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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.04.2011
 

Ziffern und Zahlwörter
Wenig einleuchtende Konvention

In Zeitungen und von den Agenturen wird oft noch die alte Buchdruckerregel befolgt, Zahlen von 1 bis 12 in Buchstaben zu schreiben, weiter dann in Ziffern:

Becker alleine habe 86 Jugendliche, zumeist im Alter von zwölf bis 16, missbraucht. (KStA 17.12.10)

Hier wäre die durchgehende Ziffernschreibweise rationaler und "moderner", ich würde sie vorziehen. So auch die Dudenratgeber.



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Kommentare zu »Ziffern und Zahlwörter«
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Kommentar von Trobairitz, verfaßt am 20.04.2011 um 18.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#18523

Umgekehrt, oder?
Von 1 bis 12 in Buchstaben, dann in Ziffern...

Tut mir leid, daß mein erster Eintrag hier sofort eine Korrektur sein muß. :)
Und schöne Grüße aus dem Schwarzwald!

(Ist korrigiert. – Red.)
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 20.04.2011 um 19.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#18525

Ich kenne es so, daß im Wirtschaftsteil durchgehend Ziffern verwendet werden, während man sonst in Fällen wie dem zitierten entweder "im Alter von zwölf bis sechzehn" oder "im Alter von 12 bis 16" schreibt. In anderen Fällen würde Einheitlichkeit eher irritieren: "Im Alter von 26 bekam sie ihr 1. Kind." Grundsätzlich machen sich im Fließtext Zahlwörter besser, finde ich, und die Ziffern sind ein Notbehelf. Deshalb kommt man dort auch bei Zahlen über zwölf auf die Zahlwörter zurück, wenn diese nicht unübersichtlicher sind als die Ziffern. "Eine Million" ist leserfreundlicher als "1 000 000".
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 22.04.2011 um 18.37 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#18534

Wenn das Rechnerische, Zahlenmäßige im Vordergrund steht, sollte man m. E. die Ziffernversion bevorzugen. Wie schreibt man übrigens am besten 0,8 oder 1,5 ...?
Zu bedenken ist auch Uneinheitlichkeit, störender Kontrast (siehe Icklers kennzeichnendes Beispiel: "zwölf bis 18").
Die alte Buchdruckerregel scheint eher sprachpflegerisch-stilkundlich motiviert zu sein. Daß sie in der Presse brav (stur) befolgt wird, zeugt von Schulweisheit und Normhörigkeit.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.04.2011 um 19.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#18536

Genauer gesagt ist die Zahlwortschreibweise höchstens für die Natürlichen Zahlen von 0 bis 12 üblich: N = {0; 1; ... 12}
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 22.04.2011 um 22.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#18537

Die Buchdruckerregel wird von der Presse eben nicht stur und brav befolgt. Sie wird auch von den Buchdruckern nicht stur und brav befolgt. Das von Herrn Ickler angeführte Beispiel ("im Alter von zwölf bis 16") zeigt vielmehr einen typischen Anfängerfehler.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 10.08.2012 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#21248

»Demnach waren in London insgesamt 86 Medaillen, davon 28 aus Gold, angestrebt worden. Zwei Tage vor dem Ende der Spiele in London haben Deutschlands Athleten aber erst zehn Goldmedaillen gewonnen, dazu kommt 17-mal Silber und elfmal Bronze. Damit liegt die Mannschaft derzeit auf Rang sechs im Medaillenspiegel.« (spiegel.de, 10.08.2012)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.10.2012 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#21796

In den deutschen Zahlwörtern sind offensichtlich mehrere alte Systeme vermischt. Das Wort acht hat Dualform, beweist also, daß die Vierereinheit eine grundlegende Rolle gespielt hat, sicher von den vier Fingern herzuleiten. Die Neun ist das "Neue" nach dem Viererpaar. Auch das Wort zwölf weist noch einmal darauf hin. Während elf und zwölf zunächst die über zehn hinausgehende Eins und Zwei enthalten (das germanisch lautverschobene Suffix -lif bedeutet das Übriggelassene), beginnt nach der Zwölf, also den Viererdreier, eine neue Zählweise. Das Suffx -zig ist die hochdeutsch verschobene Form eines Substantivs mit der Bedeutung "Zehner". Das alte Großhundert ist zehn mal zwölf, also die Verbindung von Dezimal- und Vierersystem. Die Teilbarkeit ist beim Vierersystem besser, daher auch die alten Einheiten von 60 usw.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.10.2012 um 11.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#21799

Diese Zahlenbildung gilt nur für den griechisch/lateinisch-beeinflußten Kulturraum. Das Sanskrit und das Altkirchenslawische und das Gemeinslawische bilden die Zahlen anders. Sie leiten "neun" nicht von "neu" ab und zählen schon ab 11 "auf zehn". (Die Inder haben ja das Dezimalsystem erfunden, aber es kam erst über das arabische Mittelalter im 9. Jahrhundert nach Europa, als sich zeitgleich das Kirchenslawische bildete. Die lateinische Kirche hat bis zur Renaissance im 14. Jahrhundert das Dezimalsystem und die Dezimalzahlen als Symbole des bösen muslimischen Feindes verhindert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.10.2012 um 13.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#21800

Sollte man nicht das Dezimalsystem selbst von der Schreibweise unterscheiden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2013 um 04.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22404

Bekanntlich sind die Reformer mit dem neu eingeführten Bindestrich bei 10-fach usw. selbst nicht zurechtgekommen, haben zuletzt noch den Ausweg ins Fakultative gesucht und insgesamt ein heilloses Durcheinander hinterlassen, besonders weil damit ja auch die Groß- und Kleinschreibung verbunden ist. Das wird nie funktionieren; die Rechtschreibprogramme helfen auch nicht, weil sie elliptische Adjektivattribute und Substantivierungen unterscheiden können müßten.

Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes müssen einige Kommunen sogar das 13-fache des bisherigen Betrages bezahlen.

Wenn man mal bei Google News nachsieht, wird man feststellen, daß es hier wie seit je durcheinandergeht.

 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 20.01.2013 um 10.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22406

Meine Rede!

Nach der Reform muß es heißen: "150%ig", aber "150-prozentig"; "der 150%ige", aber "der 150-Prozentige"! Wie soll man so etwas einem Schüler, einem "Wenigschreiber" oder wenigstens einem durchschnittlichen Schreiber beibringen? Die müßten ja alle den sprachwissenschaftlichen Unterschied zwischen Zusammensetzung und Ableitung lernen!

Hinzu kommt noch, daß hier der § 39 querschießt.

Nachdem ich inzwischen einiges an Reformerliteratur gelesen habe, scheint mir der Grund für diese Erschwerung in etwa der folgende zu sein:

Aus der Sicht der Regelformulierer erscheint die Ungleichbehandlung von Ziffern und Einzelbuchstaben (8jährig, aber x-beinig) als Unregelmäßigkeit, so daß diese beseitigt werden mußte. Hinzu kamen noch Sonderfälle wie 1:1-Vergleich. Also hat man Ziffern pauschal mit Einzelbuchstaben gleichgestellt, aber dann gemerkt, daß bei Ableitungen von Abkürzungen (DGBler) eine neue Unregelmäßigkeit entstünde, weshalb für letztere weiterhin Zusammenschreibung vorgesehen wurde. (Vgl. dazu v.a. Gallmann, der sich auch noch über einige andere angeblich unlogische Duden-Regeln aufregte, wobei die Aufregung sich am verstärkten Gebrauch des Ausrufezeichens zeigt).

Es kommt aber noch ein weiteres hinzu, nämlich die Tendenz zur Verschleierung. Wenn man beispielsweise die Texte von Mentrup liest, ist darin sehr viel vom "Zusammenfassen" die Rede, und jeder, der das "amtliche Regelwerk" durchgearbeitet hat, weiß, daß darin sehr viel zusammengefaßt wurde, um eine Reduzierung der Regeln vorzutäuschen, und zwar mit der Folge, daß manche Regeln sich nur noch aus den Beispielen ableiten lassen oder gar extrapoliert werden müssen (z.B. die Dreikonsonantenregel, bzw. "Nichtregel").

All diese Zusammenfassungen und Regelreduzierungen (die ja in den meisten Fällen Abstraktionen sind) helfen jedoch den meisten Menschen überhaupt nicht, sondern bewirken das genaue Gegenteil, nämlich totale Konfusion durch Überforderung.

Das ganze Bindestrichkapitel ist m.E. derart mißraten, daß ich dessen Revision beinahe für dringender halte als die Überarbeitung der GKS.

Wie eine ausgezeichnete Regelformulierung auszusehen hätte, ist hier ja wohl bekannt, aber ich stimme Kurt Reumann ausdrücklich zu, der das Bindestrichkapitel im "Ickler" sinngemäß als Meisterwerk bezeichnet hat.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.01.2013 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22409

Wie ist das denn unreformiert?
Schreibt man nicht auch n-fach aber das n-Fache?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.01.2013 um 20.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22414

Der unreformierte Duden enthält nur n-fach, nicht substantiviert. Da man aber 8fach, das 8fache schreibt, hätte ich auch auf das n-fache getippt, auch weil e kein Faches gibt. Im Ickler steht jedoch das n-Fache. Die Ausnahme ohne Bindestrich gilt nur für Ableitungen und Zusammensetzungen mit arabischen Ziffern.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 21.01.2013 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22419

Ob die Schreibung mit Ziffern als Ausnahme zu gelten hat, ist m.E. die Frage, denn es geht um verschiedene Kategorien, mit denen man es zu tun hat. Der alte Duden (R 37, 38 und 212) hat das nur nicht deutlich zum Ausdruck gebracht und ordentlich gegliedert.

1) Formeln und Formelzeichen stammen in der Regel aus anderen und diversen Zeichenregistern (obwohl sie auch Buchstaben enthalten können). Sie lassen sich auch nicht eindeutig vorlesen, wie etwa das Duden-Beispiel 2pi-fach (Zeichen ersetzt durch "pi") zeigt: "zwei mal pi" oder "zwei pi"? Oder 1:1-Ergebnis: "eins zu eins" oder "eins eins"? Anders ausgedrückt, es handelt sich nicht um Wörter, die Bestandteil einer Zusammensetzung sein können. n-fach gehört auch hierher, den n ist in diesem Fall eine Variable.

2) Einzelbuchstaben stammen zwar aus demselben Zeichenregister (Buchstaben), werden aber nicht wie Buchstaben verwendet, sondern als Grafik, genau wie man beispielsweise bei einem Rautenzeichen den Bindestrich verwenden würde. Hinzu kommt hier noch die Gefahr einer Irritation des Lesers: Ubogen. In Fällen wie Fugen-s handelt es zwar wirklich um Buchstaben, aber diese werden gleichsam zitiert, ja man könnte sich sogar vorstellen, hier Anführungszeichen zu verwenden, tut es aber aus ökonomischen Gründen nicht.

3) Abkürzungen stehen für Wörter oder Wortgruppen und sind in bezug auf Groß- und Kleinschreibung uneinheitlich: km-Stand, pH-Wert, UKW-Sender, Abc-Schütze. Der Einfachheit halber setzt man hier in Zusammensetzungen immer den Bindestrich um Fehllesungen zu vermeinden. Die Zahl der Ableitungen von Abkürzungen ist wesentlich geringer, und außerdem sind fast alle diese beinahe als Kürzelwörter lesbar (sonst könnte man ja nichts ableiten), so daß der Bindestrich fast schon falsch wäre: FKKler. (Jeder weiß, was FKK bedeutet, aber nicht jeder kennt die Auflösung der Abkürzung. Um eine Ableitung bilden zu können, muß also schon ein gewisser Grad der Lexikalisierung der Abkürzung vorliegen.)

4) Ziffern (Duden R 212) passen in keine der drei genannten Kategorien, denn sie lassen sich als Wörter vorlesen (oder ausschreiben) und stehen somit für Komposition und Ableitung zur Verfügung, obwohl sie aus einem anderen Zeichenregister stammen. Warum sollte man also hier überhaupt einen Bindestrich setzen? Doch nur, wenn man dies bei der ausgeschriebenen Variante auch täte.

Was die Substantivierung von "das n-Fache" angeht, so stand im alten Duden die Lösung unter "x-fach": "das X-fache". Man kann aber auch (s.o.) sagen, daß das "n" hier gar kein Buchstabe ist, sondern eine Variable, und die heißt nun mal "n", nicht "N". Dann schreibt man als Notbehelf "das n-Fache". M.E. ist beides möglich, und auch "das n-fache" ist m.E. akzeptabel.

Man muß sich wirklich die alten Duden-Richtlinien anschauen, um zu verstehen, wie die Reformer zu ihren Regeln kamen und sie auch noch für Verbesserungen hielten. De facto handelt es sich hier nämlich wirklich um eine Reduzierung der Regelanzahl und auf den ersten Blick auch um eine Reduzierung der Komplexität, aber nur auf der Regelseite! Die Anwendung dieser durch Reduzierung abstrakter gewordenen Regeln (hier: Entscheidung, ob eine Zusammensetzung oder eine Ableitung vorliegt) ist jedoch viel schwieriger und erzeugt ständig Zweifelsfälle, zumal, wie gesagt, auch noch andere Stellen des Regelwerkes in die Quere kommen. In diesem Fall hatte eine einfache zusätzliche Duden-Richtlinie genau diese Zweifelsfälle in den meisten Fällen verhindert, d.h. das Kosten-Nutzen-Verhältnis spricht eindeutig für die detailliertere Regelung. Ähnliches gilt auch in vielen anderen Bereichen. Nochmals anders ausgedrückt: Weniger, aber dafür abstrakte Regeln helfen dem Durchschnittsanwender überhaupt nichts, weil die Anwendung von ihm wesentlich mehr verlangt. Gerade im Hinblick auf Durchschnittsanwender handelt es sich geradezu um Auskunftsverweigerung (vgl. auch die erwähnte "Nichtregel" aus dem Ersten Bericht der ZK) nach dem Motto: "Sollen die Schreibenden doch zusehen, wie sie herausbekommen, was gemeint ist. Hauptsache, es gibt weniger Regeln." Das amtliche Regelwerk hat ja nicht mal ein Stichwortverzeichnis!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.01.2013 um 10.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22420

Was bei x-beinig, die X-Beine noch geht, da es nicht auf den Wert, sondern auf die Form von x bzw. X ankommt, ist m. E. bei x-fach, das X-fache oder n-fach, das N-fache schon sehr fraglich. Ich würde das nicht so schreiben. Und beim i-Tüpfelchen ist es ganz unmöglich, denn das große I hat gar keins.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 22.01.2013 um 07.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22425

Was bei x-beinig, die X-Beine noch geht, da es nicht auf den Wert, sondern auf die Form von x bzw. X ankommt, ist m. E. bei x-fach, das X-fache oder n-fach, das N-fache schon sehr fraglich. Ich würde das nicht so schreiben.

Es zwingt Sie ja auch niemand. Das ist so ein Fall, in dem grundsätzlich Freigabe angebracht ist.

Und beim i-Tüpfelchen ist es ganz unmöglich, denn das große I hat gar keins.

Siehe dazu die vernünftige Erklärung im "Ickler".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2013 um 10.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22427

Hier ist der Einfachheit halber meine Darstellung aus dem Rechtschreibwörterbuch (mit Dank für freundliche Erwähnung!):

In Zusammensetzungen mit Bindestrich, deren erster Bestandteil ein klein zu schreibendes Zeichen oder Zitatwort ist, bleibt die Kleinschreibung erhalten:
km-Zahl (aber Kilometerzahl), i-Punkt, daß-Satz ... (aber T-förmig ‚wie ein T geformt‘)
Anm.: Wörter wie i-Punkt kann man auch groß schreiben: I-Punkt. Dann wird das Zeichen i nicht zitiert (vorgeführt), sondern genannt: ‚der Punkt auf dem I‘. Ebenso: Daß-Satz.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.01.2013 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22429

Ja, diese Stelle war mir leider entfallen, und ich gebe zu, ich hätte nicht "ganz unmöglich" schreiben sollen.
Nebenbei fällt mir auf, daß man zu X-und O-Beinen ziemlich schlecht den Singular bilden kann, höchstens etwa:
eines der X-Beine ...
Nur scherzhaft gemeint: >-Bein, <-Bein, (-Bein, )-Bein
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.01.2013 um 23.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22433

Die Regelung von Prof. Ickler bezieht sich nur auf Zusammensetzungen, ist also auf Ableitungen wie x-fach, n-fach und deren Substantivierungen nicht anwendbar.

Prof. Ickler erlaubt sich hier - wohl auf Grundlage des beobachteten Usus - auch eine Ergänzung zum alten Duden, der nur i-Punkt und daß-Satz zuließ.

Andererseits ist die Unterscheidung zwischen „zitiert“ und „genannt“ recht fein und vielleicht nicht jedermann unmittelbar einleuchtend. Insofern war die alte Dudenregelung einfacher.

Außerdem könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß es einen „Punkt auf dem I“ gar nicht gibt, sondern nur einen “Punkt auf dem kleinen i/I“.

Eine weitere Abweichung (in anderem Zusammenhang) vom Duden ist, daß Prof. Ickler die zwei Schreibungen das x-fache und das X-fache zuläßt. Das ist wohl mehr als gerechtfertigt, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß die alte Dudenschreibung das X-fache einem eindeutig vorherrschendem Usus entsprochen hätte.

Rätselhaft erscheint mir dagegen die Icklersche Schreibung das n-Fache - und zwar ausschließlich so. Wahrscheinlich ist Prof. Ickler in seinen Textkorpora auch auf diese Schreibung gestoßen. Ich kann mir aber nur schwer vorstellen, daß das der ausschließliche Usus war.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.01.2013 um 03.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22434

Wer mag wohl auf die Schreibung Ellok gekommen sein? Sie bleibt gewissermaßen unter dem Duden-Radar.
 
 

Kommentar von BS, verfaßt am 23.01.2013 um 14.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22444

Wer "Ellok" erfunden hat, weiß ich natürlich auch nicht (muß schon in der Frühzeit des elektrischen Antriebs geschehen sein, ich kenne es schon aus Kindheitstagen), aber zu Zeiten, als noch nicht angelsächsische E-Mails, E-Books und E-Bikes üblich waren, hatte man wohl das Bedürfnis, analog zu Dampflok und Diesellok die Abkürzung "el. Lok" zu Ellok zusammenzuziehen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2013 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22445

Was die Substantivierung von "das n-Fache" angeht, so stand im alten Duden die Lösung unter "x-fach": "das X-fache". #22419

Ich habe den Eindruck, daß das X- und das N-fache nicht ganz analog gehen. Das X-fache wird, ähnlich wie das Zigfache, auch als Synonym für ein unbestimmtes Vielfaches benutzt, es hat nicht unbedingt etwas mit einer Variablen x oder X zu tun, daher die mögliche Großschreibung im unreformierten Duden. Das N-fache wird dagegen kaum so gebraucht. Beim n- und beim x-fachen liegt ein Produkt mit der Zahl n bzw. x vor, und so würde ich dann auch das N-fache sehen, als ein Produkt mit N, nicht n.

Daß das I-Tüpfelchen "ganz unmöglich" sei, möchte ich, wie gesagt, zurücknehmen, aber andererseits muß dann genauso auch t-förmig (für die Form eines T) erlaubt sein. Und ein X-Bein kann man ebenfalls damit begründen, daß das X nur genannt, nicht vorgeführt wird. Auf mich wirkt dieses "Nennen" jedoch etwas seltsam.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2013 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22446

Wie Herr Achenbach mit Recht feststellt, habe ich versucht, die knifflige Frage durch Beobachtung des Befundes zu lösen. Ob eine Regel einfach zu formulieren ist, kann nur ein Kriterium unter anderen sein, sie muß auch empirisch und intuitiv einleuchten. Die Reformer haben auch auf Einfachheit von Regeln bestanden, die gleichwohl nicht befolgt wurden und werden konnten, weil sie intuitiv nicht einleuchteten.

Inzwischen ist es aus den bekannten Gründen schwerer geworden, überhaupt noch eine aussagekräftige Empirie aufzutreiben. Ich werde auch nicht noch einmal neu damit anfangen. Aber ehrlich gesagt: das n-fache würde mich stören.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.01.2013 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22447

Vielleicht hängt es damit zusammen, daß alle Ziffern wenigstens noch eine Oberlänge haben (das 8fache), n und x jedoch nicht?
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 23.01.2013 um 22.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22448

Zu Herrn Riemer:

t-förmig ist selbstverständlich möglich, wenn die Form des "t" (nicht des "T") gemeint ist. "t" ist dann einfach eine Grafik genauso wie in #-Zeichen.

Was die Ziffern angeht, so haben diese nicht zwangsläufig Ober- bzw. Unterlängen, denn im anspruchsvollen Textsatz mit Mediävalziffern stehen 0, 1 und 2 nur im Mittelband.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.01.2013 um 23.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22449

Was mich an der ehem. Dudenschreibung das X-fache stört, ist daß es sich anscheinend um einen ganz isolierten Fall, um einen Solitär handelt, da der alte Duden keine Substantivierungen von n-fach, x-beliebig oder u-förmig angibt. Ob hier analog geschrieben werden sollte, blieb also offen.

Wohl noch mehr stört mich, daß der Duden keinerlei Begründung für die Großschreibung angab, sondern nur auf Regeln zum Bindestrich verwies. Eine Regel zur GKS, die diese odere andere Schreibungen rechtfertigen könnte, gibt es offenbar nicht. Bis heute verweist der Duden in den hier behandelten Fällen nur auf Bindestrichregeln, aus denen sich naturgemäß kein Aufschluß über die GKS ergibt.

Die Regel „Substantive schreibt man groß“ kann es jedenfalls nicht sein, denn sonst hätte der Duden nicht x-Achse und i-Punkt schreiben können.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.01.2013 um 23.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22450

Ich halte es für unverantwortbar, wenn Schüler in der Schule andere Schreibweisen aufgezwungen bekommen als diejenigen, die in technischen Berufen seit langer Zeit üblich und bewährt sind. Dann werden sie in der Lehre und in der Berufsschule ausgelacht werden, was sie fin der Schule ür einen Blödsinn gelernt haben. Die Technik wird ihre Schreibweisen jedenfalls nicht an die Schule anpassen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.01.2013 um 00.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22451

Lieber Herr Schaefer,
obwohl Sie sich ausdrücklich auf mich beziehen, schreiben Sie über etwas anderes. Interessiert hätte mich schon, was Sie zu meiner These bzgl. t-förmig meinen. Zwischen den Zeilen, wenn ich Sie recht verstehe, lehnen Sie diese ab. Dann wäre natürlich auch interessant, warum.

(Ich hatte t-förmig mit I-Punkt verglichen. Wenn man I als Name für i mit Punkt benutzen darf, obwohl I keinen Punkt hat, dann, so meine Ansicht, braucht auch das t nicht unbedingt die Form des T zu haben, um als Name für diese Form zu stehen. Fürs Adjektiv paßt eben klein besser, ebenso wie für ein Substantiv groß besser paßt.
Formverwechslungen sind wohl ausgeschlossen, denn wenn jemand [te:]-förmig sagt, meint er wohl so gut wie immer die Form des T.)
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 24.01.2013 um 07.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22455

Lieber Herr Riemer,

auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, gehören "t-förmig", "T-förmig" und "i-Punkt" in dieselbe Kategorie, während "I-Punkt" in eine andere gehört.

"I-Punkt" bedeutet "der Punkt auf dem Buchstaben I/i". "I" ist hier ein echter Buchstabe, d.h. es gibt die Möglichkeit, ihn groß oder klein zu schreiben. Weil es sich um ein Substantiv handelt, schreibt man das "I" groß.

Bei den anderen Beispielen wird auf der linken Seite des Bindestriches eine Grafik vorgeführt. Bei Grafiken hat man nicht die Wahl, sie groß oder klein zu schreiben, und wenn man es ganz genau nimmt, werden sie nicht einmal geschrieben, sondern gezeichnet (man sagt ja nicht: "Schreiben Sie einen Kreis"), auch wenn es in technischer Hinsicht dasselbe ist. Theoretisch wäre es bei "i-Punkt" denkbar, nur den Punkt vorzuführen und den Strich darunter wegzulassen, aber das ließe sich erstens schlecht lesen, und zweitens wüßte man nicht ohne weiteres, was gemeint ist. Es ist ähnlich wie mit "+-Zeichen" (Pluszeichen/Plus-Zeichen), und genausowenig wie man "%-Zeichen" schreiben kann, wenn man "Pluszeichen" meint, kann man statt "t-förmig" "T-förmig" schreiben, denn es sind zwei ganz verschiedene Grafiken, die auf unterschiedliche (außersprachliche) Formen verweisen.

Was wir ohne zu zögern als Buchstaben zu identifizieren glauben, sind zunächst einfach Grafiken (Wer könnte ohne entsprechenden Kontext bestimmen, ob o ein Kreis bzw. Oval oder ein Buchstabe ist?). Zu Buchstaben im eigentlichen Sinne werden sie erst im Rahmen eines Alphabets und eines Systems, innerhalb dessen die einzelnen Bestandteile des jeweiligen Alphabets zu Schreibsilben und dann zu Wörtern angeordnet werden. Die Groß- und Kleinschreibung gehört zum alphabetischen System, d.h. "a" und "A" sind Varianten eines Buchstaben. Welche der Varianten gewählt werden muß, hängt von den Konventionen (hier: Orthographie) der Einzelsprache ab, die mit Hilfe eines Alphabets verschriftet wird. Probleme wie die hier diskutierten entstehen, wenn innerhalb eines Schriftsystems die Buchstaben wieder ihre ursprüngliche Rolle als Grafik erfüllen sollen, wie das bei dreien der fraglichen Beispiele der Fall ist.

Bei den "X-Beinen" ist es demnach eigentlich egal, ob man sie auch "x-Beine" bzw. das Adjektiv "X-beinig" oder "x-beinig" schreibt, denn die außersprachliche Form ändert sich ja nicht, jedenfalls nicht in Antiqua, und die Grafik wird gleichsam nur vergrößert oder skaliert. Wenn man dennoch "X-Beine" und "x-beinig" schreibt, so vermutlich nur, weil der Unterschied zwischen Buchstabe und Grafik nicht für jedermann offensichtlich ist und die Lesbarkeit innerhalb eines Textes verbessert wird.

Was die von Herrn Achenbach genannte "x-Achse" angeht, so ist das wieder ein anderer Fall, denn es geht um die Variable "x", die unter die Formelzeichen fällt. Auch dieses "x" ist kein Buchstabe, denn es gehört in ein anderes als das alphabetische Schriftsystem, nämlich das der Konventionen für Formeln. Hier werden Grafiken verschiedenster Art (lateinische, griechische und andere "Buchstaben", Ziffern, Klammern, weitere Zeichen) nach bestimmten Regeln kombiniert. Was innerhalb eines alphabetischen Schriftsystems Varianten eines Buchstabens sind, wie etwa Minuskeln und Majuskeln, Antiqua- und Frakturversion, sind nach den Konventionen der Formelsprache(n) grundverschiedene Zeichen.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 24.01.2013 um 09.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22457

Herrn Achenbachs nachvollziehbare Bedenken bezüglich das X-fache hatte ich ganz vergessen.

Es scheint sich in der Tat um eine Einzelfestlegung zu handeln, deren Kniffligkeit erst dann deutlich wird, wenn man auch noch x-beliebig hinzunimmt. Sowohl der alte Duden als auch das amtliche Regelwerk (§ 40 (1)) drücken sich hier um eine eindeutige Aussage. Ist aber nicht auch "n-fach" ein Einzelfall? Gibt es nicht einen wenigstens graduellen Unterschied zwischen "x" und "n"?

Hier kann man wohl nur auf empirischer Grundlage entscheiden, wie es Herr Ickler gemacht hat, denn es handelt sich wirklich um eine harte Nuß, weil hier mehrere Probleme aufeinanderstoßen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.01.2013 um 10.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22458

Lieber Herr Schaefer,
besten Dank für die Erklärung, ich verstehe nun, wie Sie das meinen.
Aber woher wissen Sie so genau, wann ein i, I, t, T usw. eine Grafik und wann ein Buchstabe ist? Sie sagen einfach, i sei eine Grafik, weil der Punkt zu sehen ist, I sei aber keine, weil er nicht drauf ist. Könnte nicht i ebenso ein Buchstabe sein wie I?
Von T und t behaupten Sie, es seien beides Grafiken. Wie kommen Sie darauf? Wer t-förmig schreibt, meint nicht unbedingt die relativ komplizierte Grafik, sondern kann genausogut den Buchstaben t, T meinen. Der Buchstabe t, T steht dann als Name für die Grafik T. Wie unterscheiden Sie, ob t eine Grafik oder ein Buchstabe ist? Gibt es überhaupt konkrete Anwendungsbeispiele für eine Grafik t?
(Siehe: "Bilder zu t-Form", www.google.de)
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 24.01.2013 um 14.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22460

Ich schätze die Ausführungen von Hrn. Schaefer, meine jedoch, daß der Durchschnittsschreiber solche Überlegungen (bzgl. Grafik) nicht tätigt.

Meine simple Meinung dazu ist, alles was man über die Tastatur bzw. den entsprechenden Font erreichen kann, sind Symbole und keine Grafiken. Ein Symbol ist etwas, von dem man seine Bedeutung kennt und es daher entsprechend dieser Bedeutung einsetzt. Bei einem Teil der Symbole, den Buchstaben, gibt es Groß- und Kleinschreibung.

Die Entscheidung ob groß oder klein, treffe ich nach wie vor nach dem Prinzip: klein, es sei denn, es gibt einen besonderen Grund für groß, mit dem üblichen Nebenaspekt, im Zweifel klein. Damit findet man in allen hier diskutierten Fällen eine zufriedenstellende Lösung.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 25.01.2013 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22469

Lieber Herr Riemer, lieber Herr Strasser,

lassen Sie mich Ihre beiden Kommentare in einem Eintrag beantworten.

Als kompetente Muttersprachler haben Sie sozusagen immer recht, wenn Sie etwas so schreiben, wie Sie es schreiben, solange es Ihrem Sprachgefühl entspricht, selbst wenn es die Mehrheit vielleicht anders macht. Solche individuellen Abweichungen hat es immer gegeben und wird es immer geben. Vielleicht wird Ihre Schreibung von der Mehrheit akzeptiert, vielleicht nicht.

Aufgabe des Philologen ist es, vorhandene Texte zu analysieren, die Intententionen und Intuitionen der Sprecher bzw. Schreiber zu rekonstruieren und die gewonnenen Erkenntnisse zu verallgemeinern. Das gilt für jede im weiteren Sinne philologische Disziplin, egal ob es sich um Sprach-, Literatur-, Geschichts- oder Religionswissenschaft handelt. Herr Riemer fragt, woher ich weiß, daß in den fraglichen Fällen eine Grafik vorliege. Nun, es ist meine Theorie zu den beobachtbaren Tatsachen, wobei diese Theorie natürlich falsch sein kann, aber Herr Ickler, der noch viel größere Textbestände ausgewertet hat, und dies auch noch systematischer, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Noch ausführlicher und grundsätzlicher hat sich beispielsweise Christian Stetter mit dem Verhältnis von Grafiken und Buchstaben beschäftigt (auch unter Einbeziehung von asiatischen Schriftsystemen).

Bei Herrn Riemers Beispiel "t-förmig" usw. ergibt sich die Schlußfolgerung schon alleine aus semantischen Gründen, denn es wird ja explizit auf die äußere Form (=Grafik) Bezug genommen.

Vielleicht kann ich an dieser Stelle eine allgemeinere Theorie einbauen, die noch einmal systematisch erweitert und überprüft werden müßte, sich aber selbst dann als nicht ganz falsch erweisen dürfte.

Das lateinische Alphabet ist in seiner antiken und frühmittelalterlichen Form das wohl abstrakteste von allen Alphabeten, denn dessen Buchstaben bestehen nur aus geraden Strichen und Kreissegmenten, während alle anderen Alphabete, die aus der phönizischen Schrift hervorgegangen sind, zahlreiche "kalligraphische" Elemente enthalten (Hebräisch, Griechisch, Kyrillisch oder Georgisch). Die Reduktion auf einfachste geometrische Formen läßt die lateinische Schrift als besonders geeignet erscheinen, mit Buchstaben zu zeichnen, d.h. sie ihrer Funktion als Buchstaben zu berauben und statt dessen als Grafiken zu verwenden. Das war nicht immer so, denn wenn man sich beispielsweise die gebrochenen Schriften anschaut, so ist damit das "Buchstabenzeichnen" nicht im selben Maße möglich (man müßte einmal untersuchen, ob solches in Frakturtexten überhaupt gemacht wurde).

Herr Strasser erwähnte in seinem Kommentar die Tastatur und hat damit einen wichtigen Aspekt angesprochen, denn die Entwicklung der Schriftsprache wurde nicht zuletzt von technischen Möglichkeiten bestimmt. Verfolgt man die Schriftgeschichte vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart, so läßt sich als eine generelle Tendenz die Reduzierung des Zeicheninventars ausmachen: Gutenberg verwendete noch große Mengen von Ligaturen, positionsbedingten Buchstabenvarianten usw., aber zur Zeit Adelungs hatte sich dieses Inventar bereits stark verringert. Gegen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts beginnen weitere Ligaturen zu verschwinden (ck, st usw.), während nur wenige neue Varianten hinzukommen (Majuskeln für Umlautbuchstaben). Einen kaum zu unterschätzenden Einfluß dürfte dabei das Aufkommen der Schreibmaschinen, v.a. der Typenhebelschreibmaschinen, gehabt haben, die eine Reduktion des Zeicheninventars auf das Notwendigste erzwangen, so daß beispielsweise für das Deutsche die einzige überlebende Ligatur das ß war (in der Schweiz nicht einmal das). Mit dem Aufkommen der Schreibmaschine war natürlich auch das Vordringen der Antiqua-Schrift verbunden. Bis zum Fraktur-Erlaß der Nationalsozialisten blieb die Fraktur zwar die bevorzugte Brotschrift, aber als Akzidenzschrift und natürlich im amtlichen Schriftverkehr gewann die Antiqua spätestens seit der Weimarer Republik indes immer größere Bedeutung. Die Verbreitung der Schreibmaschine hatte u.a. zur Folge, daß Kenntnisse der Feinheiten des Schriftsatzes und zusätzlicher Schriftzeichen zum Spezialgebiet der Typographen und Schriftsetzer wurden. Die Schreibmaschine war gewissermaßen der Tiefpunkt der grafischen Textgestaltung und blieb auch nicht ohne Einfluß auf den Schreibunterricht, denn dort wurde ja praktisch nichts gelehrt, was sich nicht auf die Schreibmaschine abbilden ließ. Die Einführung von Textverarbeitungs- und Satzprogrammen hat daran nicht viel geändert, denn obwohl fast jeder ein Textverarbeitungsprogramm verwendet, nutzt kaum jemand dessen zwar immer noch primitive, aber dennoch gegenüber einer Schreibmaschine deutliche erweiterte typographische Funktionen. Im Grunde sind wir heutzutage immer noch Gefangene des Jahrhunderts der Schreibmaschine.

Wozu dieser Exkurs? Nun, die Schreibenden scheinen aus der Not eine Tugend gemacht zu haben und die Nachteile der primitiven nichtproportionalen Glyphe zu ihrem Vorteil genutzt zu haben, indem sie einfach die typographisch anspruchslosen Buchstaben zu Grafiken umfunktionierten. Es erscheint im nachhinein fast wie eine Ironie der Geschichte, daß unter dem Einfluß der Schreibmaschine vieles aus dem orthographischen Register ins typographische verschoben wurde, während gleichzeitig die Intuition und Kreativität der Schreibenden aus der typographischen Unzulänglichkeit der mechanischen Schreibhilfen neue Möglichkeiten schuf, die wiederum Eingang in die Orthographie fanden, nämlich in den Fällen, die wir hier diskutieren.

Abschließend möchte ich noch zwei Aspekte aus den Einträgen von Herrn Strasser und Herrn Riemer kommentieren:

1) Was den Google-Link von Herrn Riemer angeht, so ist dieser nicht aussagekräftig, denn Google sucht in der Grundeinstellung nach Zeichenkombinationen, und zwar ohne Rücksicht auf Minuskeln und Majuskeln. Die Suche liefert daher ausschließlich Beispiele für "T-Formen". (Wer hätte übrigens gedacht, daß eine solche Suche massenhaft Abbildungen von Reizwäsche liefert? Man lernt doch nie aus!). Wenn man aber "T-Form" ausschließt, findet Google überhaupt nichts, so daß man die "t-Form" eher als theoretische Möglichkeit (wie "ä-Form") bezeichnen muß.

2) Herr Strasser verwendet den Begriff "Symbol", der mir in diesem Zusammenhang als problematisch erscheint. Vielleicht finde ich die Zeit, dies in einem weiteren Kommentar zu erläutern.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 25.01.2013 um 08.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22470

Nochmals zu einer Bemerkung von Herrn Strasser:

Ich [...] meine jedoch, daß der Durchschnittsschreiber solche Überlegungen (bzgl. Grafik) nicht tätigt.

Natürlich nicht! Wie im vorigen Beitrag angedeutet, ist das eine Rekonstruktion der sprachlichen Intuition und Intentionen. Der durchschnittliche Sprachanwender überlegt ja auch nicht, wann er den Dativ anwenden muß oder welche Deklinationsreihe "zur Anwendung kommt", wenn er den Plural bildet.

Ein echter Philologe wird die Intuitionen und Intentionen einer Sprachgemeinschaft (d.h. von Menschen) akzeptieren und ihnen mit dem gebührenden Respekt begegnen. Den Reformern fehlte dieser Respekt bekanntlich, und das ganze Ausmaß ihrer Menschenverachtung zeigt sich darin, daß sie die kollektive Leistung einer Sprachgemeinschaft, wie sie schlecht und recht im Duden beschrieben war, in eine Verwaltungsvorschrift umdeuteten, die man nach Belieben verändern könnte. Das Ergebnis war, wie die Herrschaften ja selbst zugegeben haben, "notwendigerweise vollkommen kontraintutiv" (vgl. den 3. Bericht der ZK der KMK). Es ist wirklich ein Jammer, daß die deutsche Schriftsprache solch abgestumpften Technokratenseelchen und Misanthropen anheim gefallen ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.01.2013 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22471

Lieber Herr Schaefer,
sowieso immer recht zu haben ist mir hier natürlich nur ein schwacher Trost, ich möchte schon einigermaßen mit dem aktuellen Wissenschaftsstand übereinstimmen. Deshalb vielen Dank für Ihre sehr ausführlichen und interessanten Ausführungen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 25.01.2013 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22472

Einen kaum zu unterschätzenden Einfluß dürfte dabei das Aufkommen der Schreibmaschinen, v.a. der Typenhebelschreibmaschinen, gehabt haben, die eine Reduktion des Zeicheninventars auf das Notwendigste erzwangen, so daß beispielsweise für das Deutsche die einzige überlebende Ligatur das ß war (in der Schweiz nicht einmal das). Mit dem Aufkommen der Schreibmaschine war natürlich auch das Vordringen der Antiqua-Schrift verbunden.

Lieber Herr Schaefer, vielen Dank für Ihren lehrreichen Exkurs. Auch wenn es noch etwas weiter vom Thema wegführt, stellt sich mir die Frage, wie zwingend die Reduktion des Zeicheninventars einer Schreibmaschine war. Klar ist, daß sich die Zahl der Typenhebel nicht beliebig vermehren läßt. Aber schon mit der Erweiterung jeder Tastenreihe um nur einen Hebel wären acht zusätzliche Zeichen verfügbar gewesen.

Die geringfügig einfachere Mechanik einer Maschine mit Antiqua-Lettern kann kaum der einzige Grund gewesen sein, sie vorzuziehen. Den Hauptgrund vermute ich deshalb in der Form der Lettern selbst. In Antiqua ist auch ein zweiter oder sogar dritter Durchschlag noch lesbar, in Fraktur dürften z.B. ein f und ein Spazierstock-s allenfalls auf dem Originalblatt gut voneinander zu unterscheiden sein. Und die Möglichkeit, im selben Arbeitsgang eine (begrenzte) Zahl von Kopien herzustellen, war schließlich der Grund, bestimmte Texte nicht mehr von Hand, sondern auf Maschine zu schreiben.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 25.01.2013 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22479

Mir scheint das Reden von Grafik verdunkelt nur unnötig eine einfache und jedermann verständliche Sache. Zunächst einmal ist jeder geschriebene/gedruckte Buchstabe eine Grafik.

Nun gibt es eine Klasse von Wortbildungen mit Einzelbuchstaben, die Ihre Bedeutung aus der Gestalt des verwendeten Buchstaben beziehen. Bei den meisten Buchstaben unterscheiden sich Groß- und Kleinschreibung durch ihre Gestalt. Folglich ist nur die Benutzung einer der Varianten möglich - unabhängig von der Wortart: T-Stück, L-förmig. Dies allein zeigt schon, daß die Anwendung der üblichen GKS-Regeln auf solche Bildungen nicht allgemein möglich ist.

Einige wenige Buchstaben unterscheiden sich allerdings in Groß- und Kleinschreibung nicht in der Gestalt, sondern nur in der Größe, so x-X, o-O. Da es nur auf die Gestalt ankommt, ist es an sich unerheblich, ob man Groß- oder Kleinschreibung verwendet und X-Beine oder x-Beine schreibt.

Der Duden folgt aber hier anscheinend einer Konvention, wonach er die Einzelbuchstaben bei Substantiven groß, sonst klein schreibt: X-Beine, x-beinig; O-Form, o-förmig. Das ist nicht zwingend, aber möglich und vielleicht gefälliger, da scheinbar den GKS-Regeln folgend. Allerdings hat der Duden dazu m.W. keine ausdrückliche Regel aufgestellt.

Nun unterscheiden sich I und i ebenfalls in der Gestalt und gehören daher in dieselbe Klasse, auch wenn der Fall grafisch etwas anders gelagert ist als etwa l-L. Infolgedessen ist es folgerichtig, ja geradezu zwingend, wenn der Duden i-Punkt schreibt und als „Punkt auf dem i“ definiert. Er schreibt auch i-Dötzchen, obwohl der Zusammenhang mit dem i-Punkt hier nicht so offenkundig ist.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.01.2013 um 06.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22482

Lieber Herr Bärlein,

da ich kein Fachmann für Schreibmaschinengeschichte bin, nehme ich einfach an, daß man den Zeichensatz so weit wie möglich reduziert hat, um Produktionskosten zu sparen (mehr Tasten und Hebel = zusätzliche Kosten). Vielleicht hatte es aber auch mit Ergonomie zu tun.

Was das Problem Fraktur/Antiqua angeht, so sind Sie vermutlich auf der richtigen Spur. Aus meiner Sicht stellt sich die Sache so dar: Die Fraktur (egal welche Familie) ist eine reine Brotschrift. Für den Akzidenzdruck taugt sie nicht so recht, und schon bei Titeln und Überschriften bleibt einem nur eine größere Type und/oder ein fetter Schnitt. Reine Versalschreibung ist in Fraktur eine typographische Sünde und nur schwer lesbar. Beim Mengensatz halte ich die Fraktur indes in Sachen Lesefreundlichkeit für unschlagbar. Das liegt m.E. erstens an den unterschiedlichen Strichstärken (darunter sehr feinen), von denen die Fraktur ausgiebigst Gebrauch macht (auch die guten unter den modernen Antiquaschriften für Mengensatz, beispielsweise Bembo, Garamond oder Minion, verwenden diese so weit wie möglich). Zweitens erlaubt es die Fraktur aufgrund ihrer vertikalen Orientierung, die Buchstaben eng zusammenzurücken, und die Punzen sind kleiner, so daß die Worterkennung besser funktioniert als in Antiqua. Nebenbei spart ein in Fraktur gesetzter Text jede Menge Platz (und damit Papier) im Vergleich zur Antiqua.

Diese beiden Eigenschaften machen die Fraktur jedoch für Schreibmaschinen vollkommen ungeeignet. Um die verschiedenen Strichstärken angemessen wiedergeben zu können, müßte eine Schreibmaschine einen einigermaßen gleichen Druck der Typenhebel und einen gleichmäßigen Farbauftrag garantieren. Beides war jedoch erst mit elektrischen Schreibmaschinen möglich, zu einer Zeit also, da die Fraktur längst ein Nischendasein führte. Noch gravierender ist aber die Tatsache, daß man eine Schreibmaschine benötigte, die in der Lage ist, Buchstaben proportional zu setzen, denn ein nichtproportinal gesetzter Fraktur-Text läßt sich eher schlecht lesen und sieht auch ziemlich häßlich aus. Zwar gab es tatsächlich einmal Schreibmaschinen, die das konnten, aber die kamen ebenfalls zu spät (60er Jahre) und waren auch sehr teuer. Kurzum: die Fraktur ist eine reine Druckschrift für den Mengensatz, ansonsten ist die Antiqua praktischer, robuster und vielseitiger. Im Grunde genommen böte die heutige Zeit mit ihren ausgefeilten Textsatz-Algorithmen und OpenType-Technologie das ideale Umfeld für den Fraktur-Einsatz, aber dieser Zug ist abgefahren, woran auch Judith Schalansky nichts ändern wird (vgl. http://www.fraktur-mon-amour.de/de/).

Das ist natürlich keine annähernd vollständige Erklärung für den Rückzug der Fraktur (da gab es, wie Sie wissen, noch wichtigere Faktoren), sondern lediglich der Versuch, die Untauglichkeit der Fraktur für den Einsatz in Schreibmaschinen zu erläutern.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.01.2013 um 06.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22483

Lieber Herr Achenbach,

Ihrem Einwand wäre zuzustimmen, wenn es darum ginge, einfach nur Regeln für Anwender zu schreiben, ohne sich dafür zu interessieren warum etwas so ist, wie es ist. Es gibt jedoch auch Menschen, die mehr wissen möchten und sich mit den Grundlagen unserer Schrift, Orthographie und Typographie philologisch befassen. Da helfen grundsätzliche Überlegungen sowie Schriftgeschichte durchaus weiter, denn erst dann wird ein tieferes Verständnis des Schriftsystems möglich, das ist genauso wie bei der Grammatik. Würden Sie auch sagen, daß die Beschäftigung mit der Grammatik sprachliche Äußerungen "unnötig verdunkle"?

Wenn man erst einmal begriffen hat, wie raffiniert das System der Alphabetschrift von seiner ganzen Anlage her ist, dann wird man sich dem Thema nicht mit technokratischer Wurschtigkeit (wie die Reformer) nähern, sondern gewaltigen Respekt zeigen: Respekt vor den Leistungen früherer Jahrhunderte und Respekt vor den Schulkindern, die innerhalb kurzer Zeit eine jahrhundertelange kulturelle Entwicklung nachvollziehen und, ohne sich dessen bewußt zu sein, eine gewaltige Abstraktionsleistung vollbringen – eigentlich ein kleines Wunder, zumal wenn man bedenkt, daß ja gleichzeitig auch noch die Motorik trainiert werden muß.

Außerdem wird einem erst dann bewußt, wie dümmlich die Reformer die Sache angegangen sind, indem sie beispielsweise ohne mit der Wimper zu zucken in ihr Regelwerk geschrieben haben, das Schreiben in der Alphabetschrift sei ein Spiegelbild des Aneinanderreihens von "Lauten" in der gesprochenen Sprache, was ja in beide Richtungen falsch ist, und den Rest als Gegenstand staatlicher Erlasse behandelten. Das ist nicht nur dumm, sondern auch unangemessen und respektlos.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.01.2013 um 06.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22484

Noch ein Nachtrag zum Zeichnen mit Buchstaben: In jüngerer Zeit haben sich die sog. Emoticons etabliert, die ebenfalls mit dem primitiven Schreibmaschinensystem auskommen, es vielleicht sogar voraussetzen, denn die Nichtproportionalität stellt den notwendigen Abstand zwischen den Einzelzeichen sicher: http://de.wikipedia.org/wiki/Emoticon
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 27.01.2013 um 19.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22493

Lieber Herr Schaefer,

mein Beitrag war nicht als „Einwand“ gegen Ihre sehr interessanten Beiträge über die „Grundlagen unserer Schrift, Orthographie und Typographie“ gedacht.

Allerdings habe ich schon begriffliche Probleme mit Ihrer Unterscheidung zwischen „echtem Buchstaben“ und „Grafik“. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß diese Unterscheidung erklären kann, warum es zu Schreibungen wie i-Punkt oder I-Punkt kommt – ob bewußt oder unbewußt für den Schreiber.

Eigentlich müßten wir zuerst klären, was ein „Buchstabe“ ist. Sind I und i zwei verschiedene Buchstaben oder unterschiedliche Darstellungen einunddesselben Buchstabens? Oder ist ein „Buchstabe“ überhaupt ein Abstraktum, dem verschiedene phonetische und grafische Realisierungen entsprechen können?

Ich meine eher, daß es sich mit i-Punkt und I-Punkt ganz banal verhält. Der gewissenhafte Schreiber steht hier vor einem Dilemma: einerseits scheint i-Punkt der Großschreibung von Substantiven zu widersprechen, andererseits fehlt dem I-Punkt der fragliche Punkt. Das war seit jeher ein Problem, und ich vermute, daß der Duden viele Zuschriften zu dieser Frage erhalten hat - erst recht zu i-Dötzchen. Insofern kommt der Duden mit seiner Konvention X-Beine aber x-beinig solchen Schreibern entgegen, auch wenn diese Konvention nur begrenzt anwendbar ist.

Ähnlich verhält es sich mit Abkürzungen. Eine Google-Suche ergibt die Schreibung km-Stand, Km-Stand und KM-Stand sowie auch Getrenntschreibungen wie km Stand usw.

Daher hat es wohl seit jeher neben i-Punkt auch die Schreibung I-Punkt gegeben, und Prof. Ickler hat daher vom empirischen Standpunkt recht, letztere Schreibung aufzuführen. Allerdings ergeben sich Probleme, beide Schreibungen in eine konsistente und verständliche Regel zu gießen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der normale Schreiber mit Unterscheidungen wie „echter Buchstabe“ und „Grafik“ oder „zitiert“ und „genannt“ viel anfangen kann.

Ein Problem mit I-Punkt besteht übrigens noch darin, daß in serifenlosen Schriften (z.B. Arial) zwischen kleinem I und kleinem L gar nicht unterschieden wird.

Noch zwei Nebenbemerkungen:

Obwohl Adjektive im allgemeinen klein geschrieben werden, scheinen Schreiber mit T-förmig kein vergleichbares Problem zu haben wie mit i-Punkt.

Der Duden scheint sich mit anderen Symbolen als Buchstaben überhaupt nicht zu befassen. Da eine Verwechslung mit Buchstaben ausgeschlossen ist, wäre es naheliegend, wie bei Ziffern ohne Bindestrich zu schreiben: @Symbol, +Zeichen. Andererseits könnte man aber auch wegen des kategoriellen Unterschieds von Buchstabe und sonstigem Symbol einen Bindestrich vorziehen. Dann wäre aber +-Zeichen etwas problematisch.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.01.2013 um 19.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22496

Sobald es um die Schreibung physikalischer Größen geht, ergibt nur der Blick in eine Formelsammlung die richtige (genormte) Schreibweise. Googeln oder andere Mehrheits-Üblichkeiten sind nicht hier maßgebend. Oder dürfen Germanisten sich anmaßen, den Physikern Vorschriften zu machen oder für Deutschland andere Schreibweisen als die international vereinbarten zu verlangen?
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 28.01.2013 um 08.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22497

Lieber Herr Achenbach,

meine Antwort war nicht als Widerrede gegen Ihren Kommentar gemeint, sondern lediglich als Begründung für meinen Exkurs.

Die Frage, was eigentlich ein Buchstabe ist, gehört zu den hochinteressanten der Schriftforschung, weil sie zum Verständnis der Funktionsweise der Alphabetschriften beiträgt.

In gewisser Weise ist ein Buchstabe tatsächlich ein Abstraktum, ganz ähnlich wie ein Phonem in der gesprochenen Sprache. Wie erwähnt, wird eine von allen anderen hinreichend unterscheidbare geometrische Form (in vorherigen Beiträgen als "Grafik" bezeichnet; ich war hier um der Kürze willen bewußt unscharf) an einer bestimmten Stelle im Alphabet eingeordnet. Theoretisch ließe sich die geometrische Form durch eine Zahl ersetzen, also z.B. die Stelle im Alphabet: A = 1, B = 2 usw. (primitive Verschlüsselungstechniken gehen so vor). Nun haben wir das Problem mit der Doppelung, d.h. Groß- und Klein-"Buchstaben". Sind das verschiedene Buchstaben oder nur einer? Eine knifflige Frage, aber ich meine, es handelt sich tatsächlich um einen einzigen Buchstaben, und dafür sprechen sowohl die Schriftgeschichte als auch die Praxis:

1) Die Position im Alphabet ändert sich nicht durch Groß- und Kleinschreibung (auch in der Sortierung von Lemmata in Wörterbüchern spielt sie keine Rolle).

2) Die Römer kannten überhaupt keine "Kleinbuchstaben", im Mittelalter hat man überwiegend "klein" geschrieben und Großbuchstaben auf Kapitel- oder Absatzanfänge beschränkt.

3) Wir können Klein- und Großschreibung teilweise beliebig austauschen: "EILMELDUNG!" "Eilmeldung", "+++eilmeldung+++". Außerdem gibt es da noch die Kapitälchen ...

4) Wenn etwa die Wahl zwischen "im Trüben fischen" und "im trüben fischen" freisteht, kann man dann wirklich sagen, hier würden zwei verschiedene Buchstaben stehen? Was ist mit dem Morsealphabet, das auf dem Buchstabenalphabet beruht, aber keine Großschreibung kennt?

Man könnte Groß- und Kleinbuchstaben wohl als – immer noch abstrakte – Untermengen des Abstraktums "Buchstabe" betrachten:

Buchstabe(Majuskel)
Buchstabe <
Buchstabe(Minuskel)

Was wir in den verschiedensten Formen und reichhaltigeren Kombinationen (z.B. Ligaturen, diakritische Zeichen) vor uns sehen, sind hingegen Glyphe, d.h. konkrete Grafiken, die den geometrischen Abstrakta hinreichend nahe sind, um als Buchstaben identifiziert werden zu können.

Meine Herangehensweise ist übrigens eine etwas andere als die traditionelle, die zwischen Graph und Graphem unterscheidet, was wohl daran liegt, daß ich mich dem Thema aus der Sicht der Schriftgeschichte und Typographie, inkl. Computertypographie, nähere.

Für die Praxis ist das alles belanglos, da haben Sie völlig recht, aber das war ja nicht der Anlaß für meinen Exkurs, und die Überlegungen der Grammatiker sind für die alltägliche Sprech- und Schreibpraxis im gleichen Maße ohne Bedeutung. Ebenso ändern sich politische oder gesellschaftliche Bedingungen, ohne sich um die Analysen von Historikern, Politologen oder Soziologen zu kümmern usw.

Was @-Symbol oder +-Zeichen angeht, so müßte man, wenn schon, @zeichen und +zeichen schreiben, aber beide Zeichen stammen aus einem anderen Zeichenregister, so daß die Bindestrichschreibung naheliegt. @ ist zwar aus paläographischer Sicht ein Abkürzungszeichen für Buchstaben, gehört aber heute in den außeralphabetischen Bereich der Computerzeichen. Beide Bestandteile der Zusammensetzung sind also semiotisch verschieden. Das gilt zwar auch für Ziffern, und wenn man das Kriterium der Vorlesbarkeit zugrundelegt, dann müßte man "+zeichen" akzeptieren, aber es ist eben nicht üblich. Außerdem kann man das "+" ohne weiteres dem Formelsprachenregister zurechnen, für das auch der Duden die Bindestrichschreibung vorsah. Ganz so dumm war das "dümmste Buch" nun doch nicht. Das größte Problem bei +-Zeichen ist eigentlich, daß der Bindestrich sich nicht sichtbar vom –Zeichen ("Minuszeichen", noch blöder) unterscheidet. Zum Glück kann man das alles ausschreiben.

Im übrigen sollten wir nicht vergessen, daß der Tagebucheintrag von Ziffern und Zahlwörtern handelt. Sind wir uns einig, daß die herkömmliche Schreibung letzterer einfacher ist als die reformierte?

P.S.: In qualitativ hochwertigen serifenlosen Schriften lassen sich I und l sehr wohl unterscheiden, denn das I zeigt in diesen eine größere Strichstärke und eine geringere Oberlänge. Die "Arial" gehört aber nun wirklich nicht in diese Kategorie.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.01.2013 um 10.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22498

Dann möchte ich ebenfalls niemandem widersprechen und nur etwas ergänzen. Ich finde, daß die einheitliche Aussprache von Groß- und Kleinbuchstaben auch dafür spricht, daß es sich bei dem jeweiligen Paar um einen einzigen Buchstaben handelt.

Was berechtigt uns eigentlich, das Wort T-förmig / t-förmig als [te:]-förmig auszusprechen? Schließlich sind es hier Grafiken, keine Buchstaben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.01.2013 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#22499

Entschuldigung, T-förmig und t-förmig sind natürlich nicht ein, sondern zwei Wörter – Homophone.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.04.2013 um 11.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#23071

Heute fiel mir noch ein Text auf, der sehr viel übersichtlicher geraten wäre, hätte man durchgehend Ziffern benutzt:

Schwarz-Gelb verteidigte nach der Forsa-Umfrage die dritte Woche hintereinander seine Mehrheit von 47 Prozent, die sich aus 42 Prozent für die Unionsparteien sowie fünf Prozent für die FDP speist.  Gemeinsam kämen SPD, Grüne und Linke laut der repräsentativen Umfrage derzeit nur auf 44 Prozent. Die SPD profitiert laut Forsa von ihrem jüngsten Parteitag und legt um einen Prozentpunkt auf 23 Prozent zu. Grüne und Linke verlieren demnach je einen Prozentpunkt und kommen auf 14 beziehungsweise sieben Prozent.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 26.04.2013 um 19.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#23073

Der Redakteur oder Korrektor hat den typischen Anfängerfehler gemacht, die Setzerregel "Zahlen bis zwölf in Wörtern, darüber in Ziffern" stur anzuwenden, statt sie der Regel "Bei Zahlangaben gleicher Ordnung einheitlich entweder Ziffern oder Zahlwörter" unterzuordnen. Ein Profi hätte hier die Prozentangaben durchgehend in Ziffern geschrieben, wohl aber "die dritte Woche" (und nicht etwa "die 3. Woche").
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.04.2013 um 22.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#23075

Fragt sich nur, ob die heutigen "Setzer" diese Regel noch kennen, oder ob sie überhaupt noch zum erlernten Handwerkszeug gehört.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2013 um 06.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#24259

Nach Ansicht mancher Schrifttheoretiker sind Ziffern wie 2 „unmittelbar auf die semantische Ebene bezogen“ (Oliver Rezec: Zur Struktur des deutschen Schriftsystems. Diss. München 2009; PDF-Datei, ca. 12 MB; hier S. 22f).

Also Ideogramme. Über den mathematischen Gebrauch kann ich nichts sagen, aber in der Allgemeinsprache sind die Ziffern sehr wohl zunächst auf die gesprochene Sprache bezogen, denn sie haben eine Leseaussprache, die für jede Sprache eine andere ist. Ein Vorfahrtsschild wirkt als wortlose Form, aber die Aufschrift "Kein Durchgang" wird zunächst gelesen. So auch die Ziffern als praktische Abkürzung gesprochener Zahlwörter. Freilich ohne "Graphem-Phonem-Zuordnung", eher wie die chinesischen Schriftzeichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2014 um 04.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#25530

Das Internet vergißt nichts, und so steht immer noch da, was Lepenies 2003 in der ZEIT geschrieben hatte:

hundert Tausende von Abiturienten

Man kann aus dem Regelwerk nicht ableiten, daß das falsch war oder ist, auch wenn es sich nicht eingebürgert hat. Über Reformschäden in der ZEIT freuen wir uns besonders, weil dieses Blatt nicht wie die meisten anderen gedankenlos mittrottete, sondern durch Dieter Zimmer auf den Kurs der Kultusminister gebracht worden ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.09.2014 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#26773

Es geht um die Zehntausenden koreanischen Sexsklavinnen, die von der japanischen Armee in Frontbordelle verschleppt worden sind. (FAZ 16.9.14)

Die Deklinationen solcher Wortgruppen mit Zahlwörtern, die (auch) substantivisch verstanden werden können, bleibt schwierig, vor allem nach Aufgabe des partitiven Genitivs.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2015 um 18.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#28135

Eine Millionen waren beim Arzt titelt Focus über die Grippewelle. Sick hatte diese sonderbare Ausdrucksweise auch schon mal bemerkt. Inzwischen ist sie eine Massenerscheinung geworden. Jan Fleischhauer schreibt fast regelmäßig so.

Übrigens kann man wohl kaum sagen, die Grippe habe "Deutschland fest im Griff". 18.000 Fälle sind ja nicht einmal einer auf 4.000 Einwohner.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.09.2015 um 05.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#30087

Die Abgaswerte bei VW betrugen das 35-Fache bzw. 25-Fache der Laborergebnisse. Diese Großschreibung nach dem Bindestrich sowie der Bindestrich selbst sind 2006, aber noch nicht 1996 fakultativer Bestandteil der Reformschreibung; es scheint aber keine Regel zu geben, auf die sich die Neuerung berufen könnte.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.01.2016 um 18.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#31109

Bisher hatte Tuniberg Express pro Jahr Sc- häden[!] von mehreren Tausend Euro - jetzt sind es keine Hundert Euro mehr.
(Süddeutsche Z., 24.12.2015, S. 29)

Die Mehrzahl 'sind ... keine' beweist, daß das Zahlwort danach nicht substantiviert wurde. Die Großschreibung wurde wohl von dem vorhergehenden Substantiv 'Tausend' beeinflußt.

Das ist eine Folge der Reform. Herkömmlich darf 'Tausend' in diesem Satz auch als Zahladjektiv verstanden und somit klein geschrieben werden, was ich in solchen Fällen meist für besser hielte.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.01.2016 um 00.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#31110

Ich sehe gerade, der reformierte Duden empfiehlt zwar "mehrere Tausend Büroklammern", läßt aber auch Kleinschreibung "mehrere tausend B." zu. Die Empfehlung finde ich nicht gut.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2016 um 03.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#31111

Man könnte zusätzlich geltend machen, daß das Tausend nicht so oft und auch grammatisch nicht in gleicher Weise gebraucht wird wie das Dutzend. Vgl. Ich brauche tausend Büroklammern, aber *Ich brauche dutzend Büroklammern. Das spricht gegen Großschreibung von tausend und gegen Kleinschreibung von Dutzend.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 22.09.2016 um 08.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#33357

Noch eine Bindestrichkomplikation: Um Platz zu sparen (z.B. in Beschriftungstäfelchen in Museen), kürzt man den "Den Dreißigjährigen Krieg" gerne als "30jährigen Krieg" ab, jedenfalls in herkömmlicher Orthographie.

Die Reform hat die richtige Zahlen-Text-Kombination jedoch zu einer extrem schwierigen Aufgabe gemacht, denn die Reichweite der Bindestrichregelung ist nicht klar. Zunächst einmal erkennt die Reform die Großschreibung "Dreißigjähriger" für das historische Ereignis an. Für die Schreibung mit Zahlen gibt es nun m.E. vier Optionen, wobei das ARW dazu schweigt, welche richtig ist:

1) "30jähriger Krieg" – laut ARW nicht zulässig, könnte aber als "fachsprachlich" gerechtfertigt werden.

2) "30-jähriger Krieg" – läge nahe, aber wegen der eingeführten Binnengroßschreibung bei "der 18-Jährige" usw. böte sich u.U. auch

3) "30-Jähriger Krieg" an.

4) Analog zu "II. Weltkrieg" könnte man auch mit römischen Zahlen operieren: "XXX-jähriger Krieg" – zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht als reductio ad absurdum ein Ausweg aus dem Dilemma.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2017 um 19.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#34389

Gelbfieber-Ausbruch: Brasilien beklagt bereits duzende Tote (Focus online 23.1.17)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2018 um 09.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#39252

Zu den unerledigten Aufgaben gehört nicht nur Mal, mal, -mal, sondern auch die ungemein häufig auftretende Frage nach dem Bindestrich hinter Ziffern.
Regeln (amtlich und Duden) sowie die zu spärlichen Beispiele lassen sich nicht in Übereinstimmung bringen. Die amtlichen Regeln können sich um eine Lösung drücken, der Duden nicht.

Duden:

"-tägig (Suffix)
mit Ziffer 6-tägig (Regel 29)

Regel 29:
Der Bindestrich kann zur Hervorhebung einzelner Bestandteile in Zusammensetzungen und Ableitungen verwendet werden, die normalerweise in einem Wort geschrieben werden.

(Duden spricht dann noch von „Zusammenbildungen“, einem sprachhistorischen Begriff, den das amtliche Regelwerk nicht kennt; s. u.)

Amtl. Regelwerk § 40:

(3) Zusammensetzungen mit Ziffern, zum Beispiel:
3-Tonner, 2-Pfünder, 8-Zylinder; 5-mal, 4-silbig, 100-prozentig, 1-zeilig, 17-jährig, der 17-Jährige
(...)

Vor Suffixen setzt man nur dann einen Bindestrich, wenn sie mit einem Einzelbuchstaben verbunden werden.
Beispiele:
der x-te, zum x-ten Mal, die n-te Potenz
E: Aber: abclich, ÖVPler; der 68er, ein 32stel, 100%ig

-
Hier werden also zeilig, jährig (was noch?) als Wörter behandelt, von denen die Suffixe abgehoben werden; „Zusammenbildung“ kommt nicht vor.

Dieser Zustand herrscht seit 22 Jahren.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 04.08.2018 um 02.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#39261

Ich habe hier nur die 2006er Ausgabe des Duden vorliegen. Dort heißt es in K 29: "Ein Bindestrich steht in Zusammensetzungen mit einzelnen Buchstaben und Ziffern § 40 1 u. 3."


Hat sich da mittlerweile etwas geändert?

Zur Frage "Was noch?": ...tonner, ...türig usw. (Wörterverzeichnis) sind enthalten, ...spännig bzw. ...Spänner aber nicht.

Der Duden verweigert aber ebenso wie die "amtliche" Regelung nach wie vor die Auskunft darüber, wie es Fällen wie "Siebenjähriger Krieg" auszusehen hat: 7-jähriger oder 7-Jähriger Krieg? Niemand weiß es, und der Duden stiehlt sich aus der Affäre.


Aus gegebenem Anlaß noch ein Wort zur reformhörigen Wikipedia. Der Artikel "Zusammenbildung" (https://de.wikipedia.org/wiki/Zusammenbildung) hält fest: "Man kann diese Wörter nicht einfach als Determinativkomposita interpretieren, da es die Lexeme *„äugig“, *„wangig“, *„gräber“ (im Sinne von jemand, der gräbt) nicht gibt."

"äugig" gibt es so wenig wie "jährig" oder "türig", aber das ficht die "Entscheider" wohl nicht an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2018 um 04.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#39262

Mein Zitat aus dem Online-Duden. Die gedruckten Duden und andere Wörterbücher habe ich weggeworfen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2019 um 06.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#41459

Zu 8-jährig: Das amtliche Wörterverzeichnis enthält weder jährig noch jährlich (!) als eigene Wörter.
Wenn es jährig überhaupt noch gibt (https://www.dwds.de/wb/j%C3%A4hrig), ist es so selten, daß man es kaum als Ausgangspunkt für die unzähligen Zusammensetzungen mit Zahlwörtern nehmen möchte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2021 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#45168

Hier noch ein aktuelles Beispiel (s. Haupteintrag):

Demnach kostet eine Dosis des Moderna-Impfstoffs umgerechnet rund 15 Euro, eine von BioNTech/Pfizer zwölf Euro, eine von AstraZeneca nur 1,78 Euro.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2022 um 06.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#49211

Zur Schreibweise von Zahlen: In mathematiknahen Verwendungen sollte man Zahlen als Ziffern schreiben, also nicht nach der alten Buchdruckerregel „zehn bis 14 Prozent“ (oder gar „%“). Dagegen wird man nicht so gut finden: „3 Sonnen sah ich am Himmel stehn“, „14heiligen“ usw. Das kann sich aber auch noch entwickeln. Die Chinesen haben das Problem nicht, unterscheiden aber auch z. B. bei "zwei" zwischen "er" und "liang", je nach Kontext.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.06.2022 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#49215

Die Chinesen haben das Problem nicht? Ich kann nur bruchstückhaft Chinesisch, aber haben sie nicht genau wie wir die Möglichkeit, Zahlen in arabischen Ziffern oder in Han-Zeichen zu schreiben? Also z. B. (hier in der lat. Umschrift) 1 oder yi, 2 oder er, 3 oder san usw.? Natürlich benutzen sie in nichtmathematischen Texten genau wie wir für kleine Zahlen kaum Ziffern. Gibt es trotzdem noch einen Unterschied?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2022 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#49216

Da haben Sie auch wieder recht, ich hatte den neuen Brauch der arabischen Ziffern nicht berücksichtigt, aber er ist im heutigen Chinesischen allgegenwärtig. Aber er, san usw. sind zugleich Zahlzeichen und Zahlwort, nicht wahr? Man kann sie nicht "ausschreiben".
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.06.2022 um 15.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#49218

Zahlzeichen und Zahlwort, ja, für einstellige Zahlen. Meines Wissens wäre es ganz und gar unüblich, z.B. eine Uhrzeit, einen Warenpreis oder irgendeine kompliziertere Zahl, Brüche usw. mit Zahlzeichen, also Han-Zeichen, zu schreiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.03.2023 um 15.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1442#50718

Temperaturen zwischen zehn und 20 Grad (Wetterbericht in der Zeitung).

Man stelle sich vor, auf dem Thermometer stünden Wörter bis zwölf, dann Ziffern!
 
 

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