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21.07.2006
Tückisch
Zu den neuen Wörterbüchern
Es ist etwas Unaufrichtiges um die Reform, und die Wörterbücher machen dabei mit, den Bürger zu manipulieren.
Das eigentliche Ärgernis der Rechtschreibreform entgeht den meisten Journalisten, und die Wörterbücher geben sich große Mühe, es zu verbergen. Ich erläutere es an einem Beispiel. Der neue Duden enthält den unscheinbaren Eintrag:
"lahmlegen; eine Demonstration hat den Verkehr lahmgelegt."
Der Normaldruck in schwarzen Lettern läßt nicht erkennen, daß sich hier gegenüber 1991 irgend etwas geändert haben könnte.
Aber zwei Jahre zuvor, im Duden von 2004, stand an gleicher Stelle:
"lahm legen", und ein Kasten, auf den verwiesen wurde, erklärte:
"den Verkehr lahm legen; eine Demonstration hat den Verkehr lahm gelegt"
Der neue Wahrig erklärt in einem Kasten:
"Die Bedeutung der Verbindung von lahm und legen lässt sich nicht aus ihren einzelnen Bestandteilen erschließen (Idiomatisierung). Daher wird zusammengeschrieben."
Wie viele Fälle dieser Art es gibt, ist bisher nicht bekannt.
Der Duden versichert zwar, seine Empfehlungen seien unverbindlich und die Anordnung der gleichberechtigten Einträge sei "keine Bewertung im Sinne einer Empfehlung seitens der Dudenredaktion", aber selbstverständlich stellt sich dieser Effekt dennoch ein und ist wohlkalkuliert. So stehen eingedeutschte Schreibungen voran, auch wenn das der alphabetischen Ordnung zuwiderläuft: existenziell steht vor existentiell. Getrenntschreibung steht vor Zusammenschreibung und wird schon dadurch implizit empfohlen. Allerdings folgt das Wörterverzeichnis nicht immer den Benutzungshinweisen: diese stellen nicht öffentlich vor nichtöffentlich, aber im Wörterverzeichnis ist es umgekehrt.
Interessant auch folgende Kleinigkeit:
Duden 1991: "Der Buchstabe ß wird wie ss eingeordnet. Bei gleichlautenden Wörtern steht das Wort mit ß vor dem mit ss."
Duden 2006: "Der Buchstabe ß wird wie ss eingeordnet. Bei gleichlautenden Wörtern steht das Wort mit ss vor dem mit ß."
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Kommentar von j.k., verfaßt am 21.07.2006 um 10.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=561#4913
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Zu Ihrem letzten Absatz: Tja, sie wollen halt das ß gänzlich abschaffen. ist aber auch blöd, dieses doofe ß. und auch die grossschreibung macht nur probleme, denn da muss man so viel denken. als nächstes kommen auch diese irrsinnigen kommata weg denn die braucht kein mensch. ja jetzt haben wir eine schöne orthografie wie sie sich sehen lassen kann und das verdankt man alles den netten rechtschreibreformern. prost mahlzeit!
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Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 21.07.2006 um 12.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=561#4915
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Der Wahrig war eigentlich schon immer etwas besser als der Duden, fand ich. Habe den Rechtschreibduden eigentlich nie benutzt, hatte allerdings erwartet, daß die Duden-Redaktion wenigstens die vom Rechtschreibrat geschaffenen "Freiräume" voll ausschöpft und man diese neueste Version dann bei eventuellen Streitigkeiten mit Kunden als Argument benutzen könnte. Der Name Duden hat ja immer noch Pondus. Schade - da ist man nun ganz auf sich selbst gestellt beim Schreiben. Vielleicht hat es ja Wirkung auf andere, wenn man sich bemüht, nach eigenem Sprachgefühl möglichst gut zu schreiben. Die Deutschen können ja immerhin noch deutsch sprechen, auch wenn es mit dem Schreiben nicht mehr weit her ist.
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