aber nicht in einem Kampf Gleichstarker, und wo die Auseinandersetzung ernst ist. Alle werden jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind versprechen, was immer er, sie oder es will. Sie werden durch das Land ziehen, auf der Suche nach Gelegenheiten, Reiche arm zu machen, das Unheilbare zu heilen, den hoffnungslosen Fällen Hoffnung zu geben, das Unauflösbare aufzulösen, das Unreinigbare zu reinigen. Sie werden alle Warzen kurieren, indem sie Beschwörungen über sie aussprechen und Staatsschulden abbezahlen mit Geld, das niemals jemand verdienen muß. Wenn einer von ihnen zeigt, daß zweimal zwei fünf ist, wird ein anderer beweisen, daß es sechs ist. Sechseinhalb, zehn, zwanzig, unendlich. Kurz, sie werden sich ihres Charakters als vernünftige, offene und ehrliche Menschen entkleiden und einfach Kandidaten für ein Amt werden, nur darauf bedacht, Stimmen zu fangen. Bis dahin werden sie es alle wissen, selbst unter der Annahme, daß einige es noch nicht wissen sollten, daß in einer Demokratie Stimmen nicht gefangen werden, indem man Sinnvolles, sondern indem man Sinnloses sagt.“

Um von vornherein einen Irrtum auszuschließen: Mit diesen Bemerkungen will ich nicht den Menschen, also die Person des Politikers, diskreditieren. Es mag durchaus ehrlichmeinende Minister geben. Wahrscheinlich auch solche, die das Spiel selbst nicht durchschauen. Die Menschen sind eben unterschiedlicher Charaktere, das muß man mit Gelassenheit hinnehmen, so hat Gott uns nun einmal gemacht.
Nicht hinnehmbar aber ist, daß das politische System es erlaubt, ja sogar darauf hinwirkt, eine minderwertige Auswahl zu ermöglichen. Die Frage "Wer soll herrschen?" hat die Menschen ja seit Menschengedenken bewegt. Eine bessere Regierung wird man nur dann bekommen, wenn der Mangel durch eine Systemänderung behoben wird. Daran sind natürlich nicht diejenigen interessiert, die heute von dem Mängelsystem profitieren.
Um herauszufinden, was zu tun wäre, muß man zunächst feststellen, wo die Fehlerquellen liegen. Daß ein Schiff leckt, sehen wir ja erst, wenn Wasser eindringt. Nun können wir auf die Suche nach den Lecks gehen. In der Bloßlegung politischer Skandale durch die sog. Rechtschreibreform sehe ich einen wertvollen Erkenntnisgewinn.
 
 

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