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08.02.2011
Ohren betäubend
Zur Schreibung und zur Sache
Bei der Ohren betäubenden neuen Musik-Mixtur, die anfangs in den USA nur der «Haley-Sound» genannt wurde, konnten sie ihren Aggressionen freien Lauf lassen. (Süddeutsche Zeitung zum 30. Todestag von Bill Haley)
Und nun noch meine Frage zur Sache: Waren eigentlich die Rock-Konzerte Anfang der Fünfziger auch schon so "Ohren betäubend" wie heute? Neulich habe ich mich durch meine Familie dazu überreden lassen, in das erste Rock-Konzert meines Lebens zu gehen. Die Originalband von Elvis Presley spielte, und ein Österreicher, zum Glück nicht als Impersonator, sang dazu.
Wir hatten uns alle mit Ohropax ausgerüstet, sonst wäre es nicht zu ertragen gewesen. Dabei war das Publikum, wie man sich denken kann, im Durchschnitt nicht das jüngste. Ich verstehe nicht, wie man die Musik derart im Lärm untergehen lassen kann. Meine Töchter versichern mir, das sei heute überall so. Also wie war das vor 50 Jahren?
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.02.2011 um 21.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17988
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Ich selbst kann die Frage zwar nicht beantworten, da es mich in den 50er Jahren noch nicht gab, aber diese Aufzeichnung eines Konzerts von Elvis Presley vom 26. September 1956 vermittelt einen ganz guten Höreindruck vom ohrenbetäubenden Gekreische der Fans.
http://www.youtube.com/watch?v=iEqcPZfh8fY
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.02.2011 um 09.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17989
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Von den ersten Konzerten der Beatles in England wurde das gleiche berichtet. Man ging hin um mitzukreischen. Die Songs hörte man besser im Radio.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2011 um 10.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17990
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Das Gekreische des Publikums meine ich nicht, das Publikum neulich war auch ganz still, wie es sich für gesetzte Herrschaften gehört.. Die Elviskonzerte von damals kenne ich alle von DVDs. Meine Frage rührt gerade daher, daß die Lautstärke der Musik daran nicht zu erkennen ist, sie scheint aber im Rahmen des Manierlichen geblieben zu sein. Die ungeheuerlichen Verstärkungsanlagen und Boxen von heute gab es damals wohl noch nicht, außer wenn Stadien bespielt wurden.
Ernsthafte Musikwissenschaftler und Gesangsspezialisten (wie Pleasants) lobten die Stimmqualität und Phrasierungskunst Presleys, aber das wäre gar nicht erkennbar gewesen, wenn es so zugegangen wäre wie neulich in Kulmbach. Meine Jüngste versichert mir, daß es heutzutage nicht aufs Melodische usw. ankommt, sondern auf den Rhythmus und das Vibrieren im Bauch. Das Ganze schien berechnet auf extrem Schwerhörige oder solche, die es werden sollten.
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Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 09.02.2011 um 11.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17991
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Auch ich kann über Rockkonzerte Anfang der Fünfziger nichts sagen, genauso wenig über spätere Rockkonzerte. Jedoch weiß ich, daß in den Siebzigern und Achtzigern in Diskotheken ein solcher Höllenlärm herrschte, daß ich mir ständig die Ohren zuhielt. Und eine Unterhaltung war überhaupt nicht möglich. Diese Art von Vergnügungen, die andere junge Leute zu genießen schienen, habe ich dann bald sein lassen.
Daß das alles übrigens nicht so ganz harmlos ist, kann man daran sehen, daß auch einige scheinbar resistente junge Leute nach einem solchen Abend einen Tinnitus bekommen.
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Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 09.02.2011 um 13.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17992
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Auch mich gab es in den 50ern noch nicht. Was ich aber ein bißchen kenne und damals auch nutzte – da ich als Jugendlicher in den 70/80ern in in Bands spielte –, ist das Equipment dieser Zeit, für das interessierte ich mich brennend, da es noch so "einfach" schien und zusammengebastelt und improvisiert. Ein Gitarrist spielte seinerzeit noch ein halbakustisches Instrument, der Baß war noch vollakustisch (bekannt wurden E-Bässe erst durch die Beatles, glaub ich, mit Pauls schönem E-Baß), und Tonabnehmer waren höchst einfach gebaut, oft wurde das mit Mikrophonen abgenommen. Wer sich mit Rückkoppelungen auskennt, wird die Grenzen dieser (damaligen) Technik schnell erkennen. Und auch die Lautsprecher waren von den Frequenzen her noch sehr dünn auf der Brust, die Watt-Stärke der Verstärker waren von 20 bis maximal 50 Watt in etwa, 100 war schon aufregend. Davon wurden zwei Lautsprecher zum Beispiel für den Gesang genommen, und wenn Instrumente über Mikrophon abgenommen wurden, dann da mit eingespeist; naja, die Mixer damals, viele Kanäle waren das nicht. Instrumente mit Tonabnehmer (waren oft auch noch wie kleine Mikrophone) wurden mit kleinen Röhrenverstärkern (man spielte noch klar im Klang und nicht "verzerrt" übersteuert) verstärkt. Das Schlagzeug war klein und, so denke ich, unverstärkt, oft wurde nur mit Snare drum und Besen und dergleichen gespielt (Charakteristikum der Musik dieser Zeit, herrlich, der Rhythmus war noch "dezent" und war etwa ein tsch-TSCH, und der Bassist zupfte dazu sein 1-4-5, oder halt Entsprechungen im Boogie und Swing, hinzu kam die Rhythmus-Gitarre, fertig).
Kurz gesagt, reicht das für einen Tanzsaal aus, um etwa das zu schaffen, was man vorher rein akustisch und mit verstärktem Gesang tat (Big Bands und Kapellen), sozusagen konnte man mithalten. Draußen und vor großem Publikum ging das in dem Geschrei völlig unter, selbst noch in der Frühphase der Beatles. Das was wir heute kennen, wird so ab Ende der 60er gewesen sein, E-Gitarren über Türme von Lautsprechern mit gekoppelten Verstärkern wie J. Hendriks – also für Massenpublikum konzipiert. Was mich dabei interessieren würde, wieviele Zuhörer mag so ein "früher" Elvis gehabt haben bei so einem Konzert? Man spielte ja in Tanzsälen oder Orchesterräumen (auch draußen?). Wobei letztere ja noch Akustik "besitzen". Und was anderes waren die Leute nicht gewohnt damals (im Kino gab es auch noch nicht diese Booster). Und ein Konzert wie das im Sportpalast 1958 ist schon außergewöhnlich.
Seit den 70ern ist das ohrenbetäubend, und wie schon hier jemand schrieb, der Rhythmus und der Baß ist alles, was wirkt. Für mich ist das Kriegsszenario, das monotone Gestampfe (immer etwas schneller als der Puls) ist der ekstatische Marsch fürs Höllenspektakel für die Nachgeborenen.
Orchester heute sind aber auch nicht besser! Der Kammerton ist ja auf 443 bis 446 raufgedreht. Die Instrumente seit 200 Jahren immer mehr frisiert. Sitzen Sie mal als "Tuttischwein" (der die "füllenden" Stimmen spielen muß) im Orchestergraben, das ist der Schützengraben pur. Und selbst diese Post-Theater-Dramen mit ihrem virtuellen Schnickschnack kommen ja ohne Mikros der Schauspieler nicht mehr aus (die nicht mehr zum Publikum hin sprechen, sondern abgewandt und nicht mehr in sauberer Bühnensprache), Abertausend Watt für den heimlichen Liebesschwur, wenn das nicht das Ende der "Schauspielhäuser" ist. Und zieht man mal einige Register auf der Orgel, bebt das Kirchenschiff und der Untergang naht (oder die Apokalypse). Ich konnte das nie, daher habe ich mich stets auf intime Kammermusik beschränkt und kleine Lesungen und Vorträge.
Die 50er waren musikalisch betrachtet eine vielschichtige Zeit, die Wurzeln der Musik kamen vom Orchester, von der Volksmusik, vom Country und dem Blues und und, alles mischte sich.
Wir vom "New Wave" versuchten uns mit schlagerhaften und auf deutsch gesungen Liedern in den frühen 80ern, daher auch die "Anleihen" an die Fuffziger. Eine Art neue Stubenmusik. Lang ist's her. Heute sampeln die das und unterlegen das mit dem beherrschenden bam-bam-bam.
Aber auf Rock-Konzerte gehen tatsächlich heute mehr die gesetzten, wie Wulff oder neugesetzte wie Guttenberg mit Barbies neulich, die Musiker sind ja nicht unter 50. Irgendwie verkehrte Zeiten. Ein alter Jagger, Zappa oder Maffay singen ihre Jugendlieder. Ist das jetzt beschämend oder anrührend? Ich könnt heut keine Neue deutsche Welle mehr runterschruppen. Na, "vielleicht" wenn ich mal ganz alt bin, der Töchter wegen ;-)
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.02.2011 um 15.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17993
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Es geht sogar ohne Schlagzeug, wie Django Reinhardt und Stéphane Grappelli mit Rythmusgitarren bewiesen haben.
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Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 09.02.2011 um 21.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17995
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Django Reinhardt und Stéphane Grappelli, wow!
– und es geht sogar nur mit Stimmen. Die Beatles höre ich gern in der Fassung der King's Singers a cappella:
http://www.youtube.com/watch?v=o98nJwAAgnw
http://www.youtube.com/watch?v=NfnyZA1DGos
Und – über 110 Dezibel sind keine Seltenheit bei Rock-Konzerten und Techno-Locations, 130 gilt als Schmerzschwelle (nahes Düsenflugzeug), arbeitsrechtlich ist ab 85/90 dB ein Hörschutz vorgeschrieben. Wirkt auch auf innere Organe, nicht nur das Ohr.
Ach ja, Zisterzienser haben ja erst spät Orgeln zugelassen, so muß man sich diese Prachtbauten ohne diese "Nester" vorstellen; sie besitzen eine wunderbare Akustik für Gesang, unübertroffen. Eine Predigt ging locker vor Hunderten von Leuten. Gibt es eigentlich einen besonders guten Hörsaal?, würde mich interessieren.
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Kommentar von Erich, verfaßt am 09.02.2011 um 23.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17996
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Also, "ohrenbetäubend" tut den Ohren weh, "Ohren betäubend" außerdem auch noch den Augen. Aber Zappa singt bestimmt nicht mehr, denn er weilt seit einigen Jährchen schon nicht mehr unter den Lebenden.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.02.2011 um 02.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17997
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Ich wohne in München knapp 10 Kilometer vom Olympiastadion entfernt. Wenn dort eine Hardrock-Gruppe spielt, höre ich die Bässe noch bei geschlossenen Fenstern. Dabei nimmt der Schalldruck quadratisch mit der Entfernung ab und muß sich deshalb über die große Strecke schon sehr verdünnt haben.
Mir ist nicht klar, was junge Leute daran erstrebenswert finden, sich diesen Höllenlärm aus nächster Nähe anzutun. Ich vermute, es ist in erster Linie derselbe Mechanismus, der die Jugend antreibt, demonstrativ schädliche Substanzen zu konsumieren. Es ist eine Mutprobe, ein Beweis der eigenen Unverwüstlichkeit. Mich hauen sogar solche mörderischen Einflüsse nicht um, und wenn ich dann auch noch behaupte, daß ich das Erlebnis super finde, kann das andere Geschlecht – immer auf der Suche nach dem optimalen Partner – daran ablesen, daß ich in hervorragender Verfassung sein muß. Ich hoffe natürlich, daß das weibliche Geschlecht in meinem Fall auch künftig darauf verzichtet, mich solchen Tauglichkeitsprüfungen zu unterziehen.
Ein witziger Tagebucheintrag. Der Leser fragt sich, mit welchen Argumenten der Familie die Überrredung gelungen ist ...
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.02.2011 um 09.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#17998
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Was manche Leute anzieht, ist der Anteil an Infraschall, der unterhalb des Hörfrequenzbereiches direkt mechanisch auf den Körper einwirkt und sie deshalb ganz anders stimuliert als der hörbare Schall nur über die Ohren. (Wir hören ihn nicht, weil uns die inneren körpereigenen Geräusche von den wichtigeren von außen kommenden Geräuschen ablenken würden.)
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Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 10.02.2011 um 15.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#18002
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"Aber Zappa singt bestimmt nicht mehr, denn er weilt seit einigen Jährchen schon nicht mehr unter den Lebenden."
Zappa hat auch nie seine Jugendlieder gespielt. Er war bis zuletzt kreativ.
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Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 10.02.2011 um 17.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#18003
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Ein hübscher Titel von Randy Newman zum Thema "unentwegte Altstars". Garantiert nicht zu laut:
http://www.youtube.com/watch?v=rW4qx3iCrcg
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2017 um 12.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1411#35518
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Übrigens ist der Markenname Ohropax eine köstliche Hybridbildung, und man sieht ihr außerdem die Entstehungszeit an, in diesem Fall 1907. Mir scheint, daß gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als unzählige Industrieprodukte den entstehenden Massenmarkt und die Versandkataloge zu überschwemmen anfingen, solche deutsch-klassischen Wortbildungen besonders beliebt waren.
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