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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.10.2006
 

Rolle von Sprache
Beruhende Kinder und andere Ablenkungsmanöver

Das Goethe-Institut ist federführend bei dem Projekt „Die Macht der Sprache – Die Rolle von Sprache in einer globalisierten Welt“.

Auf der Internetseite findet man kluge Bemerkungen über „Arabisch oder Russisch grundierte Varianten der deutschen Standardsprache“.

Besonders schön ausgedrückt auch dies:

„Beruhend auf dem Prinzip der Nachahmung lernen Kinder mehrere Sprachen genauso gut und sicher, wie nur eine Einzige.“

Gerhard Stickel droht in einem Interview: „Dass sich die politischen Bemühungen bisher auf den sprachlich eher nebensächlichen Bereich der Rechtschreibung beschränken, kennzeichnet das geringe gesamtstaatliche Engagement für die deutsche Sprache.“

Gott behüte!



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Kommentare zu »Rolle von Sprache«
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 09.10.2006 um 22.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=656#5819

"Beruhend auf dem Prinzip der Nachahmung lernen Kinder mehrere Sprachen genauso gut und sicher, wie nur eine Einzige." — Was wissen die eigentlich noch so rotzfrech und sicher auf ihren Prinzipien beruhend? Wie lange dauert es denn bei Kindern, die mit zwei Muttersprachen aufwachsen, bis sie (endlich) sprechen? Zu welcher Zeit ihres Lebens können Kinder ohne Schwierigkeiten zwei Muttersprachen lernen? Und von wann ab geht das bei diesen Kindern gar nicht mehr so gut? Und welche Umstände müssen gegeben sein, damit "Kinder mehrere Sprachen genauso gut und sicher, wie nur eine Einzige" lernen? (Die eine meiner Töchter hat ihre beiden Muttersprachen lebendig erhalten; die andere hat ihre erste Muttersprache wieder verloren.)
Das führt auch zu der Frage, welche Umstände gegeben sein müssen, damit Goethe-Institut-Leute ihre Sprache genauso gut und sicher schreiben können, wie sie denken, daß sie es tun, — und von welchem Alter oder Bildungsgrad an sie bei der Verschriftung Ihrer Gedanken nicht mehr mitdenken, und warum nicht.

Zu "jemand, der sich an wohlgeformten Sätzen erfreuen kann" (#5813): Ja, da haben wir einen anders gearteten Redestil, doch sowas gab's zu allen Zeiten. "Ouwê wie jaemerliche junge liute tuont, ... nie kein kristenman gesach sô jaemerliche schar." Die von Herrn Hohenembs angesprochenen Anglizismen haben sich allerdings über die Massenmedien heute schneller als zu früheren Zeiten ausbreiten können. Das mit dem vorgehaltenen Spiegel wird jedoch nicht groß funktionieren, einfach weil man Liebhaber wohlgeformter Sätze eben nicht ohne einige Schulung wird, welche durchs Schul- und Mediensystem vermittelt wird. Entweder liebt man Opern, weil man sie von klein auf besucht hat, oder man lernt sie später lieben, weil man durch Leute mit Opernverständnis sehr gewissenhaft in diese Kunst eingeführt worden ist. Auf jeden Fall muß man von dieser Kunst umgeben sein. Doch wo finden wir heute noch a. "wohlgeformte Sätze" und b. die allgemeine Freude daran, die dann ansteckend wäre?
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 09.10.2006 um 15.25 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=656#5817

Der Projekttitel "Die Macht der Sprache - die Rolle ..." ist schlicht metaphysisch und erinnert peinlich an Korzybskis ideologisches Wähn- und Wahngebäude "General Semantics". Sprache ist - wie gesagt - immer unschuldig, auch wenn sie zuweilen benutzt wird wie ein Handtuch und zuweilen mißbraucht wird wie ... Der Projekttitel verspricht Ideologisches über das, was eigentlich nicht einmal ein unmittelbar zugänglicher empirischer Gegenstand ist, sondern eine menschliche Eigenschaft (Sprache zu haben), die (bisher zumindest) nur über die dank dieser Eigenschaft geschaffenen Produkte (Texte) zugänglich ist.

Mit Not ist Orthographie politisierbar. Wir erleben diese Peinlichkeit gerade. Das Sprachsystem entzieht sich politischem Einfluß völlig. Gott sei Dank! Wenn jemand also von der Macht der Sprache (analog zur "Macht des Wortes" des einzigen bedeutenden DDR-Marxisten Georg Klaus) redet, singt er "ein garstig Lied, pfui, ein politisch Lied", jedenfalls kein linguistisches.

Sprachpolitik schließlich ist immer nur Politik, wenn auch selten eine spürbar wirksame, dafür aber immer teure, womit man in Frankreich lange Erfahrungen hat.
 
 

Kommentar von Josef Hohenembs, verfaßt am 09.10.2006 um 08.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=656#5813

Ja, wirklich, Gott behüte! Er schütze uns aber nicht nur vor größerem politischen Einsatz auf diesem Gebiet.
Genügt doch schon die verwendete englisch grundierte Variante der deutschen Sprache. Wohin sollte eine "Arabisch oder Russisch grundierte Variante" erst führen?
Ich verstehe einfach nicht, daß jemand, der sich an wohlgeformten Sätzen erfreuen kann, nicht von Krämpfen geschüttelt wird, wenn er "Sinn machen" anstatt "sinnvoll sein" oder "realisieren" im Sinne von begreifen vernimmt. Sollte man nicht jedem, selbst einem oberflächlichen Journalisten, dankbar sein, den Deutschen diesen Spiegel vorzuhalten?

 
 

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