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01.12.2010
Klatsch und Tratsch
Die Sprache und das volle Menschenleben
Kaum hat jemand den Raum verlassen, fangen die anderen an, über ihn zu hecheln und zu tratschen. Das war immer so und ist überall so. Gossip ist der Kitt der Gesellschaft, nach Robin Dunbar der Ursprung der Sprache ("social grooming", also eine Art verlängertes Lausen).
Wikileaks hat enthüllt, was sich ohnehin jeder immer schon dachte. Gleichwohl ist es sehr unterhaltsam, wie eben Klatsch überhaupt, deshalb gibt es ihn ja. Bevor Assange unter dem Vorwand einer sexuellen Verfehlung irgendwo festgenommen wird, würde ich schon gern noch die angekündigten Enthüllungen über die Banken lesen.
Unser Verhältnis zur Sprache und zum Sprechen könnte sich ändern, das sollten wir im Auge behalten. Überhaupt - die totale Kommunikation! Neulich ließ sich eine Frau, die nach Bamberg wollte, blindlings von ihrem Navi leiten und fuhr immer tiefer in den Wald, bis sie auf einem verschneiten Holzweg steckenblieb und von der Polizei oder Feuerwehr herausgezogen werden mußte.
Wenn jeder jederzeit für jeden erreichbar ist und jeder von jedem alles weiß - welche Funktion hat dann die Sprache noch?
Wie viele Webcams beobachten mich täglich? Soviel ich weiß, dürfen in Deutschland von Webcams im öffentlichen Raum die Personen nicht erkennbar aufgenommen werden - stimmt das? Auf unserem Hugenottenplatz in Erlangen kann man tasächlich niemanden genau erkennen, außer wenn man schon weiß, daß ich es bin. Im Ausland scheint man großzügiger zu sein. An dieser Straßenecke z. B. habe ich vor ein paar Wochen gestanden und auf meine drei Frauen gewartet, die in einem der Geschäfte waren, und ihr hättet mich ohne weiteres erkennen können:
http://www.thecladdagh.com/cam2.php
Was mich aber an Wikileaks noch interessiert: Sind denn von staatlichen Stellen all die Millionen Dateien irgendwo zusammengeführt worden, so daß der Hacker sie bloß herunterladen und weitergeben mußte? Dieselbe Frage stellt sich bei den Hunderttausenden von Bankdokumenten, auf die wir noch warten.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.08.2024 um 18.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#53761
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"Da wäre man doch ganz gern mal Mäuschen gewesen"
Preisfrage: Welche Fernsehsendung beginnt mit diesen Worten? Nein, nicht die "Sendung mit der Maus", auch keine andere Kinder-, Comedy- oder Unterhaltungssendung. Es war tatsächlich die Tagesschau um 17 Uhr, die heute so anfing, mit einem Bericht zur ersten Kabinettsitzung nach der Sommerpause.
Seriosität hört sich irgendwie anders an.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2024 um 07.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52822
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Vor einiger Zeit hat eine Analyse der TIMES (London) und der SUN ergeben, daß der Anteil von personenbezogenem Klatsch (gossip) gleich hoch ist.
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Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 30.12.2023 um 13.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52498
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Eine ähnliche These vertritt auch Geoffrey Miller in The Mating Mind (2000).
Selektion geht schneller als Mutation – man könnte sich auch eine Umweltkatastrophe vorstellen, die quasi über Nacht eine bestimmte Eigenschaft aussiebt.
Normalerweise ändern sich Umwelteigenschaften (ich meine alles außerhalb der Spezies) eher langsam. Die sexuelle Selektion findet dagegen auf "psychologischer" und individueller Ebene statt. Aber wirklich schnell dürfte das nicht gehen, bis sich ein allgemeiner Trend herausbildet. Das Besondere ist wohl eher, daß es keine "Gegenkräfte" gibt, die eine bestimmte Entwicklung zum Halten bringen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2023 um 06.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52496
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Evolution geschieht langsam, weil sich im Genpool einer Population die Neuerungen vermischen und ausgleichen. Sexuelle Selektion bestimmter Merkmale kann dagegen schnell gehen, entsprechend der durch Menschen betriebenen Züchtung, die eine Vermischung gerade verhindert. Schönheitsideale können in wenigen Generationen zur Zunahme bestimmter Merkmale führen. So wäre auch die Herausbildung rhetorischer Fähigkeiten beim Menschen möglich, falls etwa die Redewettkämpfe der Männer für die Partnerwahl der Frauen eine ähnliche Rolle spielen wie die bei vielen Tieren beobachteten Schaukämpfe der Männchen (vgl. John L. Locke: Duels and duets: why men and women talk so differently. Cambridge 2011).
So könnte die Exaptation (Zweitnutzung) von Kehlkopf und Stimmtrakt zu Kommunikationszwecken relativ schnell gegangen sein. Vor allem aber könnte, abgesehen von anatomischen Veränderungen, die Konditionierbarkeit dieser Verhaltensweisen rasch gewachsen sein.
Manchen Tieren kann man beibringen, einige Töne auf dem Klavier anzuschlagen, auch wenn ihnen das nichts bedeutet. Das eigentliche Musizieren scheint selbst unseren nächsten Verwandten so fremd zu bleiben wie das gegenständliche Zeichnen. Das liegt nicht an mangelhafter Geschicklichkeit. Man sollte sich darüber mehr wundern.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.10.2023 um 04.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52031
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Oder Fußball...
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.10.2023 um 20.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52030
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Wenn die Tagesschau, so wie heute, rund 12 Prozent bzw. fast 2 von 15 Minuten ihrer Sendezeit mit dem Erscheinen und der Inhaltsangabe eines neuen Asterix-Bandes besetzt, dann kann wohl auf der Welt nichts Besonderes passiert sein.
Da wissen wir wenigstens wieder, wofür wir die Zwangsgebühren bezahlen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.10.2023 um 03.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#52009
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Der Datenschutz verlangt unter Androhung hoher Geldstrafen die Verpixelung von Webcams im öffentlichen Raum, so daß manche Übertragungen praktisch wertlos sind. Ganz anders die Pressefotos. Aus Erlangen zum Beispiel kann ich mir Bilder von einem Straßenfest ansehen, auf denen die Passanten ohne weiteres zu erkennen sind, darunter in einer so kleinen Stadt auch immer wieder Leute, die man tatsächlich kennt. Während Personen des öffentlichen Lebens es hinnehmen müssen, ständig fotografiert zu werden, hat man die gewöhnlichen Passanten nicht gefragt. Es ist vielleicht nicht wichtig, ob ich am Samstag auf dem Hugenottenplatz war oder am Stand einer Partei diskutiert habe – aber wer weiß? Ich könnte ja meiner Frau etwas anderes erzählt und dann eine heimliche Geliebte zum Stadtbummel getroffen haben. Dann wäre meine Ehe futsch – ist das etwa nichts?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2023 um 05.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#51615
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Strukturalistisch geprägte Sprachwissenschaftler beschäftigen sich gern mit Symmetriebetrachtungen über das „System“ der Sprache und sehen den Trend zu höherer Ökonomie als naturgegeben an. Dem steht ein Streben nach Deutlichkeit und Fülle entgegen. Das Einsparen von Arbeit gibt es zwar, aber nur, wenn schon feststeht, was gesagt werden soll. Man steht daher vor der Paradoxie, daß die Menschen einerseits am liebsten überhaupt nichts tun und daher auch nichts sagen möchten, andererseits eine Menge unnötiger Bewegung (Sport und anderes Herumhampeln) betreiben und so auch des Redens (Gossip) kein Ende finden.
Ich bin noch einmal darauf gekommen, als ich in einem seriösen Buch den übercharakterisierten Genitiv „des Affens“ fand und mich der lesenswerten Abhandlung von Wolfgang Krischke erinnerte (https://bop.unibe.ch/linguistik-online/article/view/289/411).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.04.2021 um 04.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#45559
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Im Webster steht neuerdings sapiosexual. Der ebenfalls neue Eintrag bei Wikipedia mit Link https://lexikon.stangl.eu/sexualitaet/sapiosexualitaet.shtml mit Hinweis auf die sprachliche Gewaltsamkeit) stärkt unser Vertrauen in die Psychologie ungemein.
Ich hatte schon aus dem trefflichen Buch von John Locke zitiert: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1337#38358
Es geht darum, daß Männer gut reden können. Das wird immer wieder neu entdeckt, auf sapiosexuell kann man verzichten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.04.2021 um 04.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#45558
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„Considering how much we are all given to discuss the characters of others, and discuss them often not in the strictest spirit of charity, it is singular how little we are inclined to think that others can speak ill-naturedly of us, and how angry and hurt we are when proof reaches us that they have done so. It is hardly too much to say that we all of us occasionally speak of our dearest friends in a manner in which those dearest friends would very little like to hear themselves mentioned, and that we nevertheless expect that our dearest friends shall invariably speak of us as though they were blind to all our faults, but keenly alive to every shade of our virtues.“ (Trollope)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2019 um 05.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#40840
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Es gibt ältere Ehepaare, die sich so gut verstehen, daß sie kaum noch miteinander reden, und es gibt Ehepaare, die sich so gut verstehen, daß sie immer noch den ganzen Tag miteinander reden. Das wird jeder bestätigen, aber richtig verstanden ist es eigentlich nicht.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.04.2018 um 06.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1374#38433
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Gossip hat ja eine interessante Etymologie. Die Sache selbst findet in der Sprachsoziologie usw. heute mit Recht viel Beachtung, allerdings ist sie so schlecht definiert, daß es zu vielen unnötigen Diskussionen kommt. Davon vermittelt der gute Eintrag https://en.wikipedia.org/wiki/Gossip einen Eindruck (Lockes "Duels and Duets" ist nicht erwähnt, sei aber empfohlen, er knüpft direkt an ältere Darstellungen rund ums Kindbett an).
Der Ausschluß der Männer aus dem ursprünglichen Gossip ist eine greifbare Tatsache. Dagegen ist ein informelles "Frauenfrühstück" (woran meine Frau manchmal teilnimmt) vielleicht nicht so eindeutig festgelegt. Allerdings treffen Männer sich wohl zu anderen Unternehmungen als ausgerechnet Gossip.
Frauen gehen, wie erwähnt, nicht angeln, sondern kommen höchstens mal mit (langweilen sich aber entsetzlich, weil sie ständig daran denken, daß sie den Fisch viel einfacher in der "Nordsee" kaufen könnten). Frauen lassen auch niemals Modellflugzeuge starten und spielen nicht mit Drohnen oder Modelleisenbahnen.
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