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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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08.01.2011
 

Sprechende Hunde
Rico wird überboten

Ein amerikanischer Hund ("Chaser") kann 1022 verschiedene Spielzeuge aus dem Nebenzimmer apportieren. Es wird gemeldet, er habe über 1000 Vokabeln gelernt.

Vgl. Wittgenstein:
"Ein Hund könnte lernen, auf den Ruf 'N' zu N zu laufen und auf den Ruf 'M' zu M, – wüßte er aber darum, wie die Leute heißen?" (Über Gewißheit 540)

Eine Sprache ist keine Sammlung von Apportierbefehlen.

Eine skeptische Beurteilung zu "Rico" von Paul Bloom bleibt lesenswert: www.yale.edu/minddevlab/papers/Science-PBloom.pdf.



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Kommentare zu »Sprechende Hunde«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.11.2024 um 20.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#54184

Mein Enkel (2; 0) will ganz alleine die große Rutsche runterrutschen.
Der Vater fragt nochmal: "Wirklich ganz alleine, ohne festhalten?"

"Jaaa!"

Vater: "Ok. Sagst Du eins-zwei-drei?"

"Dei-dei-dei!"

Und los gehts mit "Oijoijoi". Unten angekommen, torkelt er vor Begeisterung, fällt erstmal hin und ruft: "Mehr!"
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2024 um 05.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#54082

Der aktive und erst recht der passive Wortschatz eines Kindes ist schwer zu ermitteln. Bei geeigneter „Versuchsanordnung“ kommen immer neue Nischen zum Vorschein. Ich zeige der Enkelin (2;10) einen rüttelnden Greifvogel und schwanke noch zwischen Habicht und Sperber, da sagt sie: „Ein Falke“. Wer hätte gedacht, daß sie dieses nicht gerade alltägliche Wort kennt?
In diesem Alter spürt man auch, wie sehr sie es genießt, sich mit Worten durchsetzen zu können und nicht mehr nur mit unartikuliertem Schreien. Sie weiß auch ganz genau, daß sie noch klein ist, aber ständig wächst und immer geschickter wird. Das ist nicht erschlossen, sondern sie sagt es klipp und klar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2024 um 12.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53950

Man könnte eher an den "Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen" denken, der aber ebenso kritisch gesehen wird wie PISA, vgl.
Karl-Richard Bausch u. a. (Hg.): Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Tübingen 2003. (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik)
Für unsere Frage gibt das wenig her.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.09.2024 um 10.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53949

Gibt es nicht durchaus ähnliche Vergleiche z. B. bei PISA-Tests? Ich denke, es ließe sich auch hierfür ein Netz aus gemeinsamen Kriterien finden, das sehr wohl bestimmte Trends aufzeigt. Es würde sicherlich keine ganz exakt vergleichende Messung, aber doch einige allgemeine Bewertungen zulassen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2024 um 03.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53945

Die Schwierigkeit liegt im Vergleichen. Spricht das Kind A besser Chinesisch als das Kind B Englisch?

Die Enkelin (2;9) erzählt durchaus verständlich von einem Zoobesuch. Einige starke Verben flektiert sie schwach – fällt das ins Gewicht? Die Verberst- und -zweitstellung beherrscht sie fehlerfrei: "weil der Papa Geburtstag hat" usw.
Sie weiß, daß ihr noch Wörter fehlen, und umschreibt mit einem Lächeln, das von diesem Bewußtsein zeugt. Zum Beispiel hat im Streichelzoo die Zwergziege an ihrem Finger – ja, was wohl? "Nicht gebissen" (geknabbert und geleckt, auch für uns schwer zu benennen). Sie weiß, daß sie unterwegs ist: "wenn ich groß bin" usw.
Delfine hat sie auch gesehen und beschreibt deren Sprünge – wobei mir wieder jener berühmte dumme Philosophieprofessor einfällt, der meint, Delfine erreichten das Sprachniveau eines zwei- oder dreijährigen Kindes.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.09.2024 um 22.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53944

Aus Ihrer Antwort schließe ich, daß dieses Thema, so interessant und klassisch es auch sein mag, von der Wissenschaft offenbar bisher sehr stiefmütterlich behandelt worden ist. Das ist doch eigentlich recht erstaunlich. Wie kommt das? Ist es tatsächlich so schwierig, Kinder beim Sprechen zu beobachten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.09.2024 um 20.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53943

Das ist eine sehr interessante und geradezu klassische Frage. Gibt es leichte und schwere Fremdsprachen – unabhängig von der Muttersprache des Lernenden? Werden alle Sprachen von den Kindern gleich schnell gelernt? Hier muß man noch berücksichtigen, daß manche Kinder mehrsprachig aufwachsen, daß also das Erlernen einer einzigen Erstsprache die Sprachlernkapazität längst nicht ausschöpft. (Als in die zweite Klasse kürzlich ein ungarisches Mädchen fast ohne Deutschkenntnisse kam, stellte die Lehrerin zu ihrer Überraschung ferst, daß unsere siebenjährige Enkelin neben Deutsch auch Ungarisch beherrscht und als Dolmetscherin dienen kann.)
"Grammatisch korrekt" ist auch nicht eindeutig, weil manche Sprachen fast alles mit Lexik, Wortstellung und Idiomatik erledigen. Das macht den Vergleich fast unmöglich. Jemand hat mal gesagt: Eine Sprache ist leicht, wenn man schnell dorthin gelangt, wo jede Sprache schwierig wird. Da wäre wohl Englisch ein Beispiel.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 23.09.2024 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53942

Gibt es eigentlich sprachwissenschaftliche Untersuchungen darüber, ob das, was sprechenlernende Kinder in einem bestimmten Alter sagen können, bzw. auch, was sie grammatisch korrekt sagen können, irgendwie von der Sprache abhängt?

In meiner Vorstellung sind Spanisch und Englisch relativ leichte Sprachen, Polnisch, Finnisch, Vietnamesisch jedoch relativ schwierig. Ob sich das wohl irgendwie im Alter des Spracherwerbs der normalen Umgangssprache niederschlägt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler , verfaßt am 14.09.2024 um 05.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53887

Ich stoße gerade noch einmal auf die Schimpansin Tania (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52794). Die stupende Dummheit solcher "Forschungen" macht mich richtig wütend. Es gibt noch manches andere, was man einem repräsentativen "Oxford handbook" doch nicht im Ernst anvertrauen kann. Wie kann es sein, daß Biologie, Chemie usw. sich zu solcher Höhe aufgeschwungen haben, während die Psychologie auf dem primitivsten vorwissenschaftlichen Niveau stehengeblieben ist? "Science has developed unevenly." Wie wahr!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.08.2024 um 09.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53714

Unsre Enkelin (3 1/2) fragt uns beim Frühstück: "Was kann man machen, was man nicht darf?" Wir zucken etwas ratlos die Schultern und ich sage, da gibt es gar nichts, was man nicht darf, kann man auch nicht machen. Die Kleine sagt: "Doch, bei Oma und Opa kann man machen, was man nicht darf."
Ein entsprechendes Beispiel konnten wir ihr leider nicht entlocken, aber sie wird schon gewußt haben, warum ihr das einfiel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.08.2024 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53689

Um die kriminelle Karriere der Zweijährigen weiter zu dokumentieren, berichte ich noch folgendes:
Sie hat die Dose mit den Gummibärchen entdeckt, verbotenes Gelände. Sie läßt sich schwer öffen, aber statt wie sonst die Mutter zu Hilfe zu rufen, schickt sie sie weg: "Mama, du kannst die Wäsche machen." Dabei steht ihr die Unaufrichtigkeit ins Gesicht geschrieben. – Ein weiterer großer Fortschritt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2024 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53656

Eine junge Frau schneidet ihrem Mann die Haare. Die zweieinhalbjährige Tochter schaut zu und kommentiert: „Ich gehe lieber zum Friseur. Die Mama kann das nicht.“ Ein erfreulich entwickeltes Kind, wenn auch mehr in die destruktive Richtung.

Aber mal im Ernst: Was ist von Philosophen zu halten, die Schimpansen oder Papageien ähnliche sprachliche Fähigkeiten zuschreiben wie zweieinhalbjährigen Kindern? Man sollte sie auslachen oder in ein Umerziehungslager stecken, wo sie unter lauter Zweieinhalbjährigen leben müssen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.04.2024 um 06.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53165

Noch einmal zu Sprachversuchen mit Tieren:

Besonders weit wagt sich der Philosoph Hans-Johann Glock vor: „Es gibt z. B. Menschenaffen und Delfine, denen Verhaltensforscher sprachliche Fähigkeiten antrainiert haben, die ungefähr denen von 3-jährigen Kindern entsprechen.“ (https://www.information-philosophie.de/?a=1&t=5736&n=2&y=1&c=60; ähnlich in Dominik Perler/Markus Wild, Hg.: Der Geist der Tiere. Frankfurt 2005). Nur noch einmal zur Erinnerung einige wirkliche Äußerungen eines dreijährigen Mädchens:

Wenn sie gesagt hätte „nein“, dann wäre das böse gewesen.
Das Kätzchen mag gar nicht angefaßt werden. Warum läßt du dich denn nicht streicheln?
Der andere Mann hat so eine ähnliche Mütze auf wie ein Schaffner.
Wenn wir alle wieder fit sind, singe ich euch das Lied.


Dies ist Welten vom Verhalten von Affen und Delphinen entfernt. Glock glaubt aber sogar an das Sprachverständnis von Pepperbergs Papagei. Diese Fehleinschätzungen sind keine nebensächlichen Schnitzer, sondern stehen im Zentrum der Argumentation über den „Geist der Tiere“. Dabei war es noch nie so leicht wie heute, sich mit den Tatsachen vertraut zu machen.

Philosophen, die solchen Unsinn verbreiten, kann ich nicht ernst nehmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2024 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#53044

Auf die Frage ‘Alex, what colour five?’ soll der Papagei geantwortet haben: ‘none’. „Although he would respond ‘none’ if nothing (colour, shape, material) was same or different for two proffered objects and had spontaneously used ‘none’ to answer ‘What colour bigger/smaller?’ for two identically-sized objects, he had never been taught about absence of quantity nor how to respond to a missing exemplar.“ (Irene Pepperberg über ihren Graupapageien Alex in Maggie Tallerman/Kathleen R. Gibson, Hg.: The Oxford Handbook of Language Evolution. Oxford 2012:114)

(Warum wird die Frage an das Tier eigentlich in einem solchen tarzanischen Englisch gestellt bzw. wiedergegeben? Versteht es Fragen, oder befolgt es Dressurbefehle? Fragen spielen ja in der Welt der Tiere keine Rolle.)

Es ist verfehlt, in einem seriösen Handbuch solchen Autoren ganze Kapitel anzuvertrauen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2024 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52810

Gibson schließt ihren Bericht über die Sprachversuche mit Affen so:

„That members of all great ape species can master the essential components of protolanguages suggests that the cognitive capacities necessary for protolanguages were present in the last common ancestor of all great apes and humans some 14 to 20 mya.“ (Maggie Tallerman/Kathleen R. Gibson, Hg.: The Oxford Handbook of Language Evolution. Oxford 2012:57)

(Wieso kognitiv? Es geht doch durchweg um beobachtbares Verhalten. Durch „cognitive“ verschwimmt alles. In Wirklichkeit haben die Affen rudimentäre Gesten gelernt, wie sie in ähnlicher Form auch in ASL vorkommen; die Interpretation als Sprache stammt von sehr wohlwollenden Beobachtern. Einige Dutzend Gebärden, denen der Beobachter Bedeutungen wie „sorry“, „pretty“ usw zuschreibt, können nicht als Elemente einer Protosprache gelten, wie immer diese definiert sein mag. Auf weitere Unstimmigkeiten im Versuchsdesign und in dere Deutung habe ich hingewiesen.

Gibson gibt zu:

„...no wild ape population is known to use a gestural communication system that remotely approaches the protolanguage-like communications of language-trained apes.“ (Maggie Tallerman/Kathleen R. Gibson, Hg.: The Oxford Handbook of Language Evolution. Oxford 2012:55)

Die (nicht sehr eindrucksvollen) Kunststücke der dressierten Affen haben eben gar nichts mit Sprache und Kommunikation zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2024 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52794

Zu Maggie Tallerman/Kathleen R. Gibson, Hg.: The Oxford Handbook of Language Evolution. Oxford 2012:

Kathleen R. Gibson selbst gibt einen Überblick über die Sprachversuche mit Affen. Die Darstellung ist in der gewohnten Weise naiv und leichtgläubig. Wenn ein Affe 100 verschiedene Aufforderungen befolgt, soll er 100 Wörter gelernt haben (in einer Menschensprache, die in seinem Millionen Jahre alten Kommunikationsverhalten keinen Platz hat). Und aus den Gebärden, die er selbst mehr oder weniger deutlich einzeln und in Kombination zeigt, kann der wohlwollende Beobachter immer irgend etwas herauslesen. Die Verfasserin gibt zu, daß man nicht weiß, ob der Affen die Kombinationen als neue „Wörter“ nach Art unserer Komposita beibehält.

[Die Schimpansin Tania] spontaneously signed ‘pretty’ when a female visitor appeared wearing a flowered dress. (49)

Man fragt sich, warum unter 60 Zeichen, die Tania angeblich beherrschte, ein solches „Wort“ ist und funktionieren soll – als ästhetisches Urteil und nach den Konventionen einer besonderen Mode (Amerika im 20. Jahrhundert). Vielleicht hätte die Menschheit über den größten Teil ihrer Geschichte eine geblümte Frauenkleidung nicht hübsch gefunden – warum sollte es ein Affe tun, dem Kleidung und Abbildungen nichts bedeuten? (Übrigens: Tania ist offenbar eine typisch amerikanische Frau, daß sie die Kleidung anderer Frauen mit einem Kompliment bedenkt! Der Berichterstatterin wird die Komik gar nicht bewußt.)

Man kann einem Affen eine kleine Anzahl von Gebärden andressieren und dann darauf lauern, ob sich irgendwann dem einigermaßen erkennbar Produzierten in der jeweiligen Situation ein Sinn abgewinnen läßt. Der nicht interpretierbare Unsinn fällt unter den Tisch.

Was ich schon früher bemerkt habe: Filmaufnahmen zeigen durchweg eine gewisse Beiläufigkeit der Gebärden, es fehlt an jener Konzentration, die mit einer unvollkommen beherrschten „Sprache“ verbunden sein sollte. Auch beachten die Affen niemals den Erfolg ihrer vermeintlichen Kommunikation.

Gibson hat einen unzulänglichen Begriff von Sprache, und das ist für ein so repräsentatives Werk zu bedauern. Die grundsätzlichen Einwände werden nicht erwähnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2023 um 08.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52450

„Obwohl das den Delphinen beigebrachte Vokabular verhältnismäßig klein ist (es umfaßt etwa drei Dutzend Wörter), sind sie in ihrer Fähigkeit, Fünf-Wort-Sätze zu entschlüsseln, bemerkenswert.“ (James L. Gould/Carol Grant Gould: Bewußtsein bei Tieren. Heidelberg 1997:212)

Fünfer-Kombinationen aus nur drei Dutzend Elementen eröffnen dem wohlwollenden Beobachter nahezu unendliche Interpretationsspielräume. Das gleiche ist gegen alle Sprachversuche mit TIeren einzuwenden. Die Berichte liefern das tödliche Gegenargument gleich mit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2023 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52332

Mönchssittiche „gehören zu den wenigen Tieren, die in der Lage sind, Menschensprache zu lernen.“ Das schreibt die Wissenschaftsjournalistin Tina Baier in gewohnter Naivität auf der ersten Seite der SZ (1.11.23). Es ist hoffnungslos.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.11.2023 um 11.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52315

Statt auf die Semantisierung zu warten, kann man Zeichenkandidaten ausdrücklich Bedeutungen zuordnen, aber entsteht so eine wirkliche Sprache? Man kann sich damit verständigen. Aber es ist wie Humanistenlatein oder Esperanto: Man zapft die Ressourcen gesprochener Sprachen an, in einem tieferen Sinn die Erstsprache. Sonst wäre es ein Spiel wie Domino oder Schach. Schach ist ein Spiel, keine Sprache. So weiß man immer schon, wie Fragen oder Paraphrasen funktionieren usw. Bedeutungserklärungen müssen als solche (und als metasprachlich, Verstellungsspiel) erkannt und nicht für etwas Neues gehalten werden. Das gilt auch dann, wenn man in der künstlichen Sprache Dialoge führt: es bleibt eine Art Simulation. Das alles lernt man mit der Erstsprache. (Vgl. Wolfgang Butzkamm.) Niemand spricht Latein – außer den Spaniern, Italienern usw. (Wir sprechen im gleichen Sinn Deutsch, wie schon Otfrid und Wolfram von Eschenbach.)
Wenn eine künstliche oder halbkünstliche Welthilfssprache oder eine „tote“ Korpussprache (Latein, Sanskrit) als Muttersprache erworben wird, wächst sie zwangsläufig über ihre normierte Fom hinaus; sie ist dem Wildwuchs des unvorhersehbaren Sprachwandels ausgesetzt. – Laut Wikipedia sind alle Esperanto-Muttersprachler zweisprachig aufgewachsen. Zur Überschreitung der Norm, teils durch Interferenz der eigentlichen Muttersprache, vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Native_Esperanto_speakers.
Den Affenforschern liegen solche elementaren Betrachtungen ganz fern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2023 um 05.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52250

Wolfgang Köhlers Intelligenzprüfungen an Menschenaffen sind immer noch viel bekannter als die Kritik, etwa von dem genannten Paul Schiller (Pál Harkai Schiller), der kurz nach Skinners Rückkehr nach Harvard an dessen Institut kam, aber bald darauf Opfer eines tödlichen Skiunfalls wurde. Skinner schreibt darüber im 3. Band seiner Autobiographie. Die Kritik an Schillers Lehrer Köhler ist eigentlich vernichtend: Die Affen hatten eine lange Erfahrung im Umgang mit allerlei Gerät, und sie steckten Stöcke zusammen, auch wenn es damit keine Banane zu angeln gab. Es war also nichts mit der "Einsicht" der Schimpansen vor gut 100 Jahren. Die Unzulänglichkeit von Köhlers Psychologie hat Skinner auch sonst nachgewiesen. Die beiden verstanden sich naturgemäß so wenig wie die heutigen Kognitivisten und Behavioristen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2023 um 11.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#52051

Im (auch sonst sinnlosen) Eintrag „Verstehen“ bei Wikipedia heißt es:
„Ob Tiere etwas verstehen können, ist umstritten. Versuche bei Affen zeigten aber, dass sie eine dreistellige Anzahl von Wörtern lernen und richtig anwenden können.“
Das ist natürlich Unsinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.10.2023 um 16.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#51856

Er hat nur so rumgemacht.

Einfacher scheint es nicht zu gehen, und warum sollte man nicht auch einem begabten Schimpansen einen solchen Ausdruck beibringen können? Wenn wir aber darüber nachdenken, erkennen wir, wie voraussetzungreich er ist. Schon der Verbzusatz (he)rum nimmt auf eine gesellschaftliche Norm Bezug. (Vgl. Hans-Joachim Bopst: Um und herum: eine syntaktisch-semantische Untersuchung zur deutschen Gegenwartssprache. München 1989) Für gottesfürchtige Puritaner ist das Herummachen eine Sünde. Machen ist ein Platzhalter für alles mögliche. Warum sollten Tieren in solchen Kategorien denken? Usw. – Es ist kaum auszudenken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2023 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#51083

Nebenbei – ich kriege übrigens nichts dafür, aber die Firma darf mich gern zitieren – will ich bemerken, daß der „Rody“ zwar erst für Kinder ab drei empfohlen wird und von der Enkelin in der Tat noch nicht als Hüpfpferd benutzt werden kann, aber trotzdem auch viel jüngeren Kindern schon eine große Vielfalt von Beschäftigungen erlaubt. Sie schleppen es herum, stellen es immer wieder in seinen „Stall“ (eine Ecke hinter der Couch) usw. Gerade das macht den Wert eines guten Spielzeugs aus, wozu auch eine leichte Überforderung gehört. Lego hatte ja ursprünglich auch diesen Charakter. Jedenfalls stand für uns fest, daß jedes Enkelkind sein Rody haben muß, genau wie zuvor die Töchter.
Es ist wie mit den guten Kinderbüchern: Man kann kaum im voraus sagen, was Erfolg haben wird, aber nachträglich leuchtet es ein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.05.2023 um 04.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#51082

Das kleine Mädchen (1;5) füttert sein Hüpfpferd („Rody“, nach unserer Erfahrung über zwei Generationen eines der besten Spielgeräte) mit Keks und ißt auch selbst, dann fängt sie an, das Tier durch Wohnzimmer und Flur ins Bad zu schleppen, um ihm den Mund abzuputzen (wie die Mutter es mit ihr selbst zu machen pflegt). Unterwegs fällt ihr ein, daß es einfacher wäre, ein Papier zu holen (das Tier ist in der Tat für ein Kind dieses Alters ziemlich monströs). Sie läßt also das Pferd stehen und geht ins Bad, reißt ein Blatt Klopapier ab, kommt zurück und wischt dem Pferd und dann sich selbst den Mund ab, bringt das Papier dann zurück und steckt es in den Abfalleimer. Es wirkt erstaunlich, daß das Kind eine so lange Handlungskette (sie ist eigentlich noch länger, als das Video zeigt) unbeirrt und ohne Ablenkung durchführt. Da sie noch fast gar nicht spricht, ist anzunehmen, daß auch ihre Einfälle nicht in stummer Rede formuliert sind und das Verhalten wie innere Befehle oder Vorsätze steuern.
Das Verhalten ist in jeder Phase von dem eines Schimpansen verschieden. Ich verstehe nicht, wie man je auf die abstrusen Vergleiche (s. „Sprachversuche mit Tieren“) kommen konnte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2023 um 20.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#50568

Christine Kenneally hat Irene Pepperberg und ihren Papageien besucht, und berichtet, wie dieser nach Form und Farbe eines Stückes Papier gefragt wurde und auf die erste Frage mit „corners“, auf die zweite mit „none“ geantwortet habe. (Christine Kenneally: The First Word: The Search for the Origins of Language. New York 2007:95ff.; wieder wundert man sich über den seltsamen „Wortschatz“, der dem Tier beigebracht wurde.) Pepperberg vergleicht die Fähigkeiten des Vogels mit der von autistischen Kindern oder von Dreijährigen. Auch im völlig unkritischen Wikipedia-Eintrag heißt es: „Alex’ Fähigkeit, die Bedeutung von Worten zu erkennen und anzuwenden, werden von der Forscherin als vergleichbar mit der eines zweijährigen Kindes betrachtet.“ In der englischen Version: „His language abilities were equivalent to those of a 2-year-old child and he had the problem solving skills of a 5-year-old. Alex was learning the alphabet, had a vocabulary of 150 words, knew the names of 50 objects and could count up to eight when he died. He could also answer questions about objects.“ Der gesonderte Eintrag zu Alex ist umfangreicher als der zu seiner Halterin. Vor seinem unerwartet frühen Tod sagt er zu ihr: „You be good, I love you. See you tomorrow.“ (Pepperberg sprach mit dem Vogel eine Art tarzanesisches Englisch.) Im Interview sagte sie: „Vielleicht finden meine Studenten noch heraus, dass die Papageien sogar mit sieben oder acht Jahre alten Kindern zu vergleichen sind. Möglich wäre das.“ (VetJournal 4/2020)
Die englischsprachige Wikipedia erwähnt zwar Kritiker, fügt aber zweimal hinzu, deren Beiträge seien nicht peer-reviewt. Pepperbergs stark autobiographisches Buch mit dem Untertitel „Der Papagei, der mir zeigte, wie schön das Leben ist“ fand auch in Deutschland eine große Lesergemeinde. Wissenschaftliche Bibliotheken schaffen es im allgemeinen nicht an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2022 um 14.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#49940

Wenn es stimmt, daß Rebhühner ein Hindernis umfliegen, aber nicht umlaufen können, wäre es eine weitere Bestätigung dafür, daß Tiere keine Gegenstände unabhängig vom Handlungszusammenhang kennen.

Wir selbst kennen annähernd etwas ähnliches, aber eher wie eine Umstrukturierung, ohne daß der Gegenstand aufhört, derselbe zu sein. Eine frühe Darstellung wäre Kurt Lewins Aufsatz "Kriegslandschaft" von 1917.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.10.2022 um 04.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#49757

Am Strand von Juist sahen wir morgens eine Frau ausreiten, während das Fohlen frei nebenherlief; es sprang munter umher, entfernte sich aber, wie von einem unsichtbaren Gummiband gehalten, nie weiter als zehn Meter von seiner Mutter. Diese dürfte auch ständig ein Auge auf ihr Kind gehabt haben, aber das konnte man natürlich nicht erkennen. Ein schöner Anblick. Warum gefallen uns junge Pferde? Der Schönheitssinn ist evolutionär doch sicherlich zunächst auf die eigene Gattung gerichtet, bei uns Männern also auf die jungen Frauen. Aber Pferde? So „anmutig“ wie ein junges Pferd bewegt sich kaum ein anderes Tier, aber ich weiß natürlich, daß das im Auge des Betrachters liegt. Dem Hund oder Schwein kommt es nicht so vor. (Ich paraphrasiere Xenophanes.)

Krähen leben gesellig, aber wenn sie sich in Gruppen auf einem Stoppelfeld niederlassen, halten sie weit mehr Abstand voneinander als etwa Tauben, bei denen man eher von einem Schwarm spricht. Trotzdem müssen sie einander im Auge behalten, auch über 50 m hinweg. Wie man bei Wikipedia lesen kann, ist die Rangordnung bei Krähenvögeln nicht transitiv, sondern situationsabhängig. Da ist bestimmt noch vieles unerforscht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.06.2022 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#49242

Wikipedia zu Buttersäure:

Der Mensch bewertet den Geruch negativ, die Stubenfliege dagegen positiv.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2022 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#49220

Noch einmal zu den Sprachversuchen mit Tieren:

Ein fundamentaler Unterschied besteht darin, daß Menschenkinder „unterwegs zur Sprache“ sind: Ihre fragmentarische Übernahme der Erwachsenensprache stößt jeweils auf maximal wohlwollende, expandierende Interpretation durch die Erwachsenen. Dadurch ist sie viel effizienter, als das reduzierte Repertoire je sein könnte, wenn es abgeschlossen wäre.

Man kann zwar auch beobachten, daß die Kinder in einem gewissen Alter schon wissen, daß sie die Sprache noch nicht gut genug beherrschen, aber das ist gar nicht entscheidend: "Unterwegs" sind sie noch in einem anderen Sinn, auch ohne es zu wissen.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 01.04.2022 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48829


 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2022 um 08.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48640

Unsere Einbildung, daß es Gegenstände gibt, wird natürlich dadurch begünstigt, daß es Gegenstände gibt. Das bezweifelt auch niemand, aber die Frage ist: Wie kann das Gehirn den Eindruck erzeugen, daß es Gegenstände gibt? Wir haben Sinnesorgane für Reize in mehreren Modalitäten, aber nicht für Gegenstände. - Das ist in aller Kürze das „Bindungsproblem“.
Vorfrage: Müssen die Reize überhaupt gebunden werden? Für die einzelnen Verhaltensweisen des Umgangs mit den Gegenständen ist das nicht notwendig, vgl. die Ausführungen zu Mäusen und Schlangen (Sjölander: Sverre Sjölander: „How Animals Handle Reality—The Adaptive Aspect of Representation“
https://www.univie.ac.at/constructivism/pub/representation/sjolander.pdf); Peter Gärdenfors: Cued and detached representations in animal cognition. Lund University Cognitive Studies 38, 1995). Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#22784
Vielleicht entsteht das Problem erst durch die Sprache? Viele Ausführungen über „Begriffsbildung“ legen es nahe. Vgl. den Sammelband Ernest Lepore/Zenon Pylyshyn: What is Cognitive Science? Malden, MA 1999. – Er ist stark sprachlastig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2022 um 05.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48639

Der Haushund ist auf ein Verhalten hin gezüchtet, das es seinem Halter erleichtert, ihm menschliche Züge zuzuschreiben. Er sieht seinen Herrn „erwartungsvoll“ an, reagiert auf kleinste Signale, wie es sein nichtdomestizierter Vorfahr nie tun würde usw. Die Hundefreunde überschätzen im allgemeinen die Menschenähnlichkeit ihrer „besten Freunde“. Wie weit die Projektion geht, erlebe ich täglich bei meinen morgendlichen Wanderungen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.02.2022 um 10.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48544

Im Zusammenhang mit den Verkleinerungsformen ist mir kürzlich das Wort Maskottchen aufgefallen. Im Fernsehen lief ein Beitrag, wo gezeigt wurde, wie überlebensgroße sog. Maskottchen hergestellt wurden, in die ein Mensch hineinklettern und das Tier oder Phantasiewesen sozusagen lebendig darstellen konnte. Ich habe mich gefragt, ob man die nicht besser Maskotte nennen müßte, aber das Wort ist so ungebräuchlich, daß es womöglich kaum verstanden würde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2022 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48543

Die Schweizer haben die Tierrechte-Initiative erwartungsgemäß abgelehnt. Sie sind auch nicht so dumm, durch ein Verbot von Tierversuchen einen ihrer Hauptwirtschaftszweige stillzulegen.

Kleine Beobachtung nebenbei:

Männchen und Weibchen gibt es auch bei so großen Tieren wie Elefanten und Walen. Es handelt sich nicht um Verkleinerung der Organismen, sondern um Reduzierung ihres Person-Status. Tiere sind keine vollgültigen Personen (= Gesprächspartner), mögen sie noch so groß sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2022 um 07.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48512

„Da alle Säugetiere wenigstens über einen kleinen Neocortex verfügen, müssen sie auch ein Bewusstsein haben.“ (Gerhard Neuweiler: Und wir sind es doch – die Krone der Evolution. Berlin 2008:125)

Der Begriff „Bewußtsein“ stammt aus einer ganz anderen Tradition als die Neuroanatomie und ist nie mit Bezug auf die Hirnrinde verstanden worden. Wenn die Schweizer über Tierrechte abstimmen, stellen sie auch einen solchen pseudowissenschaftlichen Zusammenhang her: Scheinbegründung für eine anderswoher stammende Überzeugung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.02.2022 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48500

Sind Schimpansen selbstloser als gedacht? Über neue Untersuchungen zu dieser sinnlosen Frage berichtet die SZ am 8.2.22. Erstens ist Selbstlosigkeit so wenig eine biologische Kategorie wie Schönheit, und zweitens: Wer hat denn so oder so darüber gedacht?
Berichte über „erstaunliches“ Verhalten von Tieren sollte man nicht lesen. Was die Menschenaffen betrifft, so gibt es unendlich viele wohlwollend interpretierte Anekdoten aus freier Wildbahn, auch Filmausschitte, naturgemäß nicht reproduzierbar und bald wieder vergessen (außer in der populären Sachliteratur, wo sie unverdrossen weitergetragen werden).
Die Schweizer stimmen über Grundrechte für Affen ab. Eigentlich würde der Tierschutz genügen, aber die Sache steigert sich naturgemäß immer weiter, weil das Gutsein nach oben offen ist (wie die Entlarvung der Heuchler, das logische Korrelat).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.01.2022 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48397

Von den fabelhaften Hunden an der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest gibt es auch wieder etwas Neues:

https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/hundegehirne-koennen-sprachen-unterscheiden

Das ähnelt sehr Güntürküns Tauben, die englische Orthographie beherrschen...

Die ungarischen Hunde verstehen zwar keine Sprachen, aber es ist möglich, daß Haushunde im Laufe einiger Jahrhunderte danach seligiert worden sind, wie gut sie auf menschliche Signale reagieren. Das ist in den Beschreibungen von Hunden und Hunderassen eines der Merkmale, nach denen gezüchtet wird. Daran ist nichts Sprachspezifisches. Haushunde unterscheiden sich in vielen Einzelheiten von Wölfen, u. a. durch die „Neotenie“, eine gewisse Kindlichkeit, aus der sie nie herauswachsen (Spielverhalten!).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2021 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#48034

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#46548

Weil so viel über das logische Räsonieren der Hunde geschrieben worden ist, komme ich noch einmal darauf zurück. Ganz allgemein gilt, daß logisches Schließen eine Sprache voraussetzt und eine Handlung ist (nach dem Handlungsschema); es gehört zur gleichen "intentionalen Ebene" wie Hypothesen, Rechtfertigungen, Pläne... Aus dem Tierverhalten ist es folglich fernzuhalten.

Was speziell das "Ausschlußverfahren" betrifft (Rico apportiert einen unbenannten Gegenstand, nachdem er alle bekannten ausgeschlossen hat), so habe ich schon an Platons Ansicht über die philosophische Natur der Hunde erinnert. Der Hund verbellt den Unbekannten, aber nicht nachdem er alle Bekannten im Geiste durchgegangen ist und sie ausgeschlossen hat. Der Unbekannte hat nicht das Merkmal Unbekanntheit (logisch sowieso unmöglich), sondern er hat kein bekanntes Merkmal, darum wird er verbellt. Ausschließen ist nicht dasselbe wie Nichteinschließen. Man sollte es nicht für möglich halten, aber diese primitive Verwechslung liegt einem großen Teil der einschlägigen Arbeiten zugrunde.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.11.2021 um 04.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#47513

Wie ich nachträglich sehe, spricht Calvin an der Stelle, die ich hier kopiert habe, von einem zweijährigen Kind, anderswo jedoch von zweieinhalbjährig, z. B. auf seiner Homepage:

Of course, just because great apes don’t exhibit a behavior in the natural setting doesn’t mean that they aren’t capable of it, if exposed to the subject by skilled tutors when they are young.  If reared in language-rich surroundings, bonobos turn out to be capable of simple forms of word-based communication.  They will sometimes point at things, to direct your attention, in a way not seen in the wild.  They can understand never-heard-before sentences as complex as “Kanzi, go to the office and bring back the red ball” about as well as a two-and-a-half year old child.
They don’t produce such novel sentences themselves, getting stuck (so far, more attempts are in progress) at the stage of two- to three-word sentences and not progressing to longer sentences. A two-and-a-half year old child is, of course, on the verge of blossoming forth into long sentences with syntax.  (https://williamcalvin.com/BHM/ch1.htm)

Das war für mich der Anlaß, einen Blick auf Zweieinhalbjährige zu werfen. Calvin irrt so oder so.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.11.2021 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#47508

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45464

Wie gezeigt, irren sich manche Verhaltensforscher gewaltig, was die Sprachfähigkeit zweijähriger Kinder betrifft, mit denen sie Affen, Hunde oder Tauben vergleichen.

Nun wollen wir ein halbes Jahr weitergehen:

The good students among the bonobos (pygmy chimps) can understand novel sentences as complicated as “Go to the office and bring back the red ball,” where the test situation is novel (balls are not usually found in the office) and has many opportunities for error (numerous balls, some red, are in plain sight in the same room). They do this about as well as a two-year-old child, although they (and such a child) may not construct such sentences on their own. The sentences they do construct are usually within the realm of protolanguage, rather like that of the tongue-tied tourist with a similarly small vocabulary, or the Broca’s aphasic.
(William H. Calvin and George A. Ojemann: Conversations with Neil’s Brain – The Neural Nature of Thought & Language (1994), https://williamcalvin.com/bk7/bk7ch3.htm. Die deutsche Übersetzung Einsicht ins Gehirn bei dtv ist nicht ganz korrekt.)

Übersehen wird, daß es sich immer nur um Aufforderungen der gleichen Art handelt. Einige Stichwörter (unanalysierbar für den Affen) genügen für den Test, den Rest überhören sie, weil sie sowieso keine „Sätze verstehen“. Kinder sind ganz anders. Natürlich könnten sie auf eine Aufforderung hin einen roten Ball aus dem Nebenzimmer holen. Aber was können sie noch?

Sehen wir uns die schon bekannten beiden Mädchen im Alter von zweieinhalb Jahren an:

Johanna:

Die Mutter erklärt ihr Verwandtschaftsbeziehungen, die beiden Großelternpaare. Sie seufzt schließlich: Ich lern das noch, wenn ich größer bin, weißt du.

I hab fei Bäller
(zwei Bälle)

Sie knetet mit der älteren Schwester Hefeteig:

Was machst du?
"Ich knete"
Sind deine Hände schmutzig?
"Nein, ich habe sie ganz gründlich gewaschen"
Ich habe die Hände auch gewaschen.

Die Mutter packt ein Päckchen aus. Johanna: Das ist eigentlich meins.

Sie bringt der Mutter ein Taschentuch: Ich schnaub dich.

Dér Knopf hab ich schon geschafft.
(Sie möchte den zweiten auch noch schließen.)

Dorothee:

Heute ist der Niels da mit die Natalie, als ich ein Kleid happe, da die was gefunden, Muhkuh und Pferde.

(Gestern war der Nachbar Niels mit seiner einjährigen Tochter Natalie da, Dorothee hatte ausnahmsweise ein Kleidchen an, Natalie hat mit ihren Holztieren gespielt.)

Die Johanna hat mir Zwergen hagibt (gegeben – das ist z. Zt. ihre Art, Partizipien zu bilden).

Wolln wir eine Hehle baunen? (Höhlen bauen ist z. Zt. ihr Lieblingsspiel)

Isn das für eine Ameise? (eine Fliege an der Fensterscheibe)

eine große große Fliege (mit Gebärde der Größe)

Was isn das für ein Vogel? (bei Vogelstimmen von der Cassette)

Dis is ein Haussperling (nachdem sie von der Cassette das Wort Haussperling gehört hat).

(Sie hat eine weiße Kapuze auf dem Kopf.) Ich: Du siehst wie ein Pilz aus. Sie: Pilze haben doch keine Arme.

Ich brauche nicht im einzelnen zu erklären, wie unermeßlich der Unterschied zum tierischen Befolgen von Apportierbefehlen ist.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 11.08.2021 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#46808


 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.07.2021 um 07.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#46548

Der Hund "Rico" ist also in der Lage, abstrakte akustische Signale (menschliche Worte) mit spezifischen Gegenständen in seiner Umwelt zu verbinden. Offensichtlich kann er durch seine umfassende Erfahrung beim Lernen von Bezeichnungen die Regel aufstellen, dass Dinge Namen haben. Dies ermöglichte ihm, im Ausschlussverfahren ein neues unter einer Anzahl von bekannten Objekten zu identifizieren und mit dem neuen Namen in Verbindung zu bringen. (Max Planck Forschung 10.6.2004)

During speech acquisition, children form quick and rough hypotheses about the meaning of a new word after only a single exposure—a process dubbed “fast mapping.” Here we provide evidence that a border collie, Rico, is able to fast map. Rico knew the labels of over 200 different items. He inferred the names of novel items by exclusion learning and correctly retrieved those items right away as well as 4 weeks after the initial exposure. (Juliane Kaminski, Josep Call, Julia Fischer: Word Learning in a Domestic Dog: Evidence for “Fast Mapping”. Science 304, June 2004, S. 35f.)

Alles stark überinterpretiert. Der Hund stellt keine „Regeln“ auf. Warum werden die akustischen Signale als „abstrakt“ bezeichnet? Auch das "Ausschlußverfahren" wird hineininterpretiert. Wenn man unter die Apportiersignale ein unbekanntes mischt, gerät der Hund in Verwirrung, und es kann sein, daß er in manchen Fällen (angeblich 7 von 10, aber anscheinend nicht reproduzierbar) das neue Objekt herbeiholt.

Schon Platon hebt die Intelligenz des Hundes hervor, der sich gegenüber Bekannten anders verhält als gegenüber Unbekannten, allein weil sie ihm bekannt sind, nicht aufgrund besonderer Wohltaten (was sie zu den philosophischsten Tieren macht: sie lieben das Wissen um seiner selbst willen...). So könnte auch Rico unbekannte Signale mit unbekannten Gegenständen in Verbindung gebracht haben – nicht weit entfernt vom Verbellen des Unbekannten.

Es ist denn auch seither nicht viel über die Logik der Hunde bekannt geworden. Begrifflich sparsamere Erklärungen werden gar nicht erst versucht. Das gilt auch für das Hypothesenbilden kleiner Kinder. Nicht in einer Sprache formulierte Hypothesen sind nicht vorstellbar. Wenn es sich um Erwartungen handelt, läßt sich das einfacher darstellen.

Nebenbei: Wieder stehen die Versuche unter der unausgesprochenen Fragestellung, "was die Tiere auch schon können" (immer in Richtung auf uns Menschen, denen sie laut Sensationsberichten näher und näher rücken).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2021 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45910

Nachahmung bei Papageien hat nichts mit Nachahmung beim Menschen zu tun, es ist kein Verstellungsverhalten – zu dem Papageien nicht fähig sind. Es ist daher von vornherein verfehlt, Sprachversuche an die vermeintliche Nachahmungsfähigkeit mancher Tiere anzuschließen. Pepperbergs Alex ist für die Sprachforschung uninteressant.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2021 um 05.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45580

Zur Wahrnehmung der Maus durch die Schlange:

Wenn man seinen kleinen Hund gegen den vermuteten Angriff eines anderen schützen will, sollte man ihn nicht auf den Arm nehmen. Ein Mann, der das vergessen hatte, wurde prompt ins Bein gebissen. Der andere Hund kannte den Mann sehr wohl von täglichen Begegnungen, war allerdings schlecht erzogen. Diese Episode, die so ähnlich tausendfach vorkommt, zeigt noch einmal, daß Tiere „uns“ anders wahrnehmen, als wir glauben.

Ich bin kein Hundehalter, sondern nur Vater einer solchen. Ich habe auch gelernt, daß Hunde ihr Verhältnis aushandeln müssen und daß es von Nachteil ist, wenn einer von beiden an der Leine ist und der andere nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2021 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45464

Ich könnte meine verstreuten Bemerkungen über Sprachversuche mit Tieren hier einmal zusammenfassen:

Sprachversuche mit Tieren

Wahrscheinlich verfügen alle Tiere über Kommunikationsfähigkeiten. Ihre Signale sind oft nicht leicht zu bemerken und noch längst nicht alle entschlüsselt. Zum vererbten Repertoire kommen erlernte Kenntnisse individueller Verhaltensweisen einzelner Gruppenmitglieder. In neuerer Zeit wird viel diskutiert, ob Tiere eine „theory of mind“ haben, wie man sie dem Menschen zuschreibt. Diese arteigenen Kommunikationsweisen und die damit verbundenen theoretischen Probleme sind nicht Gegenstand der folgenden Übersicht.

Die bekannten Versuche, Affen, Hunden oder Papageien eine mehr oder weniger menschliche Sprache beizubringen, knüpfen in der Regel auch nicht an das bereits vorhandene Kommunikationsverhalten an, sondern nutzen andere Fähigkeiten. Der Grund ist, daß sich die angeborenen Kommunikationsweisen als nicht konditionierbar erwiesen haben, wenn man vom Auslösen und Unterdrücken absieht. Dazu gehören etwa beim Hund das Bellen, Knurren, Schwanzwedeln, Ohrenaufrichten oder -anlegen usw.; bei Menschenaffen die Lautgebung, um deren Modifikation im Sinne menschensprachlicher Wörter man sich jahrelang vergeblich bemüht hat.

Die Versuche sehen je nach Tierart verschieden aus:
Hunde apportieren auf verschiedene Signale hin verschiedene Gegenstände.
Papageien reagieren auf verschiedene gezeigte Gegenstände mit verschiedenen imitierten Lautgebilden, die den Wörtern der Menschensprache ähneln, aber anders erzeugt und holistisch eingesetzt werden, ohne die „zweite Gliederung“ in phonologische Segmente.
Affen manipulieren Plastikchips, Touchscreens o. ä., oder sie lernen Gebärden, die so oder ähnlich in (amerikanischer) Gebärdensprache vorkommen, wobei den einzelnen Verhaltensakten vom Versuchsleiter verschiedene Bedeutungen zugeschrieben und ihre Kombinationen als „Sätze“ gedeutet werden. Affen sind auch schon darin trainiert worden, statt unmittelbarer Bekräftigungsmittel zunächst Spielmarken zu „erwerben“, mit denen sie dann aus einem „Schimpomaten“ Nüsse oder andere Belohnungen ziehen konnten. Die Spielmarken sollen nach Ansicht der Versuchsleiter etwas „repräsentieren“ und damit Symbolcharakter haben. Zeichentheoretisch trifft das nicht zu, es sind weiterhin Instrumente wie Schlüssel u. ä. Eine Semantisierung durch den Empfänger, Grundlage aller echten Zeichen, hat nicht stattgefunden. Dieser Weg ist aber nicht weiterverfolgt worden und kann hier außer Betracht bleiben.

Der Erfolg der Tierversuche wird sehr unterschiedlich beurteilt. Volker Sommer meint:

„Neben der Kultur hält sich das Ja oder Nein der Sprachfähigkeit als hartnäckigesThema – wobei auch hier viel an den Definitionen hängt. Manche in Menschenobhut aufgewachsenen Menschenaffen lernen jedenfalls, gesprochenes Englisch zu verstehen oder kommunizieren mittels Gebärdensprache oder Kunstsprache über eine Computertastatur. Zudem können Zöglinge ´sprechender´ Eltern deren Vokabular übernehmen, ganz ohne eigene formelle Schulung.“ (Volker Sommer in Jochen Oehler, Hg.: Der Mensch – Evolution und Kultur. Berlin, Heidelberg 2010:47)

Die Anführungszeichen entkräften die optimistische Darstellung, so daß man nicht mehr weiß, wie ernst sie gemeint ist. Andere Autoren halten die Versuche für gescheitert oder von Anfang an verfehlt.

Bei den Tierversuchen treten folgende Probleme auf:

1. Die Kommunikationsweisen der Tiere haben sich in einer ebenso langen Stammesgeschichte entwickelt wie der Mensch. Das gilt auch für dessen nächsten Verwandten, den Schimpansen, dessen Entwicklung sich vor 6 Mill. Jahren von der menschlichen getrennt hat. Er hatte also ebenso viel Zeit, sein arteigenes Verhalten zu optimieren.
Grüsser und Henn berichten, daß Affen ständig kaum wahrnehmbare Signale aussenden, die ihren sozialen Rang sichern. Schaltet man ihre Aktivitäten durch Hirnelektroden herunter, dauert es nur Sekunden, bis die anderen Affen in ihr Territorium eindringen (in Michael Lohmann [Hg.]: Wohin führt die Biologie? München 1977:143).
Es ist schwer zu sehen, welche Lücke eine artfremde Sprache füllen könnte. Den Affen fehlt ja nichts. Zwar können sie einander nichts erzählen und keine Zukunftspläne zur Diskussion stellen, aber für ihr Leben und Überleben ist auch ohne dies gesorgt. Was wir ihnen an Gebärdensprache beibringen, gehört für sie gar nicht zur Kommunikation, sondern zur Manipulation von Gegenständen. Für einen Zirkusbären gehört das Radfahren zu den lohnenden Kunststücken und wird nicht in den Funktionskreis der Fortbewegung eingegliedert. – Ähnliche Bedenken äußern mehrere Autoren in: Stevan Harnad/Horst D. Steklis/Jane Lancaster (Hg.): Origins and evolution of language and speech. New York 1976.

2. Wie schon bei Köhlers Intelligenzprüfungen und unzähligen anderen Versuchen wird nie die Vorgeschichte des Versuchstiers dokumentiert. Ein Schimpanse hat in sechs oder zehn Lebensjahren unüberschaubar viel gelernt. Stöcke ineinander zu stecken, Kisten aufeinander zu stapeln usw., das sind keine gänzlich neuen Fertigkeiten. Wie das Schimpansenweibchen Washoe beim erstmaligen (!) Erblicken einer Ente reagiert (nämlich mit annähernd gleichen Gebärden, die in amerikanischer Gebärdensprache „Wasser“ und „Vogel“ bedeuten), ist weniger interessant, wenn man bezweifelt, daß das Tier in all den Jahren noch nie einen Vogel auf dem Wasser gesehen hat. (Auf andere Einwände komme ich später.) Auch ein Rabe, der einen Köder an einer Schnur heranzieht, dürfte schon einige Erfahrung mit ähnlichen Pedipulationen haben. Die Vernachlässigung der Konditionierungsgeschichte ist aus Sicht der Verhaltensanalyse ein schwerer Mangel.
Wie zuerst Paul von Schiller nachgewiesen hat, verfügten Köhlers Menschenaffen über lange Erfahrung mit Spielgeräten. Auch lernten sie es nie, die aufeinander gestapelten Kisten zu zentrieren. Vgl. Dennetts Einwand (https://ase.tufts.edu/cogstud/dennett/papers/sheffield.htm), der sich übrigens mit Skinners Bedenken deckt, sowie Robert Cooks kritisches Referat: http://www.pigeon.psy.tufts.edu/psych26/kohcrit.htm
An der Eötvös-Lorand-Universität in Budapest wurden über Jahre immer wieder dieselben Daten von Versuchen mit 11 Hunden und 22 Vergleichspersonen ausgewertet und an die Presse gegeben. Über die Vorgeschichte heißt es nur: „Die Tiere sind allesamt ganz normale Familienhunde gewesen, die ständig von Menschen und deren Unterhaltungen umgeben sind.“ (FAZ 7.9.16) Das ist für eine Verhaltensanalyse völlig unzureichend.

3. Die Berichte sind meistens anekdotisch und nicht reproduzierbar. Nennt Washoe auch andere Wasservögel mit diesem quasi zoologischen Terminus? Klassifiziert sie andere Vögel nach dem Lebensraum? Wendet sie die Juxtaposition mehrerer Zeichen regelmäßig zur „Wortbildung“ an? Wir erfahren es nicht.

4. Damit hängt die allzu wohlwollende Interpretation zusammen. Paradoxerweise scheint die Ausdrucksfähigkeit eines Tiers um so größer zu sein, je kleiner sein Repertoire vermeintlicher „Wörter“ ist. Dann kann der erwartungsvolle Versuchsleiter um so mehr interpolieren. So kommt es zu völlig unglaubwürdigen Mitteilungen eines Graupapageien oder eines Gorillaweibchens.

5. Die Umwelt eines Tiers ist unfaßbar verschieden von unserer. Daran hat besonders nachhaltig Jakob von Uexküll erinnert. Wir blicken uns um und sind von lauter Artefakten umgeben. Das Straßenpflaster, die Möbel, die Lampen, Kleidungsstücke und Bücher sind keine erkundungswürdigen Gegenstände, keine „blooming, buzzing confusion“, sondern selbstverständlicher Hintergrund unserer Orientierung. Für einen Hund sind sie nicht von natürlichen Dingen unterschieden. Er sieht nur, was ihn vital angeht; darum gibt es auch für ihn keine „blooming, buzzing confusion“. Ein Frosch nimmt nur bewegte Objekte von fliegenähnlicher Art wahr, und wir wissen einigermaßen, wie das physiologisch zugeht (Lettvin/Maturana/McCulloch/Pitts (1959): „What the Frog’s Eye Tells the Frog’s Brain“). Tiere kategorisieren die Dinge so verschieden von uns, daß wir nicht erwarten dürfen, ihnen unsere Abstraktionen und Verallgemeinerungen vermitteln zu können.
„Wenn Washoe z.B. an einer bestimmten Tür das Zeichen für ´öffnen´ lernt und dann dieses Zeichen sofort, ohne weiteres Training, auf eine verschlossene Aktenmappe, einen Wasserhahn und eine noch nicht geöffnete Coca-Cola-Flasche anwendet, dann kann dies als Hinweis darauf verstanden werden, daß auch beim Tier ein nichtsprachliches allgemeines Schema schon vorhanden ist, an welches dann eine sprachliche Bezeichnung ´angehängt´ wird.“
So referiert Hans Hörmann (Psychologie der Sprache. Berlin 1977, S. 19). Dieselbe Geschichte wird auch bei Herrmann/Grabowski [1994:19] erzählt, dazu noch abenteuerlichere Episoden aus populärwissenschaftlichen Schriften des Journalisten Dieter E. Zimmer. In diesen Dingen herrscht weithin eine atemberaubende Leichtgläubigkeit.
Die offenbar unbemerkt gebliebene Ähnlichkeit mit menschlichen Kategorien spricht geradezu gegen die vorgelegte Deutung des Experiments. Warum sollte der Affe ausgerechnet der semantischen Entwicklung des Englischen oder Deutschen folgen? Die verschiedenen Handlungen, die wir im Deutschen als Öffnen bezeichnen, sind motorisch, perzeptuell und funktional sehr verschieden. (Ich konnte beobachten, daß ein zweijähriges Kind für das Öffnen einer Tür und das Öffnen einer Flasche nicht dasselbe Wort verwendete, sondern im ersten Fall Auf! und im zweiten Ab!, und zwar durchaus systematisch auch in bezug auf andere Fälle.) Andere Sprachen folgen anderen Linien. Was durchweg übersehen wird: Schon die Aktanten der Öffnungshandlung sind falsch analogisiert: Der Flasche entspricht ja nicht die Tür, sondern das Zimmer (mit der auch sonst häufigen Objektvertauschung wie bei ausgießen usw.) – Wahrscheinlich tut der Affe mit den Gegenständen, zu deren Manipulation er aufgefordert wird, das, was vom gelernten Verhaltensduktus her am normalsten ist: Mit einer geschlossenen Tür kann man praktisch nichts anderes anfangen, als sie zu öffnen; ebenso einen geschlossenen Wasserhahn. Ein Radio würde der Affe – entsprechende Erfahrung vorausgesetzt – wahrscheinlich anstellen, obwohl man das im Deutschen nicht öffnen nennt, wohl aber im Türkischen (açmak). Das Zeichen, das der Mensch mit der Bedeutung öffnen versehen hat, kann also für das Tier etwa „in naheliegender Weise manipulieren“ bedeuten – zumal bei einem „Wortschatz“ von höchstens einigen Dutzend Einheiten, die schon deshalb nur sehr globale Signale sein können.
Zum Vergleich: Kinder verstehen Präpositionen als in, wenn ein Gefäß gegeben ist, als auf, wenn eine ebene Oberfläche (Eve Clark: „Non-linguistic strategies in the acquisition of word meanings“. Cognition 2/1973:161-182). D. h. sie verstehen die Präpositionen zunächst überhaupt nicht und würden wahrscheinlich ebenso reagieren, wenn man sie ganz wegließe nach Art von Pidginsprachen.
Tiere sind uns womöglich noch fremder, als es Thomas Nagel mit seinem Fledermaus-Aufsatz in Erinnerung gerufen hat. Das läßt sich am sogenannten „Bindungsproblem“ diskutieren.
„Unter dem Bindungsproblem versteht man die Frage nach den neuronalen Grundlagen sensorischer Integration, also der Fähigkeit des Gehirns, aus einer Vielzahl von Sinneseindrücken einheitliche Wahrnehmungen zu konstruieren.“ (Wikipedia) Die „einheitliche Wahrnehmung“ ist hier als Wahrnehmung eines Gegenstandes zu verstehen, der die Merkmale hat, die dem wahrnehmenden Organismus durch die verschiedenen Sinnesmodalitäten vermittelt werden. „Intermodale Integration (Zusammenführung der Sinne zu einer einheitlichen Wahrnehmung)“ sollte ebenfalls durch den Begriff des Gegenstandes präzisiert werden, denn die von Wolf Singer und anderen angeführte Synchronisation durch Oszillation genügt nicht.
Man zitiert oft Wittgensteins Satz: „Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen.“ Was das bedeutet, könnte folgende Beobachtung zeigen:
Eine Schlange hat keinen „Begriff“ von einer Maus. Wie Peter Gärdenfors berichtet, nimmt die Schlange ihre Beute visuell oder durch Wärmesensoren wahr, fängt sie nach dem Biß mit dem Geruchssinn wieder ein und verschlingt sie anschließend mit taktiler Leitung vom Kopf her. Jeder Sinn wirkt für sich, man braucht keine „Bindung“ zu einem einheitlichen Gegenstand anzunehmen. (Peter Gärdenfors: Cued and detached representations in animal cognition. Behavioural Processes. Volume 35, Issues 1–3, December 1995:263-273, im Anschluß an Sverre Sjölander: „How Animals Handle Reality—The Adaptive Aspect of Representation“
https://www.univie.ac.at/constructivism/pub/representation/sjolander.pdf)
Die Katze soll nach Gärdenfors demgegenüber durch cross-modality eine Repräsentation der Maus mit Dingkonstanz entwickeln, aber es gibt kein Verhalten der Katze, daß diese Annahme zwingend machte. Das gleiche gilt für alle Tiere, auch Hunde, deren Anhänglichkeit an den Menschen die Grundlage ihrer Beliebtheit als Haustier ist. Wenn die Schlange sprechen könnte, hätte sie kein Wort für „Maus“. Hat der Schimpanse eins für „Vogel“? Hätte der Hund eins für „Mensch“? Sieht er seinen Besitzer, der ihn für seinen besten Freund hält, überhaupt? Manchmal fällt ein Hund seinen Halter oder Familienmitglieder an, mit denen er vollkommen vertraut war; auch solche Vorfälle deuten darauf hin, daß der Hund sich an Merkmalsbündeln orientiert und keine mit sich identischen Personen in unserem Sinne kennt.
Für sprachlose Lebewesen läßt sich kein Verhalten denken, das dazu zwänge, ihnen einen „Gegenstand“ zuzuschreiben. Die Sinneswahrnehmungen müssen nirgendwo zu einer „Repräsentation“ zusammengeführt werden. Die Einheit des Gegenstandes wird nur durch die motorische Exekutive geschaffen: Die Schlange fängt und verschlingt am Ende die Maus und nicht deren einzelne Merkmale. (Der Mensch „bindet“ die Merkmale, indem er auf den Gegenstand zeigt und ihn benennt.)
Selbst die Dingkonstanz, über die manche höheren Tiere zu verfügen scheinen, wenn sie sich so verhalten, als habe „aus den Augen, aus dem Sinn“ keine Gültigkeit, läßt sich als gelerntes Verhalten erklären. Auch kleine Kinder müssen erst lernen, daß ein Gegenstand, der hinter einem Vorhang verschwindet, immer noch da ist. Wichtig ist es ihnen bei Personen und wird durch das Guckguck-Spiel eingeübt, dessen Gruselreiz (aus Verlust und Wiedersehen) sich erst allmählich in reinen Spaß löst – nicht zuletzt dadurch, daß sie sich selbst verstecken und damit zum Herrn des Geschehens machen. „Lernen“ kann auch in phylogenetischer Dimension stattgefunden haben. Vielleicht sucht ein Hund ohne individuelles Lernen nach etwas, was hinter einem Hindernis unsichtbar geworden ist. Eine entsprechende Erfahrung könnte er aber jederzeit gemacht haben. (Abgesehen von olfaktorischen oder akustischen Reizen, die ihn auf die Spur bringen könnten.) Zu ähnlichen Ergebnissen kam Wolfgang Schleidt: Tiere reagieren auf Merkmalskombinationen. So auch Hoimar von Ditfurth: Der Geist fiel nicht vom Himmel. Hamburg 1976:184.
Wie fremd uns Tiere sind, wird zum Beispiel auch daran deutlich, daß nicht einmal die Schimpansen jemals auch nur die geringste Andeutung gegenständlichen Zeichnens geliefert haben. Das liegt nicht an manueller Ungeschicklichkeit, sondern hat unbekannte andere Gründe. Ihre vermeintlich „abstrakten“ Malereien sind dagegen viel bewundert und teuer verkauft worden: „Der Schimpanse Congo malte im Alter von zwei bis vier Jahren in Experimenten des britischen Verhaltensforschers und Künstlers Desmond Morris gut 400 Bilder im abstrakten Stil.“ (Wikipedia „Congo“) – Eine irreführende Darstellung, denn wer nicht gegenständlich malen kann, kann auch nicht abstrakt malen; Unfähigkeit ist kein Stil.
Wird schon der Unterschied zwischen Menschen und Tieren (und zwischen deren Arten) unterschätzt, so zeigt sich eine noch größere Naivität in den Science-Fiction-Filmen mit Aliens, die durchweg zu menschenähnlich dargestellt werden, schon weil sonst keine verständliche Spielhandlung zustande käme.

6. Oft wird übersehen, daß es der Mensch ist, der den Zeichen eine bestimmte Bedeutung zuordnet.
Roger Fouts „befragte“ die Schimpansin Lucy über einen Kothaufen auf dem Boden:
Fouts: WHAT THAT?
Lucy: WHAT THAT?
Fouts: YOU KNOW. WHAT THAT?
Lucy: DIRTY DIRTY.
Fouts: WHOSE DIRTY DIRTY?
Lucy: SUE (Eine Studentin).
Fouts: IT NOT SUE. WHOSE THAT?
Lucy: ROGER!
Fouts: NO! NOT MINE. WHOSE?
Lucy: LUCY DIRTY DIRTY. SORRY LUCY.
Damit sollte die Fähigkeit zur Lüge und weiterhin zum Selbstbewußtsein nachgewiesen werden. Der Affe soll zu dieser Zeit über 90 „Wörter“ verfügt haben. Wie kann sorry unter diesen Bedingungen semantisiert worden sein? Kennt ein Schimpanse das soziale Konzept des Bedauerns oder das psychologische Konstrukt des Wissens (know)? Man könnte auch nach der Vermittlung von Pronomina (!) wie that, it, you, who, whose fragen. Übrigens: Wenn ein Tier nur 90 (vermeintliche) Wörter kennt und eine gewisse Anzahl von Pronomina und anderen Formwörtern dazugehört, bleibt für den Sachwortschatz nur noch eine sehr kleine Zahl. Und ausgerechnet so voraussetzungsreiche wie sorry und trouble sollen dazugehören? Schimpansen werden übrigens nicht stubenrein, was ein weiteres Licht auf den zitierten Dialog wirft: Sie können das Verhalten gar nicht steuern, um dessentwillen sie angeblich lügen oder sich entschuldigen.
Washoe hat man auch ein Zeichen beigebracht, das in Gebärdensprache für please steht, und es wird berichtet, daß er „höflich“ um eine Zigarette gebeten habe. Aber das Konzept der Höflichkeit ist kulturspezifisch, der Affe kann es gar nicht erworben haben, weil der ganze gesellschaftliche Rahmen fehlt. Für den Affen kann der Unterschied nur darin bestehen, daß Reaktionen erfolgreicher sind, wenn sie das Element „please“ enthalten.
Der Gorilla Koko hat auf seine alten Tage vor dem Klimawandel gewarnt. Dies wurde zwar als Werbegag einer Umweltorganisation entlarvt (https://www.snopes.com/fact-check/what-does-koko-know-about-climate-change-nothing/), aber dennoch in seriöser Literatur weiterverbreitet. Zuvor gab er seine Version des Hamlet-Monologs zum besten:
Once when Maureen asked, “Do you think Penny will die?” Koko fidgeted for about ten seconds and then only signed, Damn! On the other hand, if the talk is about death in general Koko does not find the subject so terrifying:
MAUREEN: Where do gorillas go when they die?
KOKO: Comfortable hole bye.
MAUREEN: When do gorillas die?
KOKO: Trouble old.
We do not know where Koko got the idea that the dead go to a hole, unless it was from leafing through magazines (she is an avid “reader” of National Geographic). (Francine Patterson/Eugene Linden: „The Education of Koko“; http://www.koko.org/sites/default/files/root/pdfs/teok_book.pdf)
Auch der Graupapagei Alex war Lebensberater seiner Halterin Irene Pepperberg, die ihm enthusiastische Bücher widmete.

7. Viele Versuche und erst recht die Sensationsberichte darüber wollen Staunen erregen, was Tiere auch schon alles können – als wären sie auf dem Weg zum Menschen. Einige Versuchstiere wurden nach ihrem Tod mit Stiftungen in ihrem Namen und mit Websites ihrer jeweiligen Kultgemeinde geehrt. Heinz Werner weist darauf hin, daß Intelligenzprüfungen an Tieren durchweg nach menschlichen Fähigkeiten fragen und daher unangemessen sind. Ebenso Tests mit Kindern und Naturvölkern (S. 17). Die Intelligenz eines Affen besteht darin, sich wie ein Affe zu verhalten, nicht darin, die Praktiken einer anderen Art, also etwa des Menschen, zu kopieren.
Der achtundzwanzigjährige Graupapagei beschreibt das Fehlen von Bauklötzchen mit dem Begriff „none“, also nichts oder keins. Alex ist der erste Vogel, bei dem diese Fähigkeit beobachtet wurde. Das Konzept der Null lernen selbst Kinder erst mit drei Jahren. (FAS 10.7.05)
Ein „Verstehen des Konzepts der Null“ kann sicher nicht „beobachtet“ werden. Die Forscher versuchen offenbar gar nicht erst, die Lernvorgänge als Verhaltensänderung zu untersuchen, was allerdings nach Jahrzehnten Training mit demselben Tier auch nicht einfach sein dürfte.
Vergleiche mit Kindern leiden oft an einer krassen Fehleinschätzung der kindlichen Sprachentwicklung. Der Wortschatz eines Kindes ist ohnehin nicht mit dem Umfang vermeintlicher Vokabeln des Tieres vergleichbar. Nach Philip Lieberman soll ein trainierter Affe mit 150 „Wörtern“ das Sprachniveau eines zweijährigen Kindes haben. Wie sprechen zweijährige Kinder wirklich? Sehen wir uns zwei durchschnittlich entwickelte Mädchen um ihren zweiten Geburtstag herum an:
Dorothee:
Auf dem Wickeltisch: Tschüß Papa.
Ich erkläre ihr, daß ich zu Hause bleibe: Papa nein arbeite – morgen wieder!
Sie baut aus Bauklötzen einen gut zentrierten Turm, so hoch wie sie selbst. Wenn sie mir etwas in einem Buch zeigen will, dreht sie es so, daß ich es sehen kann.
Sie sieht Silberfischchen im Badezimmer und nennt sie Wildschweine; dann faßt sie sich an den Kopf – wie ihre ältere Schwester – und korrigiert sich: Wildschweine laufen (sie macht es absichtlich plump vor), [Silberfischchen] fa:n (fahren).
Likehaus nein Angst habt. (= Sie hat keine Angst vor dem Nikolaus gehabt.)


Johanna (Hanna):
Sie will in der Küche ein paar Rosinen haben: Beere Teller drauf, ja?
Sie gebraucht Kausalsätze mit weil im wesentlichen richtig.
Zeigt Zahnbürsten: Papas, Hannas und Papas, und Mamas.
Zeigt auf ein Bild: was is das? ein fa:n ist das (Schwan).
Unterwegs im Kinderwagen, sieht den Mond und sagt nach einer Weile: Lied von Mond! (= will von der Mutter hören: Der Mond ist aufgegangen..., singt mit, hauptsächlich die Reime) Etwas später: Lied von Hexe (= Hänsel und Gretel...)
Nach einer Radfahrt will sie mit beiden Händen die Nase der Mutter wärmen: Hanna macht Mama Nase warm.

All dies ist Welten von jeglicher „Affensprache“ entfernt. Andererseits gebrauchen Kinder in diesem Alter die Personalpronomina gerade noch nicht, sondern verwenden die Eigennamen – dies macht die Tierversuche noch unglaubhafter.

8. Linguistisch naiv ist die Unterstellung sprachlicher Einheiten, wo das Versuchstier in Wirklichkeit unanalysierte Reize in begrenzten Kontexten wahrnimmt.
Ein amerikanischer Hund kann 1022 verschiedene Spielzeuge aus dem Nebenzimmer apportieren. Es wird gemeldet, er habe über 1000 Vokabeln gelernt. (Januar 2011)
Dazu paßt Wittgensteins Zweifel: „Ein Hund könnte lernen, auf den Ruf ‚N‘ zu N zu laufen und auf den Ruf ‚M‘ zu M, – wüßte er aber darum, wie die Leute heißen? (Ludwig Wittgenstein: Über Gewißheit Nr. 540)
Verschiedene Apportierbefehle sind für uns analysierbar, für den Hund lösen sie holistisch das Apportieren verschiedener Gegenstände aus. Von Vokabeln kann man hier nicht sprechen. Andere Sprechakte sind nicht möglich, z. B. keine Erzählungen oder Belehrungen. Jeder Befehl wird sofort ausgeführt, nicht später oder unter Bedingungen (kein „Displacement“, wie für Sprache gefordert).

9. Hierher gehört auch die undiskutierte Voraussetzung, daß Tiere auf „Fragen“ antworten, wie sie in den bereits angeführten vermeintlichen Dialogprotokollen vorkamen. Über Premacks Versuche berichtet Doris Bischof-Köhler: 
„Dann zeigte er ihnen das Plastiksymbol für ‚Apfel‘, das aber nicht etwa wie ein Apfel aussah, sondern aus einem blauen Dreieck bestand, und fragte nach der Form und der Farbe des Apfels. Die Tiere bezeichneten das blaue Dreieck als rot und rund. Sie hatten also tatsächlich den Symbolcharakter der Plastikmarke verstanden und ihr richtig die Bedeutung eines Apfels mit seinen wirklichen Eigenschaften zugewiesen.“ (Doris Bischof-Köhler: „Jenseits des Rubikon“. In: Mannheimer Forum 90/91. München 1991:143-193, S.168)
Es bleibt unklar, was wirklich vor sich ging. Worin besteht z. B. die „Frage“, die den Affen gestellt wurde? Die „Frage“ müßte übrigens von der künstlichen und besonders komplexen Art der Prüfungsfrage gewesen sein. Zum kulturell geprägten Sprachspiel vom Typ der Prüfung gehört es, daß der Fragende kein wirkliches Informationsbedürfnis (außer natürlich über die Leistungsfähigkeit des Befragten!) hat und daß der Befragte das weiß und berücksichtigt. Diese komplexe gesellschaftliche Konstellation bei Affen vorauszusetzen übersteigt die Glaubwürdigkeit. „Phylogenetisch betrachtet ist die Frage die spätesterworbene Redefunktion, zugleich ist sie die spezifischest menschliche.“ (Friedrich Kainz: Psychologie der Sprache II, Stuttgart 1969:317, nach Révész)
Wie problematisch die Unterstellung von „Bezeichnung“ ist, scheint die Verfasserin gar nicht zu bemerken.

10. Der Papagei Alex reagiert z. B. auf vier verschiedene Gegenstände mit vier verschiedenen Verhaltensweisen. Da er nach Art der Papageien zur „Nachahmung“ fähig ist, kann man ihn auf vier verschiedene stimmliche Hervorbringen konditionieren. (Menschen reagieren auf Gegenstände nicht einfach durch Hervorbringen ihrer Bezeichnung, sonst würden wir ununterbrochen Nomenklaturen aufsagen; ganz abgesehen davon, daß die gleichen Gegenstände je nach Umständen und Kontext verschieden bezeichnet werden.) Daß Pepperberg die stimmliche Nachahmungsfähigkeit des Papageien Alex nutzte, rückt die Ergebnisse der Konditionierung in eine täuschende Nähe zur Menschensprache, obwohl die Laute des Tieres nur eine schwache und ganz äußerliche Ähnlichkeit mit Wörtern haben. Sie sind weder phonologisch oder silbisch gegliedert noch aus zusammenhängenden Äußerungen herausgelöst, werden natürlich auch auf eine ganz andere Art erzeugt. Beliebige Bewegungen wie Flügelschlagen, Fußheben oder Kopfnicken wären vollkommen gleichwertig, würden aber nicht die Faszination ausüben, die von scheinbar einer Sprache zugehörigen „Wörtern“ ausgeht. Man würde ein Flügelschlagen nicht als Namen eines Gegenstandes bezeichnen.
Onur Güntürkün brachte Tauben in Tausenden von Durchgängen dazu, zulässige und unzulässige Abfolgen von Buchstaben zu unterscheiden: done vs. odne. Dies wurde so interpretiert, daß sie zwar nicht die englische Sprache, wohl aber die englische Orthographie gelernt hatten (https://www.sciencedaily.com/releases/2016/09/160919111535.htm). Das gleiche Ergebnis hätte er mit anderen graphischen Formen erzielen können, aber dann wäre es weniger „erstaunlich“ gewesen und hätte nicht das gleiche Presseecho gefunden.
Ähnlich waren Versuche mit Makaken, die „Silben“ erkannten: „Der Befund, dass bereits Affen komplizierte Silbenfolgen verarbeiten können, könnte aus evolutionärer Sicht bedeuten, dass die menschliche Sprachfähigkeit auf diesen einfachen Mechanismen aufbaut.“ (https://www.mpg.de/10821435)
Wie in der gesamten kognitivistischen Tierpsychologie ist begriffskritisch zu fragen, was es bedeuten soll, daß Tiere „Regeln“, „Prinzipien“ usw. erwerben, statt Muster zu erkennen. Ein Teil dieser äußerst unklaren Begrifflichkeit wird unter dem Titel des „Homunkulus-Fehlers“ diskutiert. Man sollte strukturell gleiche Versuche mit anderen Mustern machen, die keine suggestive Ähnlichkeit mit menschlicher Sprache haben.
Die Chomsky-Grammatik hätte sich mit der Anordnung von Legosteinen statt Wörtern beschäftigen können. Der mathematische Ansatz ist in dieser Hinsicht neutral, und Chomsky interessierte sich erklärtermaßen nur insofern für Sprachen, als sie den menschlichen „Geist“ erkennen lassen. Darum genügte ihm auch seine Muttersprache als Modell.

11. Es wird behauptet, daß Affen die künstliche Gebärden-„Sprache“, die ihnen Menschen beigebracht haben, an ihre Kinder oder „Adoptivkinder“ weitergeben. Wie das vor sich gehen soll, ist nicht näher beschrieben. Anscheinend nimmt man Nachahmung an, aber kein Vormachen. (Kein Tier macht vor.) Sprachunterricht ohne Vormachen ist schwer vorstellbar. Und wenn die Jungen die Alten nachahmen, warum ahmen dann nicht überhaupt die Affen die Menschen nach, so daß das jahrelange Training entfallen könnte? In Wirklichkeit wird Nachahmung bzw. Nachahmungslernen bei Menschenaffen kaum beobachtet, von manchen Forschern auch gänzlich bestritten (Jason Noble/Peter M. Todd: „Imitation or something simpler? Modelling simple mechanisms for social information processing“ [http://web.media.mit.edu/~cynthiab/Readings/Noble-Todd02.pdf]).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.03.2021 um 19.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45462

Zum vorigen:

Onur Güntürkün brachte Tauben in Tausenden von Durchgängen dazu, zulässige und unzulässige Abfolgen von Buchstaben zu unterscheiden: done vs. odne usw. Dies wurde so interpretiert, daß sie zwar nicht die englische Sprache, wohl aber die englische Orthographie gelernt hatten (https://www.sciencedaily.com/releases/2016/09/160919111535.htm). Das gleiche Ergebnis hätte er mit anderen graphischen Formen erzielen können, aber dann wäre es weniger „erstaunlich“ gewesen und hätte nicht dieses Presseecho gefunden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.03.2021 um 04.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45414

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37822

Daß Pepperberg die stimmliche Nachahmungsfähigkeit des Papageien Alex nutzte, rückt die Ergebnisse der Konditionierung in eine täuschende Nähe zur Menschensprache, obwohl die Laute des Tieres nur eine schwache und ganz äußerliche Ähnlichkeit mit Wörtern haben. Sie sind weder phonologisch oder silbisch gegliedert noch aus zusammenhängenden Äußerungen herausgelöst, werden natürlich auch auf eine ganz andere Art erzeugt. Beliebige Bewegungen wie Flügelschlagen, Fußheben oder Kopfnicken wären, vom Tier aus gesehen, vollkommen gleichartig, würden aber nicht die Faszination ausüben, die von scheinbar einer Sprache zugehörigen „Wörtern“ ausgeht. Man würde ein Flügelschlagen nicht als Namen eines Gegenstandes bezeichnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2021 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#45319

Auch wer sich mit seinem Hund gut versteht, muß zugeben, daß er auf dessen „Sprache“ nur selektiv eingeht. Zum Besipiel nicht auf die Markierung des Laternenpfahls, und auch beim gegenseitigen Beschnüffeln der Genitalien machen wir nicht mit. Es ist eben doch viel Illusion im Spiel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2020 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#44817

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#22784

Gärdenfors beruft sich bei seinem Schlangen-Beispiel, das er an verschiedenen Stellen verwendet, ausdrücklich auf Sverre Sjöländer als seinen biologischen Gewährsmann. Dort lautet eine seiner Darstellungen so:

From what we can judge from the behaviour, the snake does not seem to live in a single world, which has different aspects, detected by sight, sound, smell, touch etc. Rather it seems to live in several different worlds, where a mouse is not an object with different characteristics, but rather many things. Sometimes a mouse is a thing that is seen moving, some times just a smell, and then a touch. We have no reason to assume that the snake has some kind of general, centralized representation of a mouse — actually, its behaviour strongly indicates the opposite. (Sverre Sjölander: „How Animals Handle Reality—The Adaptive Aspect of Representation“
https://www.univie.ac.at/constructivism/pub/representation/sjolander.pdf)

Ich teile allerdings die Theorie von „Repräsentationen“ nicht, halte sie vielmehr für eine überflüssige begriffliche Verirrung.

Die Zusammenführung der verschiedenen Reize zur „Vorstellung“ eines Gegenstandes, das „Bindungsproblem“, hat die Philosophen beschäftigt. Es gibt keinen eigenen Sinn für den „Gegenstand“, sie haben daher einen Gemeinsinn (sensus communis) postuliert. Die Verhaltensanalyse bevorzugt eine sparsamere Erklärung. Über Wolf Singers Ansatz ("Synchronisation") wurde schon berichtet. Er betrifft allerdings nur die "bewußtseinsfremden" physiologischen Grundlagen, nicht unser Reden von Gegenständen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2020 um 19.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#44809

Fouts befragte die Schimpansin über einen Haufen Schimpansenkot auf dem Boden:
Fouts: WHAT THAT?
Lucy: WHAT THAT?
Fouts: YOU KNOW. WHAT THAT?
Lucy: DIRTY DIRTY.
Fouts: WHOSE DIRTY DIRTY?
Lucy: SUE (Eine Studentin).
Fouts: IT NOT SUE. WHOSE THAT?
Lucy: ROGER!
Fouts: NO! NOT MINE. WHOSE?
Lucy: LUCY DIRTY DIRTY. SORRY LUCY.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Lucy_(Schimpanse))

In welchem Zusammenhang soll der Affe SORRY gelernt haben? Sich zu entschuldigen ist eine kulturspezifische Handlung, die eine bestimmte Gesellschaft voraussetzt. Affen werden nie stubenrein, sollen sich aber dafür entschuldigen? Was versteht ein Tier unter KNOW – und was sagt ihm die Mitteilung oder Erinnerung daran, daß es WEISS? Übrigens unter einzelsprachspezifischer Weglassung des Objekts, von der der englischsprachige Mensch ohne weiteres annimmt, daß sie auch bei Affen funktioniert. Andererseits ist auch das IT in IT NOT SUE bemerkenswert. Überhaupt der Gebrauch von Pronomina. Wissen diese Forscher, was sie tun?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.11.2020 um 04.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#44635

Seit Affen, Hunde und Delfine nicht mehr viel hergeben, weil sie uns letzten Endes doch nicht so viel zu erzählen hatten, sucht man nach anderen Tieren, denen man durch geschicktes Zusammenschneiden von Filmszenen eine Story (meistens eine Selbstfindungsgeschichte ihrer vermeintlichen menschlichen Freunde) unterschieben kann. Zur Zeit ist ein Oktopus-Film ein Kassenschlager. Godfrey-Smith („Other minds“) hat uns schon vorbereitet. Bald wird es Kraken-Fan-Clubs mit Websites geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2020 um 10.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#44514

Das immer noch oft angeführte anatomische Argument gegen die Sprachfähigkeit von Affen und Vormenschen ist, wie gesagt, nicht gültig, weil es nicht darauf ankommt, die gleichen Phoneme bilden zu können wie heutige Menschen, sondern darauf, daß die Nerven "an die richtige Stelle" gelangen. Zur Zeit laufen sie so, daß es nicht möglich ist, Hundegebell oder die Laute der Schimpansen zu konditionieren. Vielleicht werden geschickte Neurochirurgen entsprechende Verbindungen zwischen Kehlkopf und Mund einerseits und dem Gehirn andererseits herstellen. Dann könnte man die hunderttausendjährige Geschichte der Kultursprachen abkürzen und den Affen gleich ein Vokabular und eine sprachliche Kombinatorik beibringen, wie sie für ein Pidgin ausreichen, und dann würden sie uns endlich auch mal etwas mitteilen, was wir nicht bloß in ihr Verhalten hineinphantasieren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.05.2020 um 11.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#43580

Bedeutend sind hier vor allem die nach Art der Gefahr diversifizierten Warnrufe der Brüllaffen (die somit über ein primitives mentales Lexikon verfügen). (Wikipedia Tiersprachen)

Die (hoffentlich als solche durchschaute) Metapher fügt nichts Nützliches zur Verhaltensbeobachtung hinzu. Haben Buchfinken auch ein „mentales Lexikon“?

Der Kontakt- und Alarmruf des Buchfinken ist ein lautes „pink, pink“, sein Flugruf ein gedämpftes „jüp, jüp“. Laut und durchdringend singt er ab März etwa wie „zizizizjazjazoritiu-zip“ oder zipzipzip. In unterschiedlichen Lebensräumen sind abweichende Rufe, so genannte regionale Dialekte, zu vernehmen. Neben dem namensgebenden Lockruf „pink“ (oder „fink“) gibt es noch das in manchen Gegenden als Regen verkündend angesehene „trürr“ (oder „trüb“). Dieser „Regenruf“ kann manchmal auch zweisilbig vorgetragen werden. Anderen Quellen zufolge wird dieser Ruf nur als „Regenruf“ bezeichnet, weil er lautmalerisch als „trief“ gedeutet wird. Bei Streitigkeiten und Revierkämpfen ist ein lautes Klickern zu hören, welches offenbar als Drohlaut dient. Zugleich wird, wie auch bei einigen anderen Singvögeln (z. B. männlichen Rabenkrähen), die Befiederung des Kopfes (Scheitel) aufgestellt.
(Wikipedia Buchfink)

Fink: „Der Name ist zweifellos lautmalerisch.“ (Kluge-Seebold)

Man weiß also nichts über die Herkunft des Namens. Ich kann nichts Lautmalerisches daran finden, und Vögel können auch nicht annähernd so etwas wie fink oder pink hervorbringen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.03.2020 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#43206

In einem Zeitungsbericht (FAZ 18.3.20) wird behauptet, das Gehirn von Tintenfischen arbeite auf dem Niveau von Säugetiergehirnen. Sie lernen nämlich, Strandkrabben liegenzulassen, wenn es später die begehrteren Garnelen gibt. Die Darstellung ist durchweg anthropomorphisierend gehalten. Vögel werden nicht erwähnt, obwohl sie sich ähnlich verhalten.

Journalisten und auch manche Wissenschaftler haben eine unbezwingbare Neigung, der Öffentlichkeit erstaunliche Leistungen von Tieren vorzustellen: Beinahe wie Menschen! Besser als Menschen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2019 um 04.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#41199

"Katzen verstehen ihren Namen."

Das sollen japanische Forscher herausgefunden haben.

Die einzigen Wörter, die man nicht verstehen kann, sind Namen. Selbst wenn sie etymologisch einen Sinn haben, funktionieren sie nicht aufgrund dieses Sinnes. Katzen können einen akustischen Reiz unterscheiden, den wir als "Namen" verwenden. Und zwar verwenden wir ihn in verschiedenen Funktionen, nicht nur als Befehle. Davon sind Tiere weit entfernt.

Als wir noch Katzen hatten, bin ich manchmal abends auf die Terrasse getreten und habe den "Namen" des Katers gerufen. Nach einer Weile kam er dann außer Atem aus den Kornfeldern angehetzt, wo er Mäuse und junge Kaninchen zu jagen pflegte. Er war praktisch Selbstversorger, sehr wild und sehr zärtlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.11.2018 um 06.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#40194

Der berühmte Zoologe und Tierpsychologe Heini Hediger meinte, auch Tiere verwendeten untereinander "Eigennamen". Bei genauerem Hinsehen handelt es sich um individuelle Rufsignale. Solche verwenden wir ja auch, um den Hund zu rufen. Aber wir können ihm zum Beispiel nichts über einen anderen Hund erzählen, und das tun Tiere untereinander auch nicht. Wirkliche Eigennamen gibt es nur innerhalb einer Sprache, und die fehlt den Tieren. Wittgensteins Einwand gilt also weiter (s. Haupteintrag).

(Kuriosität: Der Theologe Eugen Drewermann zitiert Hedigers These als ausgemachte Sache.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2018 um 04.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#38927

Seit 1965 ist bekannt, dass jeder Delfin einen eigenen Namen hat, einen einzigartigen Signaturpfiff, den er schon im jüngsten Kälberalter entwickelt. So können Delfine sich gegenseitig erkennen und sogar ansprechen. (FAS 10.6.18)

Zumindest eine Form der Töne, die Delfine von sich geben, legt nahe, dass es bestimmte Laute für bestimmte Dinge oder Aktionen gibt: Sie bedienen sich charakteristischer Signaturpfiffe, um sich gegenseitig anzusprechen. Heute geht man davon aus, dass jeder Delfin schon als Jungtier für sich selbst einen Namen erfunden hat, den er sein ganzes Leben lang behält. Im Meer begrüßen sich Delfine, indem sie Signaturpfiffe austauschen; an die Pfiffe anderer Delfine erinnern sie sich noch nach Jahrzehnten. (SZ 29.9.17)

Das ist aber nicht das, was wir unter einem Namen (Eigennamen) verstehen. Es fehlt z. B. die Funktion, über andere Delfine unter Verwendung ihres „Namens“ zu sprechen. Auch „ansprechen“ ist etwas anderes als bei uns. Solche Äquivokationen machen aus den Beobachtungen, deren Richtigkeit ich hier nicht diskutieren will, Sensationsmeldungen. Die Überschrift der FAS lautet Ich heiße Flipper. Aber ausgerechnet dies, die sozialen Bräuche des Sichvorstellens usw., kommt bei den Tieren nicht vor.

Man kann den Anthropomorphismus sehr weit treiben. Eine bekannte Delfinforscherin hatte sogar Sex mit einem jungen männlichen Delfin, von dem alle Medien berichten, er habe nach dem Ende der finanziellen Unterstützung des Projekts „Selbstmord“ begangen. (Er starb an einer unbekannten Ursache.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2018 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37894

Da ich annehme, daß die Sprachfähigkeit nicht durch eine spezifische Mutation in die Welt kam, sondern durch Exaptation einer Reihe von anderweitigen Veränderungen, beschäftigen mich diese auszeichnenden Verhaltensweisen im einzelnen.

Menschenaffen mögen Malflächen, die man ihnen zur Verfügung stellt, mehr oder weniger gefällig (für UNSER Auge!) mit Farben bedecken, aber es sind keine Ansätze bildlicher Darstellung zu finden, und auch nur eine gerade Linie zu ziehen scheint ihnen unmöglich zu sein. Modellieren aus Lehm usw. kommt nicht vor.

Warum eigentlich nicht? Sollten beim Pinseln zufällig Ansätze einer realistischen Wiedergabe entstehen, könnte das doch verstärkend wirken und dem Tier die Kontrolle über die weiteren Striche nahelegen. Aber das geschieht nicht. Die Ergänzung der Umgebung durch Abbilder scheint keinen Platz im Verhaltensrepertoire der Affen zu haben. (Oder vermeiden sie es gar?)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.02.2018 um 22.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37860

Es ist mir schon bewußt, daß ich mit der Rede vom Denken keinen behavioristischen Begriff benutze, Nur läßt mir der Behaviorismus leider keine andere Wahl, wenn ich ausdrücken möchte, daß das Denken oder die Vernunftbegabung des Menschen ein nicht zu vernachlässigendes Element einer vollständigen Beschreibung der Natur ist.

Meiner Ansicht nach ist das Denken nichts Mystisches, es ist eine Eigenschaft der Natur. Die Eigenbewegung der Materie hat unser Planetensystem, das biologische Leben auf der Erde und schließlich die menschliche Vernunft hervorgebracht. Warum sollte eine naturalistische Erklärung der Sprache unbedingt ohne den Begriff des Denkens bzw. der Vernunft auskommen müssen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2018 um 04.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37854

Was und wie Tiere lernen können, ist naturgemäß verschieden. Das gilt für das Verhalten selbst wie auch für die "Verstärker". Manche Tiere können Rad fahren, andere nicht; einen Löwen kann man nicht mit einem Salatblatt belohnen, einen Schimpansen aber mit dem generalisierten Verstärker "Geld" usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.02.2018 um 04.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37852

Denken ist Verhalten oder gar nichts. Mit dem Sprechen über "Denken" hat man sich schon wieder für die folkpsychologische Begrifflichkeit entscheiden, mit der der Behaviorist (außer im Alltag) nichts anfangen kann. Das läuft immer auf eine Petitio principii hinaus. Man holt den Behavioristen in ein Boot, in das er partout nicht will.

Wie definieren Sie Denken so, daß alle Tiere davon ausgeschlossen sind? Wahrscheinlich über die Sprache, die uns in der Tat von allen anderen Tieren unterscheidet. Um deren naturalistische Erklärung geht es aber gerade.

In unserer kulturell ausgebauten Sprache hat sich spät eine Begrifflichkeit herausgebildet, die auch Diskusssionen wie diese hier ermöglicht. (Die "transgressiven Metaphern" der Innenwelt, Sie wissen schon.)

Ich wünschte, jeder hätte Skinners "About Behaviorism" gelesen (dt. "Was ist Behaviorismus?", nur noch antiquarisch), dann könnte ich mir viele schwache Worte sparen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.02.2018 um 22.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37851

Es fällt mir schwer, den Menschen nicht als eine völlig neue Qualität gegenüber Tieren einzuordnen. Aber sei es drum, wie unterscheidet ein Behaviorist eigentlich zwischen Mensch und anderen Tieren?

Der Unterschied ist einfach nur, daß der Mensch sich anders verhält? Weiter wirklich nichts?

Bedient sich der Mensch bei seinem Verhalten nicht in ganz entscheidender Weise seiner Fähigkeit zu denken, was ein Tier nicht kann? Nicht jedes menschliche Verhalten ist eingeübt. Unterscheidet ihn das Denken nicht grundsätzlich vom Tier?

Die hübsche Schlußfolgerung, daß ein "fahrendes" Tier ein anderes als ein laufendes sein muß, ist doch geradezu ein typisches Beispiel für die Benutzung des Denkapparates anstelle einer eingeübten Handlung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2018 um 21.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37850

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#24564

Hier noch ein paar ergänzende Protokollauszüge zum Entwicklungsstand zweijähriger Kinder:

Erste Tochter:

Sie will in der Küche ein paar Rosinen haben: Beere Teller drauf, ja? - Sie gebraucht auch weil einigermaßen richtig.

Zeigt Zahnbürsten: Papas, Hannas und Papas, und Mamas.

Was is das? (zeigt dabei auf ein Bild) ein fa:n ist das (Schwan).

Unterwegs im Kinderwagen, sieht den Mond und sagt nach einer Weile: Lied von Mond! (will von der Mutter hören: Der Mond ist aufgegangen..., singt mit, hauptsächlich die Reime) Etwas später: Lied von Hexe (d.h. Hänsel und Gretel...)

Nach einer Radfahrt will sie mit beiden Händen die Nase der Mutter wärmen: Hanna macht Mama(s) Nase warm.

Zweite Tochter (knapp unter 2 Jahren):

(Auf dem Wickeltisch:)Tschüß Papa.
(Ich erkläre ihr, daß ich zu Hause bleibe) Papa nein arbeite - morgen wieder!

(Sie baut aus Bauklötzen einen gut zentrierten Turm, so hoch wie sie selbst. Wenn sie mir etwas in einem Buch zeigen will, dreht sie es so, daß ich es sehen kann.)

(Sie sieht Silberfischchen im Badezimmer und nennt sie „Wildschweine“; dann faßt sie sich an den Kopf - wie ihre ältere Schwester es macht - und korrigiert sich:) Wildschweine laufen (sie macht es absichtlich plump vor), (Silberfischchen) fa:n (fahren).

Likehaus nein Angst habt. (Sie hat keine Angst vor dem Nikolaus gehabt.)

-
Das sind durchschnittliche Leistungen von Zweijährigen. Es wäre absurd, sie mit dem Verhalten von Hunden oder Affen gleichzusetzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2018 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37849

"und ANDEREN Tieren" sollte es heißen. Die sind aber auch wieder alle untereinander verschieden konditionierbar, je nach ihrem ererbten Verhalten. Gemeinsam sind die allgemeinen Lerngesetze ("schedules of reinforcement").
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.02.2018 um 18.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37848

Wie unterscheidet ein Behaviorist eigentlich zwischen Mensch und Tier? Er kennt ja nichts Mentales. Betrachtet er es einfach als gegeben, daß Menschen anders, weitergehend konditionierbar sind als Tiere, Ursache unbekannt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2018 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37847

Die „Wörter“, auf die man Tiere (Hunde, Graupapageien) abrichtet, sind nur in unseren Augen (und Ohren) Wörter. Für die Versuchstiere sind es verschiedene Geräusche, die man durch Glockentöne und anderes ersetzen könnte. Sie haben weder eine phonematische Gliederung noch sind sie in verschiedene syntaktische Rahmen einsetzbar. Man verwendet eben Geräusche, die gewissermaßen Homophone von menschlichen Wörtern sind, und läßt durch diese Äquivokation die Versuche aufsehenerregender erscheinen. Es heißt dann in den Medien, Tiere seien ganz nahe an menschliches Sprachverhalten herangekommen, ein Hund befinde sich auf dem Entwicklungsstand eines zweijährigen Kindes usw. Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#24564
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2018 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#37822

Der Kult, der um einzelne "sprechende Tiere" getrieben wird, hat tatsächlich religiöse Züge. Von Irene Pepperberg gibt es auf deutsch schon zwei Bücher über ihren verstorbenen Graupapagei Alex, der ihr nichts Geringeres als den Sinn des Lebens gezeigt hat, eine Erlöserfigur, s. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=914#24568

Solche Bücher werden von einer gläubigen Gemeinde entgegengenommen wie die Nahtod-Literatur.

Rico soll ja 1022 Spielzeuge namentlich unterschieden haben – gibt es überhaupt so viele? Aber er wurde überboten: Puck, a male budgerigar owned by American Camille Jordan, holds the world record for the largest vocabulary of any bird, at 1,728 words. Puck died in 1994, with the record first appearing in the 1995 edition of Guinness World Records. – Ein solcher Wortschatz reicht eigentlich für bedeutende Botschaften an die Menschheit. Aber auf dem Weg zum Primaten verkümmert diese Fähigkeit immer mehr, Schimpansen stottern rum, daß es zum Fremdschämen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2016 um 17.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#31782

Bei Tieren hemmen sich alle Verhaltenstendenzen gegenseitig:
„Lebewesen befriedigen kaum jemals zwei Antriebe zugleich.“ (Bernhard Hassenstein: Instinkt, Lernen, Spielen, Einsicht. München 1980:35; dort auch etwas zur Physiologie)

Also nicht gleichzeitig Fußball gucken, Kartoffelchips essen und mit der Freundin telefonieren.

Stimmt das? Und was bedeutet es?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.10.2015 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#30346

Die Sondersprache der Hundezüchter hat mich schon immer interessiert. Seitdem eine meiner Töchter eine Französische Bulldogge hält, habe ich noch einen Grund mehr, mich damit zu beschäftigen. Ich bin eigentlich kein großer Hundeliebhaber, habe früher Katzen gehalten, aber ich kann nicht bestreiten, daß dieser Hund, inzwischen fast erwachsen, etwas Erheiterndes hat, wie ein kleiner Kobold, und darauf ist es ja auch abgesehen. Wikipedia schreibt u. a.:

Der massive Kopf hat einen zwischen den Ohren flachen Schädel, gewölbte Stirn und gut ausgeprägten Stop. Die Stirnfurche reicht bis in Augenhöhe. Die Kopfhaut ist lose, weich, und weist symmetrische Falten auf. Der Fang ist kurz und gut zurückgelegt mit einem sehr kurzen Nasenrücken, kräftig entwickelten Backenmuskeln und schwarzen, dicken Lefzen, bei denen die Oberlefze die untere wohl seitlich abdeckt, aber nicht über den Unterkiefer hinausreichen darf.

Es ist seltsam, wie hier das Wort gut gebraucht wird und überhaupt eine Norm zugrunde gelegt wird, die man doch zuvor ganz willkürlich gesetzt hat. Das erinnert mich an Jürgen Dollase, der von präzise gewürzten oder gegarten Speisen spricht, als sei die Norm etwas unhinterfragbar Gegebenes.

Dabei sind diese Hunde doch, wenn man ehrlich ist, systematisch erzeugte Mißgeburten, ohne Halter nicht lebensfähig. Man darf sie auch nicht einfach weiterzüchten oder in der Gegend herumhuren lassen, da gibt es strenge Vorschriften.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.02.2014 um 12.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#25237

Vielleicht findet sich ja noch ein Hund oder Affe, der 20 Strophen der Vogelhochzeit auswendig singen kann? Wir sind gespannt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.02.2014 um 06.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#25234

Die Medien und sogar Fachzeitschriften traktieren uns unverdrossen mit phantastischen Berichten über das Sprachverständnis der Superhunde wie Chaser. Letzterer soll vorzugsweise englische Wörter in spanischer Grammatik verstehen, Aus einem Interview:

"Roughly speaking, the average dog is equivalent to a human two-year-old in terms of mental abilities," Dr. Coren said. "And the 'super dogs' are equivalent to maybe a human two-and-a-half-year-old.”

Diese Leute haben allesamt keine Ahnung, wie eine wirkliche Sprache funktioniert. Aber auch die Tatsachen kriegen sie nicht auf die Reihe. Chaser holt mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit auf verschiedene Signale hin verschiedene Gegenstände und legt sie ebenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an verschiedenen Orten wieder ab. Das geht nicht über die Leistung dressierbarer höherer Tiere hinaus. Zwei- bis zweieinhalbjährige Kinder? Kann man denn so vollständig vergessen, wie die sich verhalten?

Aus meinen Protokollen:

(Tochter Johanna)
2;0 Kausalsatz mit weil. Sap ausdinken. Aus(g)edinkt. (Erzählt:) Hab i ausdesa:ft 'ausgeschlafen', hab i Milch getrunken. Viele Partizipien II, alle auf -t und meist ohne ge-. Wortschatz nicht mehr zu überblicken. (Bilderbuch ansehen:) Was is das? Ein Fa:n (Schwan) ist das. Usw. Verbzweitstellung mit beliebiger Vorfeldfüllung.
2;1: (Beim Malen:) Schau, Wasser Sonne hab i malt. - Die hab i zugemacht (Knöpfe). W-Fragen: Wo ist die Kinderschere? Was macht der Papa?
2;2: Das eß ich noch auf, weißtu, und dann gucken was los ist.
2;4 Modalpartikel doch wird richtig verwendet. Bestimmter Artikel die verallgemeinert. Ob- und Weil-Sätze mit Verbletzt-Stellung. Die Milch hat der Mann deschenkt, weil di ein bißchen säuerlich war. (Meint kostenlose Ersatzlieferung.) (Vater hat sich am Knie verletzt, sie zeigt:) Auf dér Seite ist Aua, auf dér Seite ist kein Aua. - Versteckt sich hinter Vorhang und ruft: Wein mal!
2;6 Modalpartikeln: Komm mal eben her! (Nachdem ihr Verwandtschaftsnamen erklärt worden sind, seufzend:) Ich lern das noch, wenn ich größer bin, weißt du.

(Tochter Dorothee)

2;3: Ich bin kleiner als du. - Darf ich meinen Hasen mitnehmen? - Ich hab geweint, weil ich naß binne. - Was soll ich malen? (Modalverben seit 2;2)

Diese beiden durchschnittlich entwickelten Mädchen verstehen natürlich noch mehr, als sie selbst sagen, sie stellen und beantworten Fragen, lauschen Erzählungen, befolgen konditionierte Aufträge usw. - das ist Lichtjahre von den Leistungen der klügsten Hunde entfernt. Man kann es eigentlich gar nicht vergleichen, weil - nach dem bekannten Zitat - die Intelligenz der Hunde eben darin besteht, sich wie Hunde zu verhalten.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2014 um 07.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#24913

Unter "Pferdesteuer" gibt Wikipedia einen sehr guten Überblick über die Rabulistik, mit der die Hundesteuer gerechtfertigt, die Pferdesteuer abgelehnt wird. (Ich habe weder Hund noch Pferd, mich interessiert nur die Argumentation, die eines Paul Kirchhof würdig wäre.) Die Hundesteuer soll u. a. die Zahl der Hunde eindämmen. Daß dieses Ziel erreicht sei, wird man so wenig behaupten können wie die Eindämmung der Rechtschreibfehler durch die Rechtschreibreform.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2013 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#24564

Zum Tagebucheintrag:

"Ein Hund könnte lernen, auf den Ruf 'N' zu N zu laufen und auf den Ruf 'M' zu M, - wüßte er aber darum, wie die Leute heißen?" (Wittgenstein: Über Gewißheit 540)

Ein Hund weiß nicht einmal, wie er selbst heißt. Er kennt das gesellschaftliche Spiel nicht, in dem etwas einen Eigennamen hat, andere Dinge mit Appellativa bezeichnet werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2013 um 06.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#23889

Es ist richtig, daß die Hundesteuersatzungen der Gemeinden oft auf Mustertexte zurückgehen. Besonders kurz ist unsere hier in Spardorf, originell kommen mir nur die Beträge vor:

Die Steuer beträgt für
den ersten und zweiten Hund 25,56 €,
ab dem dritten Hund je 51,13 €.

Höhere Steuern für gefährliche Hunde sind sonst weithin üblich, der Streit über die Zuordnung einzelner Rassen (s. wiederum Angermünde) hat schon die Gerichte beschäftigt. Kompliziert sind überall die Ausnahmen – Steuerbefreiung und Ermäßigungen für Fachhunde aller Art.

Meine Frau wurde vor einiger Zeit von einem Boxer in die Wade gebissen, weil sie den Fehler begangen hatte, an ihm vorbeizuradeln, ohne abzusteigen, sich persönlich vorzustellen und ihn zum Essen einzuladen. Dabei gehört er nicht zu den gefährlichen Rassen, die aber in Spardorf ohnehin nicht besonders aufgelistet werden.

(Darf man von Hunderassen sprechen? Es gibt doch gar keine Rassen ...)
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 12.08.2013 um 21.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#23886

Hundesteuersatzungen der Gemeinden orientieren sich regelmäßig an entsprechenden Mustersatzungen.
Wegen "altüblich": Das kommt mir vor wie abgeschrieben, oder der Bürgermeister, der die Satzung seinem Beschlußgremium vorgelegt hat, hat zuvor im Grimmschen Wörterbuch geblättert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2013 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#23884

Heute bin ich auf einen Text gestoßen, der zwar auch mit Hunden zu tun hat, mich aber aus einem anderen Grund beschäftigt:

Als gefährliche Hunde im Sinne dieser Steuersatzung gelten:
(...) Hunde, die als bissig gelten, weil sie einen Menschen oder ein Tier durch Biß geschädigt haben, ohne selbst angegriffen oder dazu durch Schläge oder in ähnlicher Weise provoziert worden zu sein, oder weil sie einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer altüblicher Unterwerfungsgestik gebissen haben,(...)

(aus der Hundesteuersatzung von Angermünde)

Das Wort altüblich – besonders in diesem Zusammenhang – hat mich angeweht wie aus vergangenen Jahrhunderten. Ich bin noch nie in der Uckermark gewesen, aber Angermünde stelle ich mir ebenso verschlafen wie schön vor.

Kann man angeborenes Verhalten von Tieren altüblich nennen? Ich würde eher sagen bekannte Unterwerfungsgestik, aber das ist natürlich sehr platt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2013 um 11.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#23860

Der SPIEGEL berichtet über Delphinforschungen:

"Bekannt ist, dass die Tiere Werkzeuge nutzen und einander mit Namen ansprechen. Nun zeigt eine Studie: Delfine merken sich diese Namen – für Jahrzehnte.
Delfine können sich noch nach mehr als 20 Jahren an ehemalige Gefährten erinnern. Sie erkennen einen Artgenossen an dessen individuellem Namenspfiff, selbst wenn sie ihn viele Jahre nicht gehört haben. Damit funktioniere ihr Gedächtnis in diesem Bereich ähnlich gut wie das des Menschen."
"Signaturpfiffe sind so etwas wie die Namen von Delfinen. Jedes Tier lernt in jungen Jahren seinen eigenen Pfiff, mit dem er sich dann auch anderen Tieren vorstellt. Offenbar nutzen Delfine diese Namen auch, um einander gezielt anzusprechen."

Einander ansprechen, sich jemandem vorstellen usw. das sind Kulturtechniken, die im Leben der Dephine keinen Platz haben. Ebenso das Funktionieren von "Namen" im sprachlichen Verhalten. Die sensationslüsterne Darstellung ist Volksverdummung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.03.2013 um 08.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#22784

Man zitiert oft Wittgensteins Satz: "Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen."

Was das bedeutet, könnte folgende Beobachtung zeigen: Wenn eine Schlange eine Maus fängt, nimmt sie ihre Beute visuell wahr, fängt sie nach dem Biß mit dem Geruchssinn wieder ein und verschlingt sie anschließend mit taktiler Leitung vom Kopf her. Deshalb sagt der Psychologe Gärdenfors, daß die Schlange keinen Begriff von einer Maus hat. (Cued and detached representations in animal cognition. Lund University Cognitive Studies 38 1995)

Wenn die Schlange sprechen könnte – wir könnten sie nicht verstehen.

Man wundert sich manchmal über das Verhalten von Hunden, deren Angleichung an menschliches Verhalten und menschliche Erwartungen sehr weit fortgeschritten zu sein scheint. Dann fallen sie plötzlich ihren Besitzer oder dessen Kinder an, als "wüßten" sie nicht, um wen es sich handelt. Und wahrscheinlich wissen sie es auch nicht, sondern reagieren auf ein Bündel getrennter Wahrnehmungskomplexe. In volkstümlicher Redeweise gesprochen (die auch Gärdenfors verwendet): Sie haben keinen Begriff von dem Menschen, mit dem sie so vertraut umzugehen scheinen. Könnte der Hund sprechen, wir würden ihn nicht verstehen.

Das ist bei allen Experimenten mit sprechenden Affen usw. zu bedenken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2013 um 07.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#22624

Nach einem Jahr wäre es wohl an der Zeit, aus derselben Ecke mal wieder was Sensationelles zu lesen, und tatsächlich verkündet die Hundeliebhaberin Kaminski, die uns jahrelang mit den Leistungen ihres seither verstorbenen Rico unterhalten hat, ihre neuesten Erkenntnisse, die auch sogleich von den Zeitungen weiterverbreitet werden:

Hunde stehlen im Dunkeln

Verhaltensbiologin Juliane Kaminski führte eine Reihe von Experimenten durch: Vierbeiner wissen, was Menschen sehen und was nicht

Portsmouth/Wien – Viele Hundbesitzer würden wohl schwören, dass ihre Vierbeiner sie verstehen und sogar durchschauen können. Das Problem ist nur, dass es zum einen wir Menschen sind, die den Hunden diese Fähigkeit zusprechen – und sie womöglich in das Tier hinein interpretieren. Und zum anderen gibt es nur wenige experimentelle Beweise dafür, dass Hunde tatsächlich in der Lage sind, den Blickwinkel ihrer Frauerln und Herrln zu deuten.
Die deutsche Verhaltensbiologin Juliane Kaminski (Universität Portsmouth), die sich seit langem vergleichend mit der Intelligenz von Schimpansen und Hunden befasst, hat sich eine Reihe von Experimenten ausgedacht, mit denen sie die mögliche Perspektivenübernahme der Hunde testete.

Experimentreihe
Bei allen Experimenten wurde den Versuchstieren (je 42 männlichen und 42 weiblichen Hunden im Alter von rund einem Jahr) von einem menschlichen Zweibeiner verboten, Futter aus einem Raum zu stehlen. Dann testete Kaminski mit ihren Kollegen vom Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie, ob das Verhalten der Hunde dadurch beeinflusst wurde, ob es hell oder dunkel ist – unter Ausschluss aller möglicher Störvariablen.
Wie Kaminski und ihre Mitautoren im Fachblatt "Animal Cognition" berichten, entwendeten die Hunde deutlich mehr, wenn Dunkelheit herrschte. Das lasse darauf schließen, dass die Hunde wissen, was Menschen sehen und was nicht und dass es sicherer ist, im Dunkeln zu stehlen, so Kaminski. Das wiederum bedeute, dass Hunde tatsächlich in der Lage sein dürften, die Perspektive der Menschen zu übernehmen – auch wenn die letzten Beweise dafür noch fehlen.
Lange hatte man den Menschen für das einzige Lebewesen gehalten, das die Gedanken anderer Lebewesen lesen kann. Nach den Schimpansen scheinen nun auch die Hunde zu diesem exklusiven Klub zu gehören.

Der Standard, 12.2.2013 (ähnlich in der Süddeutschen Zeitung, im Independent usw.)

Wir Menschen benutzen gern Metaphern wie Perpektivenübernahme, Gedankenlesen, Sichhineinversetzen usw., Psychologen verkennen oft, daß es nur Metaphern sind. Man kann ihr Zutreffen auch nicht "beweisen", das ist schon begrifflich ausgeschlossen. Hunden kann man nichts "verbieten", sie können auch nicht "stehlen". Es wird gar kein Versuch unternommen, das Verhalten als gelerntes zu erklären.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2012 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1401#19833

Hunde können Gedanken lesen usw. – das hat man laut SZ am MPI für evolutionäre Anthropologie in Leipzig herausgefunden. Dort findet man beinahe jede Woche etwas heraus, jedenfalls meint das die Pressestelle, und die Zeitungen drucken es nach. Freilich hat man desselbe vor Jahren schon einmal herausgefunden, aber das haben die Leser längst vergessen.

Alles immer hübsch in mentalistische Begriffe gekleidet, wie die Leute es gern haben: Hunde denken, wissen, lesen Gedanken, haben eine rudimentäre "Theory of mind" usw. – the flight to laymanship, wie Skinner es nannte. Leider stört es auch die ernsthafte Forschung zur Evolution der Sprachfähigkeit.
 
 

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