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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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03.12.2005
 

Verbindlich für Behörden?
Unzutreffendes bei Wikipedia

Wikipedia hat ja einen bemerkenswert gründlichen Teil über die Rechtschreibreform. Darin heißt es aber:

»Eigentlich ist die neue Rechtschreibregelung für Schulen und Behörden verbindlich. Doch im August 2004 beschloss die Stadtverwaltung Braunschweigs die Rückkehr zur alten Rechtschreibung, mit der Begründung, dass die neue Rechtschreibung damals von der niedersächsischen Landesregierung nur „empfohlen“ wurde. Jedoch stellt Braunschweig bis dato die einzige Stadt bundesweit dar, die diesen Schritt unternahm. Im März 2005 empfahl der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sollten die reformierten Schreibweisen „vor dem Hintergrund der vielfältigen Defizite und Widersprüchlichkeiten der reformierten Rechtschreibung“ nicht anwenden.«

Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand anders die Stadtverwaltungen anweisen kann, sich der Reformschreibung anzuschließen. Die Vorstellung, die Reform sei für Behörden verbindlich, ist absichtsvoll suggeriert worden, aber zutreffend ist sie nicht.



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Kommentare zu »Verbindlich für Behörden?«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2017 um 17.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#35716

Ich bekomme immer noch Zuschriften von Studenten, die meinen Rat suchen, weil der Dozent von Qualifikationsschriften erwartet, daß sie auf dem letzten Stand der Rechtschreibreform sind. Ich rate pragmatisch zur Nachgiebigkeit, evtl. nur "Heyse", weil der Prüfer in der Regel nicht mehr sehen will als viele ss. Ist das zynisch? Ja, aber sie haben es verdient.
Wenn man die bessere Sache durchfechten will, muß man opferbereit sein, und das lohnt sich bei einer Qualifikationsschrift nicht, wenn man nicht gerade einen Musterprozeß führen will.
Man wird um die Einsicht reicher, daß niemand die Hochschullehrer an Gehorsamsfreudigkeit übertrifft. Dabei müßten sie ja nicht, hätten selbst gar nichts zu verlieren, aber gerade das scheint es reizvoll zu machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2017 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#34888

„Die Ankündigung eines hoheitlichen Aktes in einem deutschen Bundesland hat in deutscher Sprache zu erfolgen. Die schriftliche Form der deutschen Sprache ist durch den Beschluss der Kultusminister vom 1. August 2006 für Schulen und Behörden verbindlich im Amtlichen Regelwerk festgelegt.“ (Schmachthagen HA 11.4.17)

Eben nicht.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 03.12.2005 um 19.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1864

Ich finde allerdings unter "Top-Meldungen" in "OB legt Grundstein..." dieses:
>>... Sie kann nach Schulschluss auch von Sportvereinen genutzt werden.
"Die Stadt nimmt dafür eine Menge Geld in die Hand", sagte der Oberbürgermeister anlässlich der Grundsteinsteinlegung. Dass solche Investitionen trotz schwieriger Haushaltslage und strengem Sparkurs möglich seien, freue ihn sehr.<<

Zu "Grüss Gott..." am Ortsschild: Weder neu, noch alt, nur eben sehr verunsichert. Genau das ist ja die Schweinerei mit der sinnlos vorgeschriebenen Rechtschreibung!

 
 

Kommentar von HERR Huber, verfaßt am 03.12.2005 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1856

Vielen Dank, Herr Bluhme.

Ich finde, wir sollten alle eine E-Mail an die Stadtverwaltung Braunschweig schicken, in der wir uns positiv zu ihrer Entscheidung äußern. Außerdem werde ich mal versuchen, unseren Bürgermeister davon zu überzeugen, zukünftig auch wieder "alt" zu schreiben.

An unserem Ortsschild steht zur Zeit: "Grüss Gott..." Toll, nicht? Weder neu, noch alt, nur blöd.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 03.12.2005 um 13.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1855

Herr oder Frau Huber,

wenn Sie sich unter www.braunschweig.de ein wenig weiterklicken (z.B. "Top-Meldungen"), so werden Sie ausschließlich klassische Schreibungen vorfinden. Wahrscheinlich entsteht braunschweig.de als Kooperation der Stadtverwaltung mit einem Marketingunternehmen, wie es in großen Städten häufig der Fall ist.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 03.12.2005 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1854

Hierzu die Pressemitteilung:

http://www.presse-service.de/static/58/582465.html
 
 

Kommentar von Huber, verfaßt am 03.12.2005 um 13.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1853

Verzeihen Sie bitte, aber auf der Internetseite www.braunschweig.de wird die Neuschreibung benutzt.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 03.12.2005 um 13.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=309#1851

Wie schon früher einmal dargelegt, sind die Gemeinden grundsätzlich autonom - selbstverständlich nur im Rahmen der demokratisch-rechtsstaatlichen Grundordnung. Diese Autonomie wid garantiert erstens durch Art. 28 (2) GG und zweitens auch durch die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15.10.1985. Mit anderen Worten: Alle Angelegenheiten, die eine Gemeinde und ihre Mitglieder unmittelbar und ausschließlich betreffen, kann diese selbst regeln ("Allzuständigkeit"). Daneben gibt es noch die Auftragsverwaltung, welche die vom Staat den Gemeinden zugewiesenen Aufgaben umfaßt. (Im Falle der Orthographie kann davon wohl keine Rede sein). Da die Rechtschreibung noch nicht einmal eine Gesetzesgrundlage hat, sondern auf dem Erlaßwege in den Schulen, und nur in diesen, etabliert wurde, ist es jeder Gemeinde selbstverständlich freigestellt, welche Orthographie sie anwenden will. Man wird unterstellen dürfen, daß dies zuvörderst die allgemein übliche sein muß. Was die einzelnen Beamten und Angestellten angeht, so ist deren Weisungsgebundenheit wieder eine ganz andere Frage, die eher ins verfassungsrechtliche Spektrum gehört. Das BVerfG hat ja in seinem berühmt-berüchtigten Urteil ausdrücklich nur die Schule erwähnt.
 
 

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