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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.10.2006
 

Neue Schulbücher
Die Schulbuchverlage machen sich über Zehetmair und seinen Rat lustig

Das waren Zeiten 3. (Buchner) 2006: "Dieses Werk folgt der reformierten Rechtschreibung und Zeichensetzung."
sich auseinander setzen, auseinander gehen, wieder herstellen, Sieyes (immer ohne Akzentzeichen)
sogenannt ist meist zusammengeschrieben, gelegentlich aber auch getrennt.
Das Gesetz ... muß für alle das Gleiche sein.
Die Mehrheit beschloss als erstes ...

Kampfge-ist
Was der Absolutismus und die Revolutionsregierungen vorbereitet hatten vollendete nun Napoleon.



Deutschbuch 8. Cornelsen 2006

ohne sich unter die Tausenden von Zuschauern mischen zu müssen (166)
bereits nach hundert Metern begann, der Atem zu pfeifen (172)
man ist es gewöhnt (176)
schon bevor ich aus dem Haus ging trank ich etwas (182)

selbstständig (nur so, auch in Originaltexten stets geändert)

Das "Deutschbuch" unterläuft geradezu demonstrativ die Arbeit des Rechtschreibrates:
so genannt, eine Blut stillende Arzneipflanze, tief greifend, kennen lernen, Recht haben, zu Mute sein

sie hatte aber ganz Recht

Besonders Besorgnis erregend ist die steigende Zahl von jugendlichen Alkoholkonsumenten (320)
Als Besorgnis erregend wird die steigende Zahl von jugendlichen Alkoholkonsumenten gesehen (318)
unter gräulichsten Verwünschungen (Hoffmann, Scuderi) (106) Theatrum mundi (205, 211)

Es ist Zeit hinauszuschauen (Opitz) – muß hier neuerdings nicht ein Komma stehen?
Sie ermöglichen es uns auszudrücken ....(333) (Komma fehlt)
Schlechtes Deutsch: Der Dreißigjährige Krieg, in dem er permanent (!) die Unberechenbarkeit des Schicksals erfuhr (194)
Der Abt ... hat in seinem Tagebuch akribisch (!) die Ereignisse festgehalten. (201)
Die meisten Substantive (...) bezeichnen Personen und Eigennamen(...) (329) (Substantive „bezeichnen“ keine Eigennamen, sondern sind manchmal solche.)
Der Schluss soll (...) keine neuen Argumente beinhalten(!). (63)

In dem Satz „Ich denke, also bin ich“ soll Descartes „Grundsätzliches über das Verhältnis von Menschsein (!) und Denken“ ausgesagt haben. (217)
Druckfehler: das das Indoeuropäische (132)
letzen Wochen (72)

Bezeichnenderweise ist auch Bastian Sick schon zu Schulbuchehren gekommen; das vorliegende Werk enthält einen Text von ihm (über Fremdwörter).
Auf S. 184 wird mäßiger Alkoholgenuß empfohlen. Es ist eben ein Schulbuch für Bayern.



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Kommentare zu »Neue Schulbücher«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.07.2007 um 22.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#9275

Die Analogie "vertonen, Vertonung - verdichten, Verdichtung" ist zwar denkbar, aber die Techniker haben "verdichten, Verdichtung" schon längst besetzt.
Interessant ist höchstens, daß "dicht" im Mittelhochdeutschen "diht(e)" und "dichten" im Sinne von "ersinnen" "tihten" und "Dichtung" im Sinne von "Gedicht" "tihtunge" und "getiht(e)" geschrieben wurden.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 01.07.2007 um 19.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#9272

Beim Stamm "dicht" fällt einem dazu nur noch -- ganz flapsig -- ein, daß bei Cornelsen jemand nicht ganz dicht ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.07.2007 um 17.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#9271

Im Deutschbuch 8 von Cornelsen entdecke ich gerade noch die famose Erklärung, was ein Gedicht ist: "Die deutsche Bezeichnung 'Gedicht' verweist auf das 'verdichtete' Sprechen in Bildern." (S. 350) - Augstisch!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2006 um 18.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#6429

Das Deutschbuch von Cornelsen ist übrigens mitherausgegeben von Wieland Zirbs, der seinerzeit beim staatlichen IBS (die Auflösung dieser Abkürzung ändert sich immer wieder mal) sehr für die Rechtschreibreform kämpfte, auch eine allerdings schwer fehlerhafte Handreichung zur Fassung von 1996 (Friede ihrer Asche!) herausgebracht hatte und mir u. a. deswegen in Erinnerung geblieben ist, weil er es mir brieflich verwies, von "Rechtschreibreform" zu sprechen, denn das Ding heiße "Neuregelung zur deutschen Rechtschreibung", und so müsse es genannt werden. Inzwischen sprechen alle Kultusminister und auch sein damaliger Herr und Meister nur noch von "Rechtschreibreform", und Herr Zirbs ist anderweitig beschäftigt.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 20.10.2006 um 18.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#5964

Th. Ickler: »Es ist Zeit hinauszuschauen (Opitz) – muß hier neuerdings nicht ein Komma stehen?«

Nein! Denn es gibt zu § 75 (3) – Abhängigkeit der Infinitivgruppe von einem Korrelat oder einem Verweiswort – ja noch die Ausnahmeklausel § 75 E1:
»Wenn ein bloßer Infinitiv vorliegt, können in den Fallgruppen (2) und (3) die Kommas weggelassen werden, sofern keine Missverständnisse entstehen:
Den Plan(,) abzureisen(,) hatte sie schon lange gefasst. Die Angst(,) zu fallen(,) lähmte seine Schritte. Thomas dachte nicht daran(,) zu gehen.«

Letztlich gilt damit wieder die Kommapflicht nur für erweiterte Infinitive – ohne daß diese Bezeichnung verwendet wird.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 19.10.2006 um 19.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=672#5942

Was in Schullehrbüchern so über das Deutsche geschrieben, gibt schon seit langem schwer zu denken (z.B. daß Substantive "Eigennamen bezeichnen"). Aber Sprachdidaktik hält sich ja immer in sicherer Entfernung zu linguistischer Grammatikographie. Jetzt allerdings gehen einem die Augen über, wenn man sieht, wie es geschrieben steht.
 
 

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