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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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12.07.2014
 

Buchstabenformen
Die Buchstabenformen sind intuitiv lesefreundlich

Die lateinische Alphabetschrift ist heute rechtsläufig. In ganz früher Zeit gab es auch die wechselnde („furchenwendige“) Schriftrichtung, die man „Boustrophedon“ nennt, nach dem Bild des Bauern, der seinen Pflug von einem Ochsengespann hin und her ziehen läßt.
Dabei wechselten auch die einzelnen Buchstaben ihre „Blickrichtung“. Viele Buchstaben marschieren nach rechts: B D E F K L P R, auch C und G – alle haben links den geschlossenen Strich, gleichsam den Rücken, rechts die Öffnung oder die vorstehenden Glieder. Diese Buchstaben mit ihrem links gelegenen „Rückgrat“ ähneln Menschen mit ihrer „dorsalen Insuffizienz“ (d. h. Minderausstattung der Rückseite mit Sinnesorganen und aktionsfähigen Extremitäten) und werden ja auch spielerisch in „Menschenalphabete“ verwandelt, als Initialen oder in Kinderbüchern, aus bemaltem Holz usw.
Übrigens hat man bei eher bildlich ausgearbeiteten alten Schriften regelmäßig festgestellt, daß sie ihre „Gesichter“ entgegen der Leserichtung ausrichten, bei rechtsläufigen Schriften also nach links, und bei Bustrophedon-Schriften ändern sie ihre Ausrichtung entsprechend.

A, H, I, M, O, T, U, V, W, X, Y sind klappsymmetrisch um die vertikale Achse, B, C, D, E, H, I, K um die horizontale, N, S, Z sind drehsymmetrisch. Die Buchstaben verbinden also geometrische Einfachheit mit großer Prägnanz, die sich leicht identifizieren und bei Verstümmelung oder anderweitig ungünstigen Bedingungen leicht rekonstruieren läßt.

Außerdem läßt sich beobachten, daß die obere Hälfte der Buchstaben im Durchschnitt informativer ist als die untere. Das kann man durch Abdecken feststellen.



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Kommentare zu »Buchstabenformen«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2021 um 03.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#47786

Zum vorigen:

Das Logo des MDR zeigt bekanntlich nur die obere Hälfte der klein geschriebenen Buchstaben mdr und ist trotzdem erkennbar. Das bestätigt noch einmal die Einsicht, daß die obere Hälfte unserer Buchstaben informativer ist als die untere.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2018 um 05.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#40081

Viele Graphologen sehen in die Buchstaben den menschlichen Körper hinein, die imaginären Bänder der Schrift werden als Kopf-, Brust- und Bauchbereich gedeutet usw.

Die größere Informativität der oberen Buchstabenhälfte hat auch ihre Entsprechung: Wir erkennen andere Menschen natürlich an der "oberen Hälfte".
 
 

Kommentar von Hermann Schwab, verfaßt am 24.09.2014 um 14.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#26847

'ß' ist lesefreundlicher als 'ss'.
Der Unterschied zwischen 'das' und 'daß' sn der falschen Stelle fällt ins Auge, 'das' und 'dass' unterscheiden sich visuell kaum, und können auch das Resultat eines Tippfehlers sein.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.07.2014 um 13.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#26315

Die kyrillischen Klein-Druckbuchstaben sind nur verkleinerte Groß-Druckbuchstaben, im Gegensatz zur griechischen Schrift. Dafür sind die kyrillische Schreibschrift-Buchstaben zum großen Teil völlig verschieden von den Druckbuchstaben. Weil aber in der Slawistik als kyrillische Kursivschrift die russische Schreibschrift benutzt wird, muß man diese ebenfalls mindestens lesen können.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.07.2014 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#26314

War nicht als Gegenrede gedacht, nur als ergänzende Beobachtung. Unsere Minuskeln, ebenso wie die griechischen, haben ja ein stärkeres Eigenleben als die kyrillischen. Russische Texte sehen annähernd so aus wie in Kapitälchen gesetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2014 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#26313

Nun, was haben Sie erwartet? Ich habe auch nur einen Teil der weit überzufälligen Belege für eine gewisse unbestreitbare Tendenz genannt; mehr als eine Tendenz kann es ja bei einem solchen Gegenstand nicht sein. Die Minuskeln und erst recht die verbundene Schreibschrift sind abgeleitete Formen, die andere Einflüsse widerspiegeln.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.07.2014 um 01.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1619#26311

Die Minuskeln d und g drehen sich auf die andere Seite; auch a, q, u und y öffnen sich nach links.
 
 

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