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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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28.05.2007
 

Im Zweifel getrennt
Diese Übergeneralisierung wird uns noch lange verfolgen

In einem Artikel über den gelehrten Träumer Herman Wirth lese ich:

Bachofen habe versucht, einem „versteinerten Rationalismus“ mit einer gefühlsbetonten Deutung von antiken Mythen und Religionen bei zu kommen, sagte Dr. Löw.
„Für Wirths Träume von einem organischen Zusammenhang zwischen Mensch und Natur waren viele bereit, über die rassistischen Bestandteile seiner Religion hinweg zu sehen und sie ihm als zeitbedingte, menschliche Schwäche nach zu sehen.“



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Kommentare zu »Im Zweifel getrennt«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.05.2007 um 15.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8693

Für die Tätigkeit von Dachdeckern, Wandverputzern, Anstreichern und Fußbodenverlegern mag die Schreibweise "Flächen deckend" sinnvoller sein als "flächendeckend". "Flächen deckendes Doping" sieht albern aus.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 28.05.2007 um 17.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8695

Ich habe eine sinngemäß gleiche Zwangstrennung gerade im Moment in einem anderen Artikel gelesen: ... und aus dem Gestein Mineralien heraus frisst. Dieser Fehlertyp ist auch in der Schule und amtlichen Verlautbarungen ungemein häufig, häufiger noch als ß-Fehler, die es in der Presse häufig, in der Schule nach meiner Beobachtung aber praktisch überhaupt nicht gibt (Offenbar steht intensives Training dahinter). Ich habe den Eindruck, daß sich mit der Zwangstrennung "zusammen gesetzter" Verben gerade die Wortbildung des Deutschen auf breiter Front "auf löst".
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 29.05.2007 um 09.18 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8696

Völlig los gelöst

Die "Paul Schockemöhle Logistics GmbH & Co. KG" wirbt auf ihrer Homepage, wie sie ihre Flotte einsetzt: "Deutschland und Europaweit".

Ist doch alles ganz logisch: Wenn man Deutschland groß schreibt, geht das bei Europa natürlich nicht anders. Und wieso sollte man Deutschland- schreiben? Wie sieht denn das aus?

Das Gefühl für das, was zusammengehört (und daß man das im geschriebenen Deutsch zum Ausdruck bringen kann und soll), schwindet auf breiter Front.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 29.05.2007 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8698

In dieser Hinsicht wird man jeden Tag fündig, so daß man auf diesen Seiten leider ellenlange Listen aufstellen könnte. Meine Fernsehzeitschrift schrieb schon mehrmals über "tot geglaubte" Mütter, und heute ist bei welt.de zu lesen: "Selbstverständlich müssen Eltern mit Kindern zurück stecken" ...
Da sich diese "Regel" (Am besten getrennt) gewissermaßen verselbständigt hat und immer weitere Kreise zieht, befürchte ich, daß dadurch das natürliche Sprachgefühl ganz nachhaltig beschädigt wird.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.05.2007 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8700

Die beiden Karthagos, die zerstört werden müssen, sind: "Am besten getrennt" und "Im Zweifel groß".
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 30.05.2007 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8721

Ich kann's nicht oft genug schreiben: Am 'ver Heer endsten' finde ich die Getrenntschreibung von substantivierten Infinitivkomposita; mir begegnen ständig Fälle im Nennfall, und ich vermute, dass die übergeneralisierte Trennregel schlichtweg ein Aussterben der gebeugten Formen bewirkt:
"Merkel hätte gerne mehr Zeit zum Blumen pflücken."
Warum dann nicht folgendes:
"Wann kommt für Merkel die Zeit des Blumen pflückens?"?
Vielleicht einigt sich die Sprachgemeinschaft darauf, solche Formulierungen ganz aufzulösen und zukünftig beim Drehen der Däumchen das Fahren aus der Haut zu unterlassen.
 
 

Kommentar von Falk Borutta, verfaßt am 31.05.2007 um 09.51 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8741

Die Quadratur des Kekses
In der aktuellen Ausgabe des Spiegels ist am Ende der Hausmitteilung zu lesen.
Zitat:"Oft sind es die kleinen kuriosen Meldungen, die bei Tageszeitungslesern die Neugierde wecken: "Pfau liebt Zapfsäule", "Faustina rettete Schiffbrüchige mit Muttermilch" oder "Selbst kühlende Bierdose erfunden". Kann das stimmen, fragt man sich, was steckt dahinter? Zitatende.

Ja was steckt denn nun dahinter. Kühlt sich die Bierdose selbst?
Hat sich die Bierdose selbst erfunden?
Hat Selbst sie erfunden?
Vielleicht gibt es noch mehr Interpretationsmöglichkeiten.
Ich habe den Spiegel jetzt abbestellt. Ich habe auch den Grund mitgeteilt. Es sind diese Rechtschreibschnitzer, die meinen Auge weh tun.
Dies ist einer meiner Beiträge zum rückgängmachen [? - Red.] der Rechtschreibreform.

P.S. Ich mache auch Rechtschreibfehler, aber so etwas muß ich mir nicht länger antun.

"Die Quadratur des Kekses" erscheint heute bei Kiepenheuer & Witsch und kostet 9,95 Euro.

Nein danke, werde ich nicht kaufen.
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 31.05.2007 um 12.49 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8748

"Im Zweifel getrennt"? Verschärfend kommt hinzu, daß manche gar keine Zweifel mehr haben!

Die Volkshochschule Düsseldorf z. B. wirbt seit letztem Jahr mit dem Motto (im Werbejargon "claim" genannt): "Bildung, die Sie weiter bringt", wobei "weiter" weder Zeitadverb ('weiterhin') noch als Komparativ zu verstehen ist im Sinne von 'weiter als bisher'. Die verantwortliche Werbefirma meint zwar 'Bildung, die Sie fördert, voranbringt' etc., ist sich aber einer falschen Schreibweise überhaupt nicht bewußt - von Zweifel keine Spur. Und eine Suchmaschine wirft im Internet tatsächlich noch etliche weitere "professionelle" Werbesprüche dieser Art aus.

Da man auf einem Bein nicht stehen kann, praktiziert die Werbeagentur die Übergeneralisierung auch gleich noch bei der vermeintlich politisch korrekten Großschreibung: Zusätzlich heißt es auf einem VHS-Plakat: "Es gibt noch so Vieles zu lernen." Wie wahr.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 31.05.2007 um 13.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8750

"Und im Zweifel groß." Zur Nonsensresistenz gehört auch, nicht alle Einzelfallfestlegungen das alten Dudens wiederherzustellen. Dazu ein Zitat aus Prof. Icklers "Kritischem Kommentar" in Teil II, Wörterverzeichnis, "Bezug": "Die liberalere und sinvollere Deutung sieht in der Kleinschreibung bei "in bezug auf" lediglich eine Lizenz, die zur grammatisch jederzeit möglichen Normal-, d.h. Großschreibung, hinzukommt." Deshalb steht im Ickler-Wörterbuch unter "Bezug": "in bezug" oder "Bezug auf;"
 
 

Kommentar von www.ostseebuchung24.de, verfaßt am 01.06.2007 um 09.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8771

Bei einer Buchung auf Ostseebuchung24.de unter Angabe eines Second Life - Namens, werden Ihnen 300L$ auf Ihrem SL-Konto Gut geschrieben.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 01.06.2007 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8773

... dem Konto "Gut geschrieben" ...
Was soll denn da falsch sein? Man fragt doch so:
(Wen oder) Was wird dem Konto geschrieben?
Und auf die Frage "wen oder was" kommt immer ein Substantiv. Das weiß doch jedes Schulkind!!!
 
 

Kommentar von Michael Krutzke, verfaßt am 01.06.2007 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8776

Zwei Leben dank RSR.

Die Motorradzeitschrift "Tourenfahrer" veröffentlichte im Frühjahr 2006 einen Bericht über eine Reise durch die Eifel. Es muß ein besonderes Erlebnis gewesen sein, das die Autoren schier überwältigte, und zwar ganzheitlich, Sinn und Verstand – die bei einem Autor sinnvollerweise "Feder führenden" Elemente – einschließend. So war dann dort zu lesen: "Wir sind aber ausgezogen, um Wasser und Salz zu finden, die zwei Leben spendenden Elemente ..."
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 02.06.2007 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8792

Reinhard Mohr schreibt bei SPIEGEL Online:

Das scheint die Erkenntnis leitende Frage zu sein, die wie eine Geschmacksfrage daher kommt.

"Ich glaube nicht, dass das ein Erfolg versprechender Weg wäre."

... wie er dem US-Präsidenten vorm Weißen Haus entgegen springt.


www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,486075,00.html
 
 

Kommentar von Herrmann Mueller, verfaßt am 02.06.2007 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8795

FAZ (online) vom 02.06.2007:

„Überraschend viele Erwerbslose arbeiten schwarz

Vor allem im Bau und im Transportgewerbe wird schwarz gearbeitet.“
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 04.06.2007 um 14.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#8836

"Im Zweifel getrennt" kann ziemlich direkt erinnern an einen von Mikołaj z Szamotuł vertonten Renaissance-Text, wo folgende Zeile hat: "Zewsząd napada mnie zwątpienie ..." [nun schon beim bisher unbelasteten / nicht kontaminierten Schreiben].

Heute darf auch schon der Sextaner allein schreibend seine [Kultur-]Unschuld verlieren bzw. seinem Duodezfürsten die Gefolgschaft verweigern. Welch schöne Perspektive für ihn in allen seinen Zweifeln!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.10.2007 um 16.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#10510

Wer kein Polnisch versteht: "Von allen Seiten überfällt mich (der) Zweifel ... ", oder auch: "packt mich Verzweiflung". Ähnlich Carl Maria von Weber im Freischütz: "Mich packt Verzweiflung, foltert Spott".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2012 um 16.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#21214

Dass ein politischer Weg nicht zum Ziel führt, bedeutet noch lange nicht, dass eine Fahrt in die entgegengesetzte Richtung Erfolg versprechender gewesen wäre. (SZ 6.8.12)

Dies mußte man nach den Regeln von 1996 für orthographisch korrekt haten, und der Rat hat es auch nicht geschafft, eine grammatisch korrekte Darstellung der GZS zu liefern.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 18.02.2013 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#22642

2009, dreizehn Jahre der "Augst'schen" Reform und drei Jahre nach der "Zehetmair'schen" Reformreform, bezeichnete Sylke Tempel vom Deutschlandradio den in den USA lehrenden Historiker Mark Mazower als "britisch stämmig". Es ist mir neu, daß Briten im allgemeinen stämmig sind oder sein sollen. Auch wird man Prof. Mazower kaum als stämmig bezeichnen können. Das Beispiel zeigt aber, wie gründlich die Reform die sprachliche Intuition und die intuitive Einsicht in die Wortbildung zerstört hat. Es wird noch lange dauern, bis das wieder eingerenkt ist.

www.dradio.de
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.02.2013 um 11.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#22643

Abgesehen von der Getrenntschreibung – wenn es schon um Mazowers Abstammung geht, wäre es informativer, einen anderen Aspekt hervorzuheben.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.02.2013 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#22657

Es ist einfach ein peinlicher Grammatikfehler, weil es das Adjektiv "stämmig" in der vom Schreiber gemeinten Bedeutung gar nicht gibt. (Siehe Wahrig und Mackensen)
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 19.02.2013 um 07.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#22663

Das Adjektiv "stämmig" gibt es schon, nur eben, wie Germanist richtig sagt, nicht in der von der Autorin intendierten Bedeutung. "britisch stämmig" wäre theoretisch denkbar, wenn es ein Heterostereotyp gäbe, demzufolge Briten im allgemeinen oder überwiegend kräftig gebaut seien, auch wenn man den Sachverhalt dann eleganter formulieren könnte.

Es handelt sich daher sowohl um einen grammatischen als auch um einen semantischen Fehler (oder wahlweise einen von beiden).

Daß sich derartige Fehler nach 1996/98 geradezu explosionsartig vermehrt haben, ist wohl auf verschiedene Aspekte der Neuregelung zurückzuführen, die von den allermeisten mißverstanden wurden bzw. werden, etwa nach dem Muster "Im Zweifel getrennt" oder "Getrennt, wenn irgend etwas mit -ig, -isch oder -lich im Spiel ist". Hinzu kommt dann noch die Bindestrichschreibung bei der Zusammenschreibung mit Zahlen ("8-jährig"), die für ein Höchstmaß an Verwirrung gesorgt hat und bis heute weitgehend unverstanden bleibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2014 um 04.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#27611

Die schwedische Partnerstadt Erlangens ist gerade in den Medien, daher diese Beobachtung zu den Rechtschreibkünstlern in der Erlanger Stadtverwaltung:

Die Partnerschaft zwischen Erlangen und Eskilstuna ist die sechst älteste und sogar viert älteste aktive deutsch-schwedische Städtepartnerschaft. (http://www.erlangen.de/desktopdefault.aspx/tabid-1139/39_read-136/)

Wie viele Jahre das wohl schon unbeanstandet da steht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2020 um 04.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=847#44192

Es scheint Erfolg versprechender, wenn es darum geht, ein tiefergehendes Verständnis des Lehrens, in all seinen Schattierungen, zu bekommen. (aus einer Dissertation)

Obwohl der Duden erfolgversprechender als einzig mögliche Schreibweise für den Komparativ anführt, was ja nur zur Ausgangsform erfolgversprechend paßt, „empfiehlt“ er Erfolg versprechend als Schreibweise für den Positiv – als wenn es hier etwas zu „empfehlen“ gäbe, wo es sich doch um zwei ganz verschiedene Konstruktionen handelt (zusammengesetztes Adjektiv vs. Verb mit Objekt).
Die Redaktion des führenden deutschen Wörterbuchs hat eine elementare Tatsache der deutschen Grammatik nicht verstanden und plärrt das seit 15 Jahren in die Welt hinaus.
 
 

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