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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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05.10.2005
 

Wahrig (Gerhard)

Gerhard Wahrig würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, was unter seinem Namen geschieht.
Wahrig war ein gewissenhafter Mann. Darauf beruht die Anziehungskraft seines Namens, den die Erben an den Bertelsmannkonzern verkauft haben.

In Wahrigs Deutschem Wörterbuch 1978 gibt es ein Adverb "abend". Im dtv-Wahrig seiner Tochter (1997) wird daraus der Eintrag: "abend, Abend ". Seit wann werden Adverbien groß geschrieben? Ich habe solche Einträge immer unter "Wörterbuchzynismus" verbucht. Im neuen Wahrig (2005) ist der Eintrag "abend" völlig beseitigt.

Sprachwissenschaftliche Abhandlungen wie von Gerhard Wahrig sind aus der heutigen Wahrig-Redaktion natürlich nicht zu erwarten.

Der normale Zeitungsleser mag die Reformschreibung hinnehmen, ohne sich zu sehr aufzuregen. Erst wenn man die Wörterbücher vergleicht, kommt man darauf, was für eine unermeßliche geistige und auch moralische (wissenschaftsethische) Verwüstung hier angerichtet worden ist. Ihre Geschichte muß noch geschrieben werden.

Wenn der Spuk einmal vorbei ist, wird der Name "Wahrig" auch nicht mehr brauchbar sein. Ich nehme ja schon lange an, daß Bertelsmann den Duden schluckt, und damit wäre das Problem gelöst.



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Kommentare zu »Wahrig (Gerhard)«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2017 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#35154

Zwölf Jahre nach meinem Eintrag steht fest, daß Bertelsmann den usurpierten Namen "Wahrig" tatsächlich aufgegeben hat. Der Wikipedia-Artikel (https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Wahrig) erzählt die Geschichte der Wahrig-Lexikographie im Imperfekt. Es ist nicht nur, aber auch die Geschichte der Rechtschreibreform.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2005 um 10.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1084

Es ist leider wahr, daß der Verlag de Gruyter unter allen Wissenschaftsverlagen die schlimmsten Textverhunzungen vorgenommen hat und auch die meisten Fehler bei der Anwendung der Reform aufweist. Das ist meine Beobachtung seit Jahren. Irgend jemand scheint dort völlig übergeschnappt zu sein.
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 07.10.2005 um 09.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1083

Als de Gruyter vor einigen Jahren die exzellente 7. Auflage von 1972 aus den Lagern gefeuert hat, zu einem beschämenden Ramschpreis, habe ich mir gleich ein Exemplar gesichert.

Der Verlag hatte übrigens noch vor einiger Zeit eine bemerkenswerte Backlist-Kultur – z. B. waren da noch die acht alten Trübner-Bände von 1939–1957 verlagsfrisch zu bekommen. Ob das heute noch so ist oder ob man sich auch an die Schnelldreherei angepaßt hat, weiß ich nicht.

Ach, überhaupt soll man doch bei den Metonymie-Werken (Büchmann, Heyse, Paul, Dornseiff, Ploetz, Duden, Kluge, Wahrig usw.) gar nicht zu den neueren Auflagen greifen, die meist nur ein Abklatsch ohne Gewicht sind. Das gilt natürlich nicht für Werke wie Schönfelder (Deutsche Gesetze), Pschyrembel, Sobotta und ähnliche, die möglichst aktuell sein müssen.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 06.10.2005 um 20.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1080

Der aktuelle Dornseiff ist leider leider leider in neuer Rechtschreibung.

Beim durchblättern bin ich in ihm soeben über "allein stehend" für alleinstehend gestolpert... ist das nach der aktuellen Revision der NRS überhaupt noch gültig?

BTW: "Allein stehend" wird dort als Synonym für Zölibat angegeben... ein Schelm, der böses dabei denkt ;-)
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 06.10.2005 um 10.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1077

Ich sehe eher eine gefährliche Tendenz zur Mutwilligkeit:

Das Adverb "abend" ist klein zu schreiben, weil es ein Adverb ist. Das ist ein wichtiges Argument der Reformkritiker. Nun läßt man "abend" als Adverb einfach verschwinden, und schwupp! ist das Argument dahin.

Ein Wörterbuch soll den Sprachgebrauch darstellen, nicht das Sprachdekret.

Daneben gibt es eine Reihe exzellenter Spezialwörterbücher, von denen ich drei empfehlen will:

Kluge, Etymologisches Wörterbuch
Hermann Paul, Deutsches Wörterbuch (es zeigt, wie ein Wort wann verwendet worden ist)
Dornseiff, Der deutsche Wortschatz (Gliederung nach Sachgruppen)

Auch an diesen Wörterbüchern kann man natürlich Kritik üben, wie auch an allen anderen, aber der jeweilige spezifische Ansatz ist gewinnbringend.

Als Rechtschreibwörterbuch sind der 20. Duden (1991) (ja, auch hier gibt es etwas zu bemängeln) sowie Icklers Rechtschreibwörterbuch in der neuen Auflage eine gute Wahl. Für den Handapparat kann ich den Brockhaus-Wahrig von 1980 sehr empfehlen. Ich selbst tendiere bei großen Verlagen eher zu Wörterbüchern, die keine Novitäten sind, weil man sich damit nur Zeitmoden einhandelt.

Nebenbei: Den Adelung und den Grimm kann man sich als Silberscheiben danebenstellen.

 
 

Kommentar von Peter, verfaßt am 06.10.2005 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1076

Kritik an der Reformschreibung ist gerechtfertigt.

Kritik an den Wörterbuchverlagen sollte man relativieren, finde ich.

Keiner der großen Verlage hat nämlich wirklich gangbare Alternativen. Entweder mitmachen, oder sich aus dem Geschäft zurückziehen – das sind die Möglichkeiten; oder hab ich eine vergessen?

Ein zweigleisiges Konzept wäre der Glaubwürdigkeit vermutlich abträgig.

Wahrscheinlich gehen viele graue Haare in den Wörterbuchredaktionen auf das Konto der Reform; dort dürften einige unter nachhaltigem Leidensdruck stehen.

Nicht mitmachen bedeutet außerdem, der jeweilige Marktanteil geht automatisch an die verbleibenden Mitbewerber!

Unternehmen, für die das Wörterbuchgeschäft ein wichtiges Standbein ist, können meines Erachtens nicht anders ... Leider!

 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 05.10.2005 um 16.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=242#1075

Bei mir stehen die sechs gewichtigen Bände des Brockhaus-Wahrig von 1980 im Regal, die zwar posthum herauskamen, aber auch noch sehr guten Geist atmen.

Der Neue Brockhaus, 1936 ff., wurde sehr dafür gepriesen, daß er das erste Handlexikon ist, das ein komplettes Wörterbuch enthält, also Wörterbuch und Lexikon im selben Alphabet ist. Der enthält das Adverb jedoch ebenfalls nicht.

Daß der Duden an Bertelsmann gehen soll, ist sehr unwahrscheinlich. Die Bifab läßt sich dieses Pferd nicht aus dem Stall holen. Zumal Bertelsmann ja schon ein Wörterbuch hat.
 
 

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