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28.12.2006
Dass Gasthaus
Heyse macht nicht glücklich
„Ein historisches altes Gasthaus, dass die idealen Voraussetzungen für schöne Feste bietet.“
So zu lesen auf der Homepage des „Schwarzen Adlers“ im Nachbardorf Uttenreuth, in dessen 500 Jahre alten Räumen ich schon zweimal über die Rechtschreibreform gesprochen habe …
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Kommentare zu »Dass Gasthaus« |
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 28.12.2006 um 12.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#7094
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Allmählich kristallisieren sich die Hauptfehlerquellen heraus. Das Relativpronomen "das" scheint besonders häufig von der Falschschreibung betroffen zu sein. Eigentlich schon komisch …
Auf das dass neue Jahr uns viele sssss bringe! Haha!
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Kommentar von doelbi, verfaßt am 28.12.2006 um 13.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#7096
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Aber war die Unterscheidung zwischen 'daß' und 'das' nicht schon immer eine Hauptfehlerquelle in der Rechtschreibung? Die Schreibung ändert in diesem Fall ja die Bedeutung nicht.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 28.12.2006 um 14.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#7097
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Die meisten Fehler gab es vor der Reform, weil das Bindewort "daß" wie "das" geschrieben wurde. Das Relativpronomen hingegen wurde fast immer richtig als "das" zu Papier gebracht.
Beispiele
Häufiger Fehler früher:
"Es wäre möglich, das es ganz anders kommt."
Fehler, der so gut wie niemals vorkam:
"Ein Gasthaus, daß ideale Voraussetzungen bietet."
nun reformiert:
"Ein Gasthaus, dass ideale Voraussetzungen bietet."
Die Fehlerquelle sprudelt doppelt – aus zwei Öffnungen.
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Kommentar von Julian von Heyl, verfaßt am 28.12.2006 um 17.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#7099
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Die Homepage des "Schwarzen Adlers" ist vielleicht nicht das allerbeste Beispiel, denn auch im in alter Rechtschreibung abgefassten Begrüßungstext auf der Startseite rumpelt es gewaltig: "Das die Fugger bald am Ende sind, erzählen sie; daß die Hugenottenkriege drüben auf der anderen Rheinseite noch immer toben; und das ein Engländer, Francis Drake, kürzlich mit sagenhaften Schätzen von einer Reise um die Welt zurückgekehrt ist."
Der Fehler "altes Gasthaus, dass die" hat sich interessanterweise erst mit dem Relaunch der Website im März 2005 eingeschlichen, davor hieß es korrekt (und auch schon in neuer Rechtschreibung) "altes Gasthaus, das die" (siehe hier).
Auch wenn mir schleierhaft ist, wie man ein richtiges "das" zu einem falschen "dass" korrigieren kann, stimme ich Ihnen zu, dass die neue Rechtschreibung und insbesondere der "Heyse-Effekt" derartige Fehlleistungen ganz sicher begünstigen. Hätte man das "das" durch ein "daß" ersetzen müssen, wäre das Nachdenken darüber möglicherweise den entscheidenden Tick länger ausgefallen. Zumal sich auch andernorts typische "Heyse-Fehler" finden: "Alle Zimmer sind standardmässig mit Dusche, WC und TV ausgestattet."
Nebenbei bemerkt ist www.archive.org ein gutes Instrument, wenn man per Versionenvergleich überprüfen will, inwieweit sich auf einer Website durch die Transformation in die neue Rechtschreibung Fehler eingeschlichen haben (sofern die Archivierung lange genug zurückreicht).
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 29.12.2006 um 19.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#7106
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Schreibung und Sprachwissen
Die Heysesche s-Schreibung leistet fehlerhafter Doppel-s-Schreibung statt /ß/ Vorschub. Die heute häufigere falsche Schreibung des Relativums indessen scheint wie früher die falsche Schreibung des Subjunktors daß darauf zurückzuführen sein, daß sich die Schreiber – mangels Regeln – nicht vergewissern können, was für einen Satz sie einbinden möchten.
In den Schulen jedenfalls scheint zur Scheidung der Attributsätze zu Neutra einerseits von intensionalen Objektsätzen zum Verb bzw. intensionalen Attributsätzen zu Abstrakta wie Behauptung andererseits nichts mit auf den Weg gegeben zu werden. Also entscheiden sie wie ein Zufallsgenerator.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2009 um 18.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#14712
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dass Pina-Bausch-Kleid (Welt-online 1.7.09)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2011 um 17.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#18210
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Rechtschreibrat Norbert R. Wolf schreibt heute in der Main-Post:
Überraschend ist, dass Herr zu Guttenberg nicht schreibt: „Ich habe ...“; nein, er verwendet das Passiv, dass es erlaubt, keinen Urheber einer Handlung zu nennen.
In der Sache hat Wolf recht (was kein großes Kunststück ist), aber warum drückt er sich so schlecht aus:
Wenn man das glauben will, dass auf derartig viele Gänsefüßchen und Fußnoten nicht wissentlich verzichtet wurde, der muss annehmen, dass der Autor ein so großer Schlamperer ist, dass einem beim Gedanken, dass so eine Person auch noch Minister ist, angst und bange wird.
Ein weiterer Beweis, daß die Beschäftigung mit der deutschen Grammatik (in diesem Fall ein Leben lang) nicht zu besserem Deutsch führt.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 25.02.2011 um 19.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#18211
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Ich glaube kaum, daß Hr. Wolf die Fehler und Inkonsistenzen in seinem Text beim Korrekturlesen nicht bemerkt hätte. Für mich sind solche Texte, man trifft auf sie recht häufig, Beispiele des Trends, auch Texte, die veröffentlicht werden, ohne Korrekturlesen weiterzugeben.
Vermutlich empfinden diese Schreiber solche Mißgeschicke nicht als peinlich.
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Kommentar von FAZ, 03.01.2011, Nr. 1, S. 8 (Briefe an die Hrg.), verfaßt am 27.02.2011 um 19.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#18221
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Wer hat Angst vor dem Heimunterricht?
Zu "Unsere Kinder leben im Verborgenen. Heimunterricht ist in Deutschland verboten. Hunderte Familien unterrichten ihre Kinder trotzdem zu Hause" von Krista Kapralos (F.A.Z. vom 8. Dezember):
(...) Es gibt sehr wohl viele Gründe, Kinder daheim zu unterrichten, und wenn Eltern das leisten können und wollen, so sollte es ihnen gestattet sein, denn das Niveau des heutigen Schulwesens ist in den vergangenen Jahrzehnten nur gesunken. Aus persönlicher Erfahrung und Beobachtung möchten wir dazu Folgendes beisteuern:
(...) Der einzige Höhepunkt der vierten Klasse war, dass die Deutschlehrerin jedes Kind am Ende des Schuljahres einen kleinen Aufsatz verfassen ließ, wobei dreißig Schüler ausnahmslos nicht in der Lage waren, "das" und "dass - daß" fehlerfrei anzuwenden. Ein unfreiwilliger Feldversuch, der alle Sprüche des Kultusministeriums bezüglich der Rechtschreibreform mit ihrem Anspruch, die Rechtschreibung zu vereinfachen, mit einem Schlag widerlegt hat.(...)
Wer hätte vor vierzig Jahren gedacht, dass es heute in der Unterstufe ein "Unterrichtsfach" gibt, das sich "soziales Lernen" nennt? So etwas hätte man doch eher im Kindergarten vermutet. Niemand weiß, wozu das gut ist und weshalb in dieser Zeit nicht besser Russisch- oder Geographieunterricht stattfindet, jedenfalls erscheinen uns die Kinder keine Spur besser oder sozialisierter als vor Jahrzehnten, eher im Gegenteil. (...)
MICHAEL WILL, MINDEN
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2014 um 10.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#27077
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Man konnte sicher sein, das mit keinen unangenehmen Details aus der Nazizeit zu rechnen war. (Auszug aus Enzensbergers „Tumult“ in der FAZ vom 17.10.14, in herkömmlicher Rechtschreibung, aber mit reformierter Silbentrennung und dem vorgeführten Fehler)
Aussenborder gibt es seit 1998, anfangs als vollständig besetzte Band, mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang. (...) Auch von mehreren Rechtschreibreformen haben sie sich nicht beeindrucken lassen, sonst müssten sie den Bandnamen mittlerweile mit einem ß anstatt ss schreiben. Das nennt man wohl künstlerische Freiheit. (ZEIT 15.10.14)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2014 um 06.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=754#27080
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Am nächsten Tag geht's gleich weiter:
Nüchtern betrachtet erzählt „Heidi“ von einem Mädchen, dass mehr oder weniger brutal zurechgestutzt werden soll. (FAZ 18.10.14)
Im selben Beitrag scheibt Melanie Mühl:
In Zeiten, da Eltern ihre Kinder oft sogar bei absurd kurzen Schulwegen mit dem Auto chauffieren, ist das kein schlechter Rat.
Absurd ist nicht die Kürze des Schulwegs (wir haben unsere Wohnung auch danach ausgesucht, daß die Schule nicht weit weg ist), sondern das Chauffieren.
Na, und noch dies:
„Bewerb dich doch“, ermunterten ihn seine Mitschüler.
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