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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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27.04.2007
 

Dank an den Befreier!
Peter Eisenberg Ehrendoktor der Universität Bamberg

„Große Verdienste hat sich Eisenberg, der u.a. an der FU Berlin, in Hannover und in Potsdam lehrte, durch seinen Einsatz für eine brauchbare Rechtschreibung erworben.
Gegen die unhaltbaren und sprachwidrigen Vorschriften der Reform von 1996 setzte er sich mit allem Nachdruck ein, auch gegen Widerstände aus den Kultusministerien und aus vielen Verbänden. Dass wir nun wieder orthographisch vernünftig schreiben und drucken dürfen, verdanken wir vor allem ihm.“

Na, das sei dahingestellt, vielleicht haben andere mehr dafür getan, daß der Fall noch einmal auf die Tagesordnung gekommen ist. Aber daß wir nun wieder (halbwegs) vernünftig schreiben und drücken dürfen, setzt ja voraus, wir hätten es zuvor nicht gedurft, und das ist eindeutig falsch, ihr obrigkeitshörigen Bamberger!



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Kommentare zu »Dank an den Befreier!«
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Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 27.04.2007 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=827#8349

Die sind in anderen Fällen sicher kaum obrigkeitshörig. Aber sie unterliegen, wie fast jeder, einer Art Phobie, die ich mal "Rotstiftfurcht" genannt habe. Das Einbleuen der Orthographie geschieht ja in einer Phase, wo Autoritäten noch nicht hinterfragt werden, und wird weitgehend innerhalb dieser Phase abgeschlossen. Allein die Redeweise "Darf man so schreiben?", die völlig unkritisch gebraucht wird (!), deutet doch darauf, daß da ein verinnerlichter, unbemerkter Beweger am Werke ist. Die Reformer wären nicht weit gekommen ohne den... Wer fragt denn in irgendwelchen anderen Dingen, was er wohl "darf"?
 
 

Kommentar von "Germanist", verfaßt am 27.04.2007 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=827#8350

Karl Valentin und die bessere Rechtschreibung: "Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut."
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 28.04.2007 um 01.17 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=827#8354

Wer ist der Zitierte, der da die Lizenz beansprucht, mit "wir" für sich und den Rest der orthographisch durchgerüttelten Sprachgemeinschaft zu sprechen und sich in der Unwahrheit zu verlieren, daß "wir nun wieder orthographisch vernünftig schreiben"? Vernünftig ist anders als "selbstständig", denn es hängt mit geistig selbständig sein zusammen.

Wer hat dem Texter erlaubt, "orthographisch" zu schriften, statt neuschriebig / untersextakonform / schriftfernengerecht / IdS-opportun etc. "orthografisch"? Steht da nicht bereits ein Staatsanwalt oder wenigstens ein kultusministerialer Großkopfete im Hintergrund?

Wer hat - wie mit dem Zahnstocher durch die Frankfurter Allgemeine - herausbekommen, daß es in aller Einsamkeit Eisenberg war, der den Kultusduodezfürsten (oder ihren Subalternen?) die Rücknahme der größten Irrsinnigkeiten seit Schreibgedenken abgerungen hat?

Ist es also dem gegen den Absolutismus mäßig aufgeklärter Fürsten für (Personen?)kultfragen sich erhebenden Insurgenten Eisenberg zu danken, daß das tumbe Schreibvolk wieder zurück in die Vernunft darf, die institutionell (demokratisch) gegängelten Schülerlein mit ihren Lehrerlein aber weiter draußen bleiben, d.h. irrsinnig schreiben müssen?

So gewandet sich der Sieg eines einsamen Revolutionairs gegen ein gutes Dutzend den Kult zelebrierende Partikular-Diktatörchen in einem Lande, in dem jedes dritte Nomen mit "demokratisch" zu attribuieren ist. Wann dürfen die ministerialen Oberpriester der deutschen Landes(teil)kulte aus ihren Opferbunkern zurück in die Vernunft? Müssen sie auf Anordnung - von oben oder noch höher - warten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.04.2007 um 06.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=827#8355

Was Eisenberg betrifft, so hat er durch seine Leistungen als Grammatiker natürlich auch einen Ehrendoktor verdient, obwohl das bei der Flut solcher Titelverleihungen auch schon keine große Rolle mehr spielt. Seine Verdienste sind bekannt genug.
Die Rechtschreibreform hat er nicht nur kritisiert, sondern auch verteidigt. Er hat niemals eine Resolution zur Rücknahme der Reform unterzeichnet, er hat keine Unterschriften gesammelt, ist nicht vor Gericht gezogen und hat die Kritiker nicht durch Gutachten unterstützt. So wurde er der Wunschpartner der Kultusminister, zum Schluß besonders Zehetmairs. Das ist die historische Wahrheit, auch wenn sie auf absehbare Zeit durch die Propaganda verschleiert werden sollte.

Für mich persönlich hat sich Eisenberg während der Mannheimer Anhörung enthüllt, als er - lange vor dem Inkrafttreten der Reform - erklärte: "Eine Rücknahme der Reform wäre eine kulturpolitische Katastrophe." Das hat er später in dieser Form wohl nie wieder gesagt, es schien aus ihm herauszubrechen und war gerade darum so bezeichnend.

Als Grammatiker scheint er mir besonders deshalb schätzenswert, weil er in allgemeinverständlicher Form und trotzdem auf hohem Niveau mehr als jeder andere zur sprachwissenschaftlichen Bildung und Ausbildung beigetragen und zugleich ein sehr gesundes Gegengewicht zur generativen Grammatik(mode) aufgebaut hat. Sein "Grundriß" ist allmählich zu einem einzigartigen Werk ausgebaut worden, nicht fehlerfrei (wenn auch längst nicht mehr so schlampig wie die erste Auflage), aber unbedingt erste Empfehlung für Studenten der Germanistik. Wer die vorige Auflage noch irgendwo sieht, sollte sie kaufen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.05.2007 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=827#8429

Es ist anzunehmen, daß die Verleihung dieser Doktorwürde und die Vergabe des „Jacob-Grimm-Preises Deutsche Sprache“ an Frank Schirrmacher maßgeblich auf den Bamberger Sprachwissenschaftler Helmut Glück zurückgehen, der ebenso wie sein Kollege Eisenberg Kritik an der Reform mit der Förderung ihrer Durchsetzung zu verbinden weiß.
 
 

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