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17.05.2011
Schwarmintelligenz
Alte Einsichten als neu aufgetischt
Focus berichtet:
"Ein Forscherteam von der ETH Zürich hat nun in einem Experiment gezeigt, wie schnell Schwarmintelligenz in Schwarmdummheit umschlagen kann. Sobald Menschen nämlich erfahren, dass andere über ein Problem anders denken als sie selbst, ändern sie ihre eigene Meinung - zumindest ein bisschen.
Dirk Helbing und seine Kollegen stellten 144 Studenten der ETH Zürich sechs verschiedene Fragen. Unter anderem wollten sie wissen, wie hoch die Bevölkerungsdichte in der Schweiz ist, wie viele Kilometer die Grenze zwischen der Schweiz und Italien misst und wie viele Morde es 2006 in dem Land der Eidgenossen gegeben hat. Sämtlich Zahlen, die jeder irgendwann schon mal gehört hat, aber kaum genau kennt. Damit die Probanden auch motiviert waren, gute Antworten zu geben, bekamen sie etwas Geld als Belohnung, wenn sie dem tatsächlichen Wert besonders nah gekommen waren.
Die Weisheit der Vielen wurde auf zwei verschiedene Arten berücksichtigt. Ein Teil der Probanden erfuhr nach der ersten eigenen Schätzung den Mittelwert aller anderen Studienteilnehmer, denen dieselbe Frage gestellt worden. Ein anderer Teil der Probanden bekam sogar die Schätzwerte aller anderen Teilnehmer vorgelegt. Jede Frage wurde fünfmal wiederholt. Am Anfang und am Ende wurden die Probanden zudem gefragt, wie sicher sie sich mit ihrer eigenen Schätzung sind.
Bei fast allen Fragen zeigte sich, dass die zuerst gegebenen Antworten im Durchschnitt die besten waren. Je mehr die Probanden über die Schätzungen der anderen Studienteilnehmer wussten, umso mehr sank die Schwarmintelligenz. Extremwerte verschwanden nach und nach, die Schätzwerten der einzelnen Probanden näherten sich immer mehr an, ohne dass der Mittelwert dem tatsächlichen Wert näherkam.
Das Experiment zeige, dass sozialer Einfluss die Diversität der Antworten verringere, nicht jedoch den kollektiven Fehler, schreiben die Forscher im Wissenschaftsblatt "Proceedings of the National Academie of Sciences". Gleichzeitig seien sich die Teilnehmer auch immer sicherer gewesen, dass ihre eigene Schätzung stimme, obwohl dies objektiv nicht der Fall war. Dieses Phänomen bezeichnen die Wissenschaftler als Vertrauenseffekt. "Das ist genau wie vor der Finanzkrise", sagt Helbing im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Wenn alle anderen das gleiche machen wie man selbst, glaubt man, auf dem richtigen Dampfer zu sein.
"Wenn Menschen sehen, wie andere Menschen denken und entscheiden, konvergieren die Meinungen", sagt Helbing. Dieser Effekt betreffe alle Gremien in Politik und Wirtschaft, überall wo man zusammensitze und diskutiere. "Ein derartig zustande gekommener Konsens kann eine schlechte Entscheidung sein." Sich an anderen Menschen zu orientieren, sei nicht automatisch gut, warnt der ETH-Forscher. "Es ist wichtig, ein Meinungsspektrum zu kultivieren und nicht von Vornherein auf Konsens zu gehen." Abweichende Meinungen seien wichtig, auch um kritisch zu bleiben gegenüber der eigenen Meinung."
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Nun, solche Versuche wurden schon vor vielen Jahrzehnten angestellt und bilden einen Hauptpunkt beispielsweise in Peter R. Hofstätters Gruppendynamik. Hofstätter hat auch die enorme Bedeutung dieser und ähnlicher Einsichten für die Sprache hervorgehoben und war dazu auch bestens gerüstet.
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Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 20.05.2011 um 10.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18719
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"Abweichende Meinungen seien wichtig, auch um kritisch zu bleiben gegenüber der eigenen Meinung."
Das erklärt, warum in Diktaturen abweichende Meinungen konsequent geächtet werden. Falls die Gefahr besteht, daß diese Meinungen in den Mainstream hinein wirksam werden könnten, werden diejenigen, die sie äußern, verfolgt und mundtot gemacht.
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Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 23.05.2011 um 15.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18732
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Das Nachhinein und das Vornherein ...
"Es ist wichtig, ein Meinungsspektrum zu kultivieren und nicht von Vornherein auf Konsens zu gehen."
Wichtig bei dieser Kultivierung des Meinungsspektrums ist offenbar der voraus eilende Gehorsam.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.05.2011 um 15.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18759
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Wegen dieses Kommentars muß ich mich nun doch mal "outen", denn vor einiger Zeit habe ich mich abwertend über Privatfernsehsender geäußert. Es gibt aber eine Sendung, wirklich nur diese eine Ausnahme, die ich mir ab und zu ansehe: "Wer wird Millionär?". Letztens wurde eine Frage gestellt, die die Spielerin nicht beantworten konnte und deshalb den sog. Publikumsjoker zog: Welches der folgenden 4 Wörter schreibt man nur mit einem k? Ich gebe dahinter gleich an, welcher Anteil des Publikums sich für das jeweilige Wort entschied:
Akkusativ (10%), Akkupunktur (42%), Akkumulator (0), akkurat (48%).
Und Google findet 18 Mio. akkurat, aber 27 Mio. akurat.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.05.2011 um 15.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18760
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Ja, aber die vielen akurat bei Google sind polnisch oder noch was anderes!
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.05.2011 um 15.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18761
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Slowakisch: akurát
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Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 30.05.2011 um 17.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#18762
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Haben 48% den Zierrat zum Akurrat befördert? Und ist das mehr als C3?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2011 um 17.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#19573
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Eins muß man den Rechtschreibreformern lassen: Sie haben die Hausmeistergesinnung der Deutschen durchaus richtig eingeschätzt. Jeder, der ein bißchen Macht hat, Professoren, Herausgeber und Chefredakteure, Behördenvorstände usw., würde schon dafür sorgen, daß alle anderen auf Linie gebracht werden. Das hat mit persönlicher Meinung zur Reform gar nichts zu tun. Bei der politischen Korrektheit läuft es genauso. Man verläßt die Sitzung, und der gemeinsam beschlossene Text ist so formuliert und geschrieben, wie keiner der Teilnehmer es eigentlich wollte, aber jeder es um des lieben Friedens willen hinnahm.
Es muß wohl eine besondere Lust verschaffen, wenn man in die Hinweise zum Verfassen schriftlicher Arbeiten hineinschreibt: "Die Arbeiten sind in der neuen Rechtschreibung nach dem jeweils gültigen Duden zu verfassen." Es ist die Lust, mit den Herrschenden übereinzustimmen ...
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2015 um 04.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#28664
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Und der selbsternannte Flüchtlingsretter Harald Höppner drängte der Sendung eine Schweigeminute für tote Flüchtlinge auf, die er auch unnachgiebig mit Blick auf die Armbanduhr durchsetzte. (Focus 20.4.15 über eine Jauch-Sendung)
Zum Aufdrängen (Erpressen) gehören mindestens zwei. Diese Gruppendynamik hat mich immer sehr interessiert. Wie bringt man freie Menschen dazu, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht wollen? (Der spöttische Ton des Journalisten sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß er ganz bestimmt auch mitgemacht hätte.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.04.2015 um 12.25 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#28694
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Vor Schweigeminuten ist man nirgends mehr sicher. Kostet ja nichts und bringt Ansehen.
Diese Nachricht erhalten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag der Universitätsleitung
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 2. April 2015 wurden bei einem terroristischen Überfall auf das Garissa University College in Kenia 147 Studierende getötet und mindestens 78 Menschen verletzt.
Im Gedenken an die Opfer dieses Anschlags rufen die European University Association (EUA) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu einer Schweigeminute am 27. April, 12:00 Uhr, auf.
Die Universitätsleitung bittet Sie, sich an dieser Schweigeminute zu beteiligen, um dadurch gegen Angriffe auf Bildungseinrichtungen zu protestieren.
(Der Hauptpunkt wird nicht erwähnt, auch nicht in der englischen EUA-Erklärung: „Bei ihrem Angriff hatten die Terroristen muslimische von christlichen Studenten getrennt: Während sie erstere laufen ließen, erschossen sie die Christen.“)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2015 um 05.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#28701
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Steinmeier hat recht, wenn er sich gegen die "Stöckchen" verwahrt, die jetzt ständig zum Drüberspringen hingehalten werden. Das gilt erst recht für uns Privatleute. In einem Rechtsstaat sollte es genügen, wenn man nicht gegen die Gesetze verstößt. Schweigeminuten und das Aussprechen bestimmter Wörter sind unzulässiger Bekenntniszwang.
Was außenpolitische Beziehungen und zerdeppertes Porzellan angeht, so stuft man natürlich ab. Historische Wahrheiten kann man überall und jederzeit aussprechen, aber man tut es nicht immer ohne verschiedene Grade der Rücksichtnahme, je nach den Machtverhältnissen (Wirtschaftsbeziehungen usw.).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2017 um 05.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#35773
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Das klassische Experiment der Gruppendynamik, dargestellt beispielsweise von Peter R. Hofstätter, geht so:
Wenn 30 Teilnehmer eines Seminars jeder für sich aufschreiben, wie lang sie einen gezeigten Strich schätzen, und man die Schätzungen anschließend addiert und durch 30 dividiert, liegt der Durchschnitt oft näher an der Wahrheit als jede einzelne Schätzung. Das ist trivial: Fehlerausgleich durch die große Zahl.
Ganz anders, wenn die Gruppe miteinander kommuniziert und ein Meinungsführer die Richtung vorgibt. Dann kann die ganze Gruppe in die eine oder andere Richtung abdriften.
Das ist in verschiedener Richtung ausbaufähig. Die These von der "Schweigespirale" gehört auch hierher. Interessante Frage: Ist die Gruppe der "Blogger" vom ersten oder zweiten Typ?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.07.2017 um 08.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#35775
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"Netzgemeinden" sind nicht im selben Raum beeinander und kommunizieren "sequentiell". Es ist möglich, daß ihre oft ziemlich ungehemmten Meinungsäußerungen sich unter dem Eindruck der anderen allmählich ändern.
Die Medien führen ihre Nutzer manchmal zu einer Gruppe des ersten Typs zusammen durch die Umfragen, deren Unsinnigkeit wir zwar schon einsehen mußten, aber immerhin: Wie die anderen abgestimmt haben, kann ich erst sehen, wenn ich selbst abgestimmt habe.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2018 um 09.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#38386
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Was man den Charakter eines Menschen nennt, ist ja nur Überformung ganz grundlegender Eigenschaften durch Lernen und Auseinandersetzung mit der Umgebung. Schon gleich nach der Geburt erkennen wir bei den Kindern große Unterschiede und beobachten dann ganz richtig, wie sich das ausdifferenziert, aber nicht wesentlich ändert.
Ostern ist eine gute Gelegenheit, fundamentale Unterschiede zwischen Menschen festzustellen. Schon als Kinder wußten wir: Der eine ißt zuerst die feinsten Schokoeier und hofft darauf, daß ihm die ungeliebten (Erdbeer-Joghurt - brrr!) später, wenn nichts anderes mehr da ist, auch noch einigermaßen schmecken werden. Der andere macht es umgekehrt. Das kennt man vom Mittagessen: das Fleisch zuerst oder zuletzt. (Beiseite lasse ich das verwöhnte Weibchen, das jedes Schokoei anbeißt und dann gegebenenfalls an Bruder oder Ehemann weiterreicht.)
Ich vermute, daß diese Beobachtung mit vielen anderen korreliert werden kann, und will damit sagen, daß ich es durchaus ernst meine.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.03.2021 um 16.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#45410
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Es wird angenommen, daß die Nervenzelle feuert, wenn genügend erregende Impulse synchronisiert in ihr zusammengeflossen sind.
Soweit das Prinzip. Ein Analogon findet man bei gesellig lebenden Tieren:
Das Problem, die Trägheit einer einmal ruhenden Gruppe zu überwinden, haben viele sozial lebende Tiere, auch uns Menschen ist es nicht unbekannt. Südafrikanische Erdmännchen besitzen dafür spezielle „Auf geht´s!“-Rufe, wie Forscher um die Zoologin Marta Manser von der Universität Zürich 2011 in den „Proceedings of the Royal Society B“ beschrieben haben. Dabei geht es offenbar recht basisdemokratisch zu: Blasen nur ein oder zwei Tiere zum Aufbruch, ändert sich am Verhalten der Gruppe wenig. Erst wenn mindestens drei Tiere ihren Willen zum Weiterziehen bekunden, überträgt sich die Aufbruchsstimmung mit großer Wahrscheinlichkeit auf die übrigen Artgenossen, und die Gruppe zieht geschlossen zu einer neuen Futterstelle. Ähnlich wie in manchen demokratischen Abstimmungen muss also ein Minimum der Wahlberechtigten, ein sogenanntes Quorum, seine Meinung äußern, damit die Wahl gültig wird. Alter, Geschlecht oder Stellung des Rufers in der Rangordnung der Erdmännchentruppe spielen dabei keine Rolle, hat Manser beobachtet. (FAS 10.9.17)
Forscher einer Raubtier-Schutzorganisation in Botswana haben herausgefunden, dass Afrikanische Hyänenhunde erst dann gemeinsam auf die Jagd gehen, wenn [sich] ausreichend Mitglieder eines Rudels durch ein lautes und vernehmliches Niesen dafür "ausgesprochen" haben. (http://docplayer.org/119936366-61-jahrgang-november-2017.html)
(Die populäre Darstellung ist nicht stilrein verhaltensbezogen, aber darauf kommt es hier nicht an.)
Unter Einzellern kommt das Phänomen häufiger vor, z. B. leuchtfähige Bakterien innerhalb von Kopffüßlern, die erst leuchten, wenn eine gewisse Mindestzahl von ihnen anwesend und bereit ist. Auch Bienen, die einen Nistplatz suchen; Ameisen u. a.
Es ist unter dem Titel „Quorum sensing“ untersucht worden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Quorum_sensing
https://en.wikipedia.org/wiki/Quorum_sensing
mit mathematischer Analyse der positiven Rückkopplung.
Eine Extrapolation auf das Verhalten von Menschenmassen liegt nahe. Man braucht nicht nur an Panik-Stampeden zu denken, auch die Rechtschreibreform oder das Gendern bieten sich an.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2021 um 04.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#45498
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Eine Art Quorum sensing gibt es schon auf der Ebene der Zelle. Pflanzenzellen reagieren, wenn bestimmte Stoffe (Kalzium, Jasmonsäure) einen bestimmten Pegel erreicht (über- oder unterschritten) haben. Manchmal werden dann sehr schnelle Bewegungen ausgelöst, z. B. beim Zuklappen einer Insektenfalle.
Das ist auch die chemische Grundlage von „Uhren“, die das Leben vieler Organismen zu steuern scheinen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2022 um 07.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#48759
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Weil ich gerade von "Stampede"gesprochen habe (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1042#48758), hier noch etwas zum Quorum sensing:
Quorum sensing und Trampelpfad-Phänomen sind Weisen der Selbstorganisation: Was einer tut, gibt einem anderen den Anstoß, es ebenfalls zu tun, und wenn zwei es tun, fällt es einem dritten leichter, ihnen zu folgen. Die positive Rückkopplung erzeugt den Trampelpfad, den schließlich alle nutzen – wie ein Bachbett, das sich der Bach selbst gegraben hat.
Systeme mit positiver Rückkopplung zerstören sich am Ende selbst, wenn nicht die natürlichen Ressourcen die Aufschaukelung stoppen. Der Schwarm fliegt am Ende auf, das Wasser sammelt sich vollständig im selbstgegrabenen Bett, Herden stürmen in einer Stampede voran, Menschenmassen geraten in Panik.
Harmlosere Formen sind das Aufkommen von Modetrends, Medien-Hypes und „Mainstreams“, wie man bezeichnenderweise sagt. Auch beim Sprachwandel und anderen gesellschaftlichen Veränderungen lassen sich entsprechende Strukturen beobachten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2024 um 05.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#53658
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Auch bei Störchen kann man um diese Zeit das "Quorum sensing" beobachten: Wenn sie sich auf einer Wiese versammeln, fliegen sie erst gemeinsam los, nachdem eine gewisse Zahl "Intentionsbewegungen" gemacht hat.
Gestern habe ich 50 oder 60 in großer Höhe Richtung Süden fliegen sehen, weiß aber nicht, ob das schon der endgültige Abflug war – ein bißchen früh im Jahr. Bekanntlich fliegen viele gar nicht mehr nach Afrika, sondern bleiben im Lande oder wenigstens in Spanien (die Westroute ist sowieso immer beliebter geworden). Sie fliegen nicht über das offene Meer, weil dort die kräftesparende Thermik fehlt. Sie fliegen darum auch nicht in Formation wie die Kraniche oder Gänse.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.08.2024 um 04.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#53771
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Die Begeisterung für jemanden oder etwas beruht wie jede Verliebtheit auf Überschätzung und Übertreibung. Sie wirkt selbstverstärkend. Darum sagt man ja, nichts sei erfolgreicher als der Erfolg. Wie alle Mechanismen mit positiver Rückkoppelung führt sie entweder zur Selbstzerstörung oder zum Verebben wegen Erschöpfung der Ressourcen.
„Hype“ faßt diese Erfahrung zusammen, besonders bei kommerziellem Erfolg. Taylor Swift scheint gut zu sein, aber nicht 1000mal besser als andere, auch „Harry Potter“ ist besser als vieles, aber nicht 1000mal.
Ohne die Begeisterung von Wählermassen kann Kamala Harris nicht Präsidentin werden. Sie wird also inszeniert als beinahe übermenschlich qualifiziert, was natürlich an sich lächerlich ist (wie sie selbst am besten weiß). Man kann wieder einmal beobachten, wie die Menge sich an ihrer eigenen Begeisterung berauscht. Das hat man schon tausendmal gesehen, im Guten wie im Schlechten. Wir scheinen uns erhoben zu fühlen, wenn wir erheben. „Und lieben, Götter, welch ein Glück!“ Die Dichter haben diesen Zustand in zahllosen Variationen besungen, ganz angemessen, denn was wäre das Leben ohne Begeisterungsfähigkeit! Niemand würde sich verlieben, und es wäre bald aus mit uns.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2024 um 10.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1450#53954
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Wenn man zehn Menschen, die jeder für sich sowohl die Rechtschreibreform als auch das Gendern ablehnen, zu einem Gremium verbindet, werden sie am Ende sowohl refomiert schreiben als auch gendern. Man nennt das Gruppendynamik. Sie setzt sowohl den Verstand als auch den Mut (die Zivilcourage) als auch – wie bereits von Simmel beschrieben – das Schamgefühl herab. Jeder, der nicht ganz neu im Geschäft ist, wird diese Erfahrung bestätigen können.
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