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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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31.03.2005
 

Zöpfe

Wenn ich der Verfasser von Hermann Zabels Pamphlet „Widerworte“ wäre, könnte ich keinen Fuß mehr vor die Tür setzen.
1997 wurde allen Bundestagsabgeordneten dieses Buch in die Hand gedrückt. Man versteht bei der Lektüre sofort, warum Zabel für keine Kommission mehr in Frage kam. Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache, die er einst vertreten hatte, war schon auf Distanz gegangen.

Dem Band war ein „Offener Brief“ des höchst geschäftstüchtigen Schulbuchverfassers Gerhard Schoebe vorangestellt, übrigens in alter Rechtschreibung. Er beschwört die Abgeordneten, die Reform zu billigen, und schließt so (Interpunktion wie im Buch):
»Die Überarbeitung der Rechtschreibung beseitigt Ungereimtheiten und schneidet einige Zöpfe ab. (Wissen Sie zum Beispiel, daß Sie nach den noch geltenden Regeln schreiben müßten: 'Die Abgeordnete hatte mit ihrer Äußerung recht"?).«

Tja, dieser Mann, der u. a. eine „Schoebe Grammatik“ und das Sprachbuch „Verstehen und Gestalten“ in riesigen Stückzahlen an die Schüler gebracht hat, erklärt die grammatisch einzig richtige Form für falsch und propagiert eine falsche als richtig. Und es sollte noch bis zum Rat für deutsche Rechtschreibung dauern, bevor dieser staatlich verordnete Unsinn (Achtung, Verunglimpfung!) ein Ende nahm.



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Kommentare zu »Zöpfe«
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Kommentar von F.A.Z. / Briefe an die Herausgeber, verfaßt am 02.08.2005 um 18.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=50#851

»Populistischer Akt

Die Entscheidung der Herren Stoiber (CSU) und Rüttgers (CDU), die Rechtschreibreform in ihren Ländern nicht am 1. August in Kraft zu setzen, stellt eine populistische Maßnahme mit Bezug auf die für September 2005 erwarteten Bundestagswahlen dar. Die Erläuterungen der beiden Ministerpräsidenten zu ihrer Entscheidung sind äußerst dürftig und leicht zu durchschauen. Die angebliche Sorge um Schüler, Lehrer und Eltern ist unglaubwürdig, weil sich die beiden Herren noch nie in den letzten Jahren ernsthaft mit den Rechtschreibproblemen der Bürgerinnen und Bürger, die keine Sekretärin mit der Durchführung von Schreibarbeiten beauftragen können, befaßt haben. Stoiber und Rüttgers bedienen mit ihrer Entscheidung die Hoffnung der Reformgegner, die Rechtschreibreform im letzten Moment doch noch zu Fall zu bringen und in Verbindung damit zu der angeblich "bewährten" Rechtschreibung (Duden 1991) zurückzukehren. Professor Dr. Hermann Zabel, Wiesbaden«



( F.A.Z., 03.08.2005, Nr. 178 / Seite 6 )
 
 

Kommentar von Süddeutsche Zeitung / Leserbriefe, verfaßt am 04.08.2005 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=50#862

»Der König ruft zum Beifall auf
Rat für Rechtschreibung: Die Würde des Möglichen / SZ vom 18. Juli


Der geneigte Leser sollte sich einmal die Zeit nehmen, die Publikationen zu lesen, die Professor Peter Eisenberg (Universität Potsdam), der Autor des SZ-Beitrages, mit Bezug auf die „Getrennt- und Zusammenschreibung" erarbeitet hat. Bei der Anhörung in Bonn im Jahr 1993 stellte Eisenberg ein Modell vor, das auf Regeln in dem zur Diskussion stehenden Bereich generell verzichtete und daher als Gegenmodell zu dem Vorschlag des internationalen Arbeitskreises verstanden werden sollte. Gleichsam parallel zu dieser Fundamentalkritik gab Eisenberg einen Kommentar zum Neuregelungsvorschlag des internationalen Arbeitskreises für Lehrerinnen und Lehrer heraus - die Reform in Acht und Bann tun, aber an ihr verdienen. Eine noble Haltung!

Als Eisenberg aus der „Kommission für die deutsche Rechtschreibung" aus Protest austrat, weil er für seine Vorstellungen in dem Gremium keine Mehrheit gefunden hatte, erklärte er vor den Mitgliedern der Kommission feierlich, er werde sich fortan aus der Reformdiskussion heraushalten. Kurze Zeit später tauchte Eisenberg als Motor eines Vorschlags der „Akademie für Sprache und Dichtung" in Darmstadt auf - bedauerlich für Eisenberg, dass auch diese seine Aktion, die im Widerspruch zu seinem der „Kommission für die deutsche Rechtschreibung" gegebenen Versprechen stand, wiederum den erhofften Erfolg nicht brachte. Folgerichtig zierte er sich zunächst, der Berufung in den „Rat für deutsche Rechtschreibung" Folge zu leisten. Erst als er merkte, dass die Post ohne ihn abzugehen drohte, verließ er seine Gastrolle und wurde Mitglied des Rates.

Und plötzlich mutierte der Sprachwissenschaftler Eisenberg zum Laudator des Neuregelungsvorschlags des Rates! „. . . ließ sich die Akademie in die Pflicht nehmen" - so garniert Deutschlands Supergrammatiker seine eigene Rückkehr aus dem Schmollwinkel. Eisenberg kann nur einen Vorschlag von Eisenberg als angemessen akzeptieren. „Es gab den erwarteten Widerstand gegen eine am Sprachgebrauch und an den Regeln des Sprachbaus orientierte Neufassung der Regeln. Die Neuorientierung setzte sich durch, weil jeder sehen konnte, wie man ein so fundiertes Regelwerk gegen Angriffe fast jeder Art verteidigen kann."

Nachdem Eisenberg sein erstes Ziel erreicht hat - Zeichensetzung und Silbentrennung werden folgen, wobei er die Groß- und Kleinschreibung und die Laut-Buchstaben-Beziehung offenbar vergessen hat -, ruft der König seine Untertanen auf, Beifall zu spenden: „Der Rat braucht . . . die Unterstützung der Öffentlichkeit . . . (da) kein politisches Gremium seine schützende Hand über ihn (= den Rat)" hält. Indirekt fordert der oberste Grammatiklehrer der Nation seine Kritiker auf, tunlichst den Mund zu halten. Peinlich nur, dass Reformgegner Theodor Ickler den Beschluss des Rates, an dem er mitgewirkt hat, in einem Sondervotum bereits verrissen hat und sein neues Evangelium verkündet: „Nach den Erfahrungen von mehr als 100 Jahren sollte der Staat am besten ganz darauf verzichten, diesen Bereich zu regeln." Prof. Dr. Hermann Zabel, Hagen«


( Süddeutsche Zeitung Nr.178, Donnerstag, den 04. August 2005 , Seite 31 )

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2005 um 12.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=50#867

Das Komischste an Zabel ist, daß er - auch in Diskussionen - gern in anklagendem Ton zitiert, was die Reformgegner Schlimmes über die Reform gesagt haben: "haarsträubender Unsinn" usw. Das Publikum reagiert, besonders nach dem allgemein bekannten Scheitern der Reform, stets mit Beifall: "Stimmt doch!" So zitiert er jetzt meine These, daß der Staat am besten darauf verzichten soll, die GZS zu regeln. Welcher Leser würde dem nicht sofort zustimmen? Es hat fast etwas Tragisches, wie Zabel seine Position verkennt; Augst und andere sind da viel klüger, sie schweigen wenigstens.
 
 

Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 04.08.2005 um 12.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=50#869

Hermann Zabel muß man danken für die Einblicke, die er in die Interna der Kommissionen gegeben hat und weiterhin gibt. Ohne ihn wüßten wir auch nicht, wie die F.A.Z. einst Gerhard Augst aufs Kreuz legte.
 
 

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