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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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18.11.2010
 

hin und mit
Acer stolpert über die eigenen Füße

Auf einer ganzseitigen Anzeige von Acer prangt in großen Buchstaben:

Dieses Netbook ist kompakt und leicht genug, um überall mit hingenommen zu werden.

Das Beispiel ist darum nicht ganz trivial, weil mit und zurück die beiden Verbzusätze sind, für die man eine gewisse Erweiterbarkeit annehmen kann. Ich denke an Beispiele wie diese:

Der Autor habe den Mut gehabt, die Leser mit auf einen Weg voller Zweifel zu nehmen. (SZ 22.5.10)
Zugleich überlegt sie, wie Fluchtkapital zurück nach Deutschland geholt werden könnte. Wieweit wir dann dem Kapital eine Brücke zurück in die Legalität bauen können. (FAZ 14.6.02; Überschrift: Merz will Fluchtkapital zurücklocken)



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Kommentare zu »hin und mit«
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.11.2010 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17235

Bei solchen Marketingaussagen frägt man sich, ist es Absicht oder Irrtum? Außerdem: wie viele Leute merken es überhaupt?
Große Aufmerksamkeit wie seinerzeit "Hier werden Sie geholfen" erregt es jedenfall nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.11.2010 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17236

Es ist bestimmt nur ein Irrtum. Die Aufmerksamkeit der Werbeleute liegt überwiegend auf dem Layout, der Satz selbst wird gar nicht mehr als Sprache wahrgenommen.
Ich saß einmal im TGV neben einem Herrn, der auf seinem Notebook damit beschäftigt war, einen einzigen Satz und ein Mode-Foto auf einer Anzeige zu plazieren. Das nahm ihn von Paris bis nach Frankfurt in Anspruch, und ich glaube nicht, daß er dann schon fertig war. Einen grammatischen Schnitzer hätte er bestimmt nicht bemerkt, es war allerdings auch keiner drin.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.11.2010 um 11.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17237

Mir fallen manchmal noch andere Verstolperungen auf.

In vielen Situationen ähnlich dieser, wenn jemand erwartet wird und nicht kommt, hört man Sätze wie: Wir wollen doch nicht hoffen, daß ihm etwas passiert ist.
Eine Trivialität! Es wäre ja auch ziemlich gemein, wenn man hoffen würde, daß ihm etwas passiert ist. Selbstverständlich hofft man das nicht. Was derjenige also eigentlich gemeint hat: Wir wollen doch hoffen, daß ihm nichts passiert ist.

Oder etwas in der Art: Ich will ihn versuchen zu überzeugen. Ihn versuchen? Gemeint ist: versuchen, ihn zu überzeugen.

Andererseits, so wird eben oft gesprochen, es gibt sogar grammatische Theorien, die sich damit beschäftigen. Manches davon scheint auch zumindest umgangssprachlich akzeptiert zu sein. So fällt es mir immer sehr schwer zu unterscheiden, was wirklich schlecht und eben "verstolpert" und was Sicksche Logelei ist. Und wie verhält es sich mit diesem Satz? Gar so fremdartig klingt es mir ja nicht: etwas überall mit hinnehmen. Vielleicht müßte man dann wenigstens getrennt schreiben: etwas überall mit hin nehmen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.11.2010 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17238

Es ist nicht einmal ein Irrtum, sondern eine zwar verquere, aber umgangssprachlich verbreitete Redeweise. Das sperrige Wort überallhin kommt offenbar nicht jedem leicht über die Lippen und Tasten.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 19.11.2010 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17239

Ich wollte das ja erst nicht glauben, aber es ist so weit verbeitet, daß es bereits bei http://de.wiktionary.org/wiki/hinnehmen verzeichnet ist, auch bei http://de.thefreedictionary.com/hinnehmen – aber sind diese Erläuterungen dort richtig eingeordnet? Weil das mit konstitutiv dazugehört (was man daran sieht, daß die ergänzenden dort bzw. überall sich ja nicht auf das direkt nachfolgende mit allein beziehen, sondern auf die ganze Gruppe mit hinnehmen), müßte die ganze Gruppe alphabetisch unter M geführt werden, finde ich.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.11.2010 um 14.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17240

In dem Beispiel eine Brücke zurück in die Legalität bauen ist zurück allerdings kein Verbzusatz, denn man könnte nicht schreiben eine Brücke in die Legalität zurückbauen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.11.2010 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17241

Hier sind ein paar weitere Beispiele (vielleicht habe ich sie schon mal ausgebreitet):

Kannst du mich dann mit zur Gießerei nehmen ? (Wolfgang Hilbig: Unterm Neomond. Frankfurt 1982:99)
Ganz am Anfang seiner Karriere fand ihn die legendäre Josephine Baker gut genug, um ihn mit auf eine ausgedehnte Tournee zu nehmen. (SZ 28.4.86)
Bitte nicht mit an den Strand nehmen (Aufkleber auf Leihbüchern, Juist)
Sie haben mich mit zum Skilaufen genommen. (Bertelsmann-Grammatik 1999:262)
Ich werde Sie gleich mit auf den Weg meiner Recherchen nehmen. (Hans-Werner Eroms: Festrede zur Verleihung des Dudenpreises 2002)
Dann müssen Sie jetzt mit uns kommen. (Polizei zu einem Verhafteten, SZ Magazin 16.10.08)
Schreiber hat Max Strauß oft mit auf Reisen genommen. (SZ 10.1.2004)
Horst nimmt mich mit auf eine Kontrollrunde. (Peter Härtling: Leben lernen. Erinnerungen. Köln 2003:366)

Wir können die Menschen nicht allein damit lassen. (FAZ 27.11.86)
Die meisten Länderregierungen scheinen sich ganz wohl dabei zu fühlen. (FAZ 19.7.2000)
War es die Mehrheit der Österreicher, die jubelte? Man kann es nicht wissen, denn wer sich nicht wohl bei der Sache fühlte, schwieg und verbarg sich. (Zeit 4.3.88)
...Menschen, deren Leben, Arbeit und Tüchtigkeit er festlich darstellte, ohne teil daran zu haben. (Thomas Mann: Königliche Hoheit. Fischer-TB 1960:115)

„Kleine Schwester!“ sagte er bei sich selbst, indem er sich ab davon wandte. (Thomas Mann: Königliche Hoheit. Fischer-TB 1960:186)

Die Seldwylerinnen konnten sich nicht satt an ihm sehen. (Gottfried Keller: Dietegen. Goldmann 428)

Mit dem Wirklichkeitsproblem eng zusammen hängt die Übersetzungsfrage. (Hugo Steger in: Sprechend nach Worten suchen. München 1984:109)

Einher damit gingen Preiserhöhungen. (Informationen zur politischen Bildung 205:6)
Von da an sei es nur noch abwärts mit seiner Persönlichkeit gegangen. (SZ 29.1.85)
Darauf näher einzugehen, würde hier aber zu weit weg vom Thema führen. (Magisterarbeit 1984)
Immer wieder gingen ihre Gedanken weg vom Thema. (DaF Sonderheft 1983:68)

Die Union scheint zurück zu sich selbst zu finden. (FAZ 18.3.2000)
Amerika hat zurück zu sich gefunden. (FAZ 23.5.02)
Ich wurde zurück nach Eisenach gebracht. (SZ 23.8.86)
Ebenfalls in germanische Verhältnisse zurück reichen die Voraussetzungen für die nhd. Unterscheidung zwischen starker und schwacher Adjektivflexion. (Kl. Enzyklopädie Deutsche Sprache. Frankfurt u. a. 2001:531)
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.11.2010 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17242

Ich verganz gaß.
Geschrieben sehr auffällig, erregt es gesproche selten ein "wie bitte?".
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.11.2010 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17243

Ich glaube, Prof. Icklers "in ... zurück reichen" ist eine ähnlicher Fall wie Herrn Achenbachs "in ... zurück bauen" und gehört eigentlich nicht in diese Liste. In dem Wort zurück sehe ich in diesen beiden Beispielen eine Präposition, keinen Verbzusatz.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.11.2010 um 16.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17244

Präposition ist natürlich Unsinn, ich meine, zurück bezieht sich zunächst vor allem auf das Objekt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.11.2010 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17245

Es sind z. T. Übergangserscheinungen. So könnte man fragen: Reichen die Verhältnisse (irgendwohin), oder reichen sie zurück (irgendwohin)?

Hier ist noch etwas Interessantes:

Sekundäre Präpositionen sind eine offene Klasse, zu der ständig neue Formen hinzukommen. (Gabriele Diewald: Grammatikalisierung. Tübingen 1997:66)
Wer sich im Glauben dem offenbaren Gott aufgeschlossen hat, der ist in eine ewige Lebensbewegung hineingenommen, die mit dem Tod nicht endet, sondern ihre Erfüllung findet. (Walter Künneth)
Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. (Charta der Heimatvertriebenen 1950)
Zur Beglaubigung eines Propheten gehörten nach allgemeiner Auffassung Wunder unbedingt hinzu. (Hartmut Bobzin: Mohammed. München 2000:14)
Zur Konfirmation gehören Geschenke ganz selbstverständlich dazu. (Chrismon 2/2002)
ein Buch, zu dessen Titel die Anführungszeichen ausdrücklich dazugehören (SZ 4.5.02)
Wir wissen nicht wirklich, was an den 13 und 17 Jahren
Besonderes daran ist (Richard Dawkins: Der blinde Uhrmacher, München 1996:122)

Wie haben zuerst: zu etwas kommen, zu etwas gehören, an etwas sein usw., dann mit scheinbar pleonastischer Hinzufügung: zu etwas hinzukommen, zu etwas dazugehören, an etwas dransein usw. – Dann bildet sich eine neue Bedeutungsnuance: das Hinzukommen, das Dazugehören, das Daransein, das Hineinstellen usw.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.11.2010 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17246

Ich empfinde an der Wendung jmdn. mit hinnehmen nichts "Verqueres" oder "Auffälliges". Wenn ich meinen Freund mit in die Stadt nehme, warum sollte ich ihn nicht auch mit hinnehmen können?

Auffälliger und erklärungsbedürftiger erscheint mir dagegen, daß ich nicht sagen kann: "Ich werde meinen Freund hin mitnehmen." Ich kann ihn dorthin mitnehmen oder dahin mitnehmen, aber eben nicht einfach hin mitnehmen.

Ich empfinde übrigens zwischen mit in die Stadt nehmen und in die Stadt mitnehmen einen ganz leichten Bedeutungsunterschied. Wenn ich meinen Sohn mit in die Stadt nehme, dann tun wir gemeinsam in der Stadt etwas. Wenn ich meinen Nachbarn in die Stadt mitnehme, dann trennen sich dort wahrscheinlich unsere Wege. Natürlich kann ich den Nachbarn auch mit in die Stadt nehmen, damit er mich beim Kauf eines neuen Anzugs berät.
 
 

Kommentar von YN, verfaßt am 19.11.2010 um 19.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17247

Lieber arm dran als Arm ab, was ist an diesem dran dran?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 19.11.2010 um 20.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17248

Mein Acer-Bildschirm blendet dann und wann den Hinweis »Bitte Wartezeit« ein. Trotzdem werde ich ihn nicht zurück||geben. ;c) [nur zur Sicherheit]
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.11.2010 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17249

Als ich über diesen Tagebucheintrag nachdachte, fühlte ich mich unsicher, ob man
überall hin oder überallhin
schreibt. Also schlug ich in meinem Duden (1961) nach. Dort stand tatsächlich überallhin und überallher. Dann fragte ich mich, ob die RSR es wohl bei der Zusammenschreibung so belassen habe. Also habe ich im neuen Duden nachgeschlagen. Auch dort steht überallhin. Bei überallher steht aber zusätzlich: "aber von überall her".

Zuerst kam mir der Gedanke, das sei wieder eine der berüchtigten "Duden-Spitzfindigkeiten". Dieser Verdacht wurde aber dadurch zerstreut, daß es genauso auch im Ickler steht.

Dennoch plagte mich der Gedanke: Wenn das alles seit jeher so klar geregelt ist, warum habe ich mich dann unsicher gefühlt? Also habe ich (trotz aller berechtigten Vorbehalte) im DWDS nachgeschaut. Zu meiner Überraschung fand ich für von überallher nicht viel weniger Fundstellen (40) als für von überall her (49).

Im Zeit-Korpus sieht es etwas anders aus, aber auch dort gibt es keine ganz eindeutig überwiegende Schreibung: für von überall her 303, für von überallher 115 Fundstellen.
Für überallhin gibt es 132, für überall hin immerhin 81 Fundstellen.
Für überall hingehen gibt es 18, für überallhin gehen nur eine Fundstelle.

Das letzte Beispiel ist typisch für eine ganze Reihe von Fällen, wo ich – durchaus nicht so selten – schwanke: Soll man von draußen her kommen oder von draußen herkommen schreiben, gehört das her mehr zu von draußen oder zu kommen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.11.2010 um 00.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17250

Es ist immer alles älter als man denkt: überall mit hinnehmen findet sich sogar schon bei Joachim Heinrich Campe: Reise von Braunschweig nach Karlsbad und durch Böhmen (1806). Allerdings ist der Stil dieser tatsächlich an seine Enkelsöhne gerichteten Briefe bewußt naiv gehalten.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 20.11.2010 um 00.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17251

Lieber Herr Achenbach, ich glaube, jetzt verstehe ich Ihr Problem etwas besser. Ich halte es so: Wenn ich überall hinkommen meine, schreibe ich "überall hinkommen", und wenn ich überallhin kommen meine, schreibe ich "überallhin kommen". Das ist ganz einfach. Allerdings muß ich dann akzeptieren, daß mir niemand die Entscheidung darüber abnimmt, was ich meine.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.11.2010 um 08.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17252

Die Befunde bei überall_hin und (von) überall_her wundern mich nicht. Es gibt ähnliche Fügungen dieser Art wie hier_hin oder (von) hier_her. Der Ickler ist bekanntlich nicht heilig. Die Einträge beruhen auf dem Duden 1991, und nicht bei allen wurde eine Variantenprüfung durchgeführt.

Die Betonungsmuster unterscheiden sich zwar: Der Leser wird bei Zusammenschreibung nur vorne betonen, während die Anfangsbetonung bei Getrenntschreibung anders aussieht und nicht so eindeutig ist. Das deutet darauf hin, daß es sich nicht um bloße Schreibvarianten handelt. Ob das der Verwendung des Bogens entgegensteht, möchte ich nicht bestimmen, aber ich sehe darin keinen Hinderungsgrund.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.11.2010 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17253

Das Schwanken, das Herr Achenbach bei sich beobachtet, kenne ich von mir auch. Die Sache ist schwierig. Meine nachgelieferten Beispiele sollten auch zeigen, wie adverbiale Zusätze sich allmählich mehr an das Verb anschließen, bis hin zu eindeutig neuen Bedeutungen ("dazugehören").
Wir haben also "herkommen", dann "überall herkommen", was aber unlogisch zu sein scheint. Schreibe ich "überallher kommen", dann geht die enge Verbindung von Richtungszusatz und Verb verloren. Aber "überallherkommen" ist ungewohnt wegen des Umfangs.
Das Programm der Zusammenschreibung führt also, so fest verankert es in der neueren Orthographie ist, in gewisse Schwierigkeiten. Sie sind ausgedrückt in der Regel, daß Verbzusätze, wenn sie nicht zu umfangreich sind, mehr oder weniger mit Verben zusammengeschrieben werden. Das ist deskriptiv richtig, aber logisch unbefriedigend. Ein unlösbares Problem, in der Praxis allerdings wenig störend.
Herr Wrase hat recht, daß ich mich hier nicht recht herangetraut habe und deshalb erst einmal bei der bisherigen Norm geblieben bin.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 20.11.2010 um 08.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17254

Ich mußte über Herrn Bärleins Bemerkung grinsen, aber er trifft natürlich den Punkt. Wenn mein Hund folgsam ist, wird er auf Zuruf von überall herkommen – von überallher schwerlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.11.2010 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17255

Hier ist noch ein Schmankerl:

Die Schulmeister lehrten lange Zeit: Es heißt seit je, aber von jeher. Dabei bleibt auch der reformierte Band 9 der Dudenreihe, während im reformierten Rechtschreibduden nun steht: von jeher, seit jeher, ebenso im Wahrig. (Komisch, daß die Dudenredaktion ihre Bücher nicht aufeinander abstimmt, das müßte doch leicht möglich sein.)
Die alte Vorschrift war unrealistisch, die neue ist es auch (das amtliche Verzeichnis sagt gar nichts dazu, offenbar haben sich die Redaktionen von Duden und Wahrig abgesprochen). Ich habe aufgrund meiner Recherchen alle Möglichkeiten verzeichnet, allerdings auf zwei Einträge verteilt und noch verbesserungsbedürftig.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.11.2010 um 12.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17256

seit jeher stand schon in der ersten Auflage des Universalwörterbuchs (1983). Der aufmerksame Leser wird immer wieder mal auf solche Widersprüche stoßen. So wandelt man nach dem Redensarten-Duden in jemandes Spuren und nach dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache auf jemandes Spuren. Auf diesen und weitere Unterschiede angesprochen, sagte mir eine Duden-Redakteurin einmal, da seien halt verschiedene Kollegen am Werk gewesen.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 20.11.2010 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17257

"So wandelt man nach dem Redensarten-Duden in jemandes Spuren und nach dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache auf jemandes Spuren." (#17256)
Bei Präpositionen sollte man überhaupt nicht so vorschriftlich kommen. Deren Gebrauch kann von Landschaft zu Landschaft und Zeit zu Zeit durchaus ohne große Begründung verschieden sein. Schlimm und sogar albern ist eben die Vorschreiberei, die nicht auf zu Recht Hergebrachtes berücksichtigt (s. Icklers Beispiele auf id=1369). Wenn ich Studenten in meiner Gegend hier den richtigen Gebrauch der Präposition in "auf j-n warten" erkläre, erwähne ich immer, daß es in den USA auch Gegenden gibt, "where someone waits on someone and does not expect a tip." — Aber ich wandle immer in jemandes Spuren, auch mit meinem Hinweis hier, — schon um sicher zu gehen. Richtig "auf jemandes Spuren" zu gehen, wäre mir schon zu kompliziert.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.11.2010 um 19.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17259

Ich verstehe die Einträge in Duden-Wörterbüchern nicht als Vorschreiberei (außer früher die im Rechtschreibduden). Zahllose Leute sagen und schreiben zum Beispiel, daß irgend jemand den Finger in die Wunde gelegt hat, ich kenne aber kein einziges Wörterbuch, das diese Variante (nämlich zu den Finger auf die Wunde legen) verzeichnet hätte. Manchmal dauert es sehr lange, bis ein bestimmter Ausdruck oder eine Ausdrucksvariante in einem Wörterbuch dokumentiert ist. Wenn man darauf warten wollte! Wörterbücher sind doch keine Verordnungen, sondern Nachschlagewerke, Inspirationsquelle, Ratgeber. Wenn ich den Verfasser für sachkundig und gewissenhaft halte, unterstelle ich, daß die Einträge stimmen, ich glaube deswegen aber nicht, daß seine Sammlung (denn das ist ein Wörterbuch ja eigentlich) vollständig oder die Darstellung frei von Fehlern wäre. Ich finde es auch nicht tragisch, wenn im Redensarten-Duden hier und da etwas anderes steht als in anderen Duden-Werken. Ich habe das Beispiel nur gebracht, weil es zeigt, daß in einer Redaktion nicht alles so penibel abgestimmt wird, wie man sich das vielleicht vorstellt. Der Fall seit jeher ist vor allem deshalb problematisch, weil hier etwas einerseits als falsch gebrandmarkt und andererseits den Nutzern kommentarlos dargereicht wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2011 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#18927

Noch einmal zum scheinbaren Pleonasmus (siehe hier):

In einem ganz anregenden Kongreßbeitrag (http://krakau2006.anaman.de) hat Harald Weydt geschrieben:
"Das Kind ist auf den Boden hingefallen oder Das Kind ist auf sein Gesicht hingefallen.
Das ist nun wieder falsch, denn diesmal sagen die Deutschen nicht: Das Kind ist auf den Boden hingefallen, sondern: Das Kind ist auf den Boden gefallen, oder: Das Kind ist aufs Gesicht gefallen. Warum ist das so? Weil schon in der Adverbialbestimmung auf den Boden das noch einmal gesagt wird, was in der Vorsilbe ausgedrückt wird. Die Sprecher verzichten deshalb darauf.“
„Es heißt aber nicht: Er geht aus dem Haus aus, und auch nicht: Er geht in die Stadt aus und nicht Er geht aus dem Haus raus, und zwar, um es zu wiederholen, deshalb nicht, weil die im Präfix gegebene Information schon anderweitig gegeben wird: sie ist bereits im verbalen Kontext gegeben. Die Vorsilbe erübrigt sich also und sollte nach der ersten GRICE’schen Maxime der Quantität nicht mehr benutzt werden."

Zunächst müßte der Befund korrekter dargestellt werden: aus dem Haus raus ist ja sehr häufig.

Außerdem aber übersieht Weydt die Fälle, von denen ich in jenem anderen Eintrag nur einige wenige Beispiele gegeben habe. Die Information, die in hin-(fallen) steckt, ist keineswegs dieselbe wie in einer Richtungsangabe auf den Boden o. ä. Das müßte semantisch viel genauer analysiert werden.

Sehr deutlich ist der semantische Zugewinn durch den Verbzusatz bei eintreten. Man kann allenfalls noch in ein Haus treten, aber bei Orden heißt es fast immer: Er trat in den Orden ein.

Besonders häufig: Willst du mit uns mitkommen? usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2011 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#18928

Weydt folgt übrigens einem Hinweis Eugenio Coserius, wenn er Partikelverben und Modalpartikeln unter einer gemeinsamen typologischen Perspektive zu sehen versucht. Ich selbst habe in meinem Modalpartikelaufsatz ("Zur Bedeutung der sogenannten Modalpartikeln") ebenfalls auf Coserius fast vergessene Arbeit hingewiesen. Allerdings habe ich zu den Modalpartikeln eine ganz andere Meinung als Weydt, aber das ist hier nicht mein Thema.

Was ich eigentlich sagen wollte: Interessanterweise gibt der berühmte chinesisch-amerikanische Linguist Yuen Ren Chao in seiner großen "Grammar of spoken Chinese" (1968) auf S. 458 eine synoptische Liste deutscher Verbzusätze und chinesischer Richtungszusätze.

Coseriu hatte auch das klassische Griechisch, ebenfalls eine Partikelsprache, herangezogen, aber soviel ich weiß, ist der ganze Komplex bisher nicht näher untersucht worden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.07.2011 um 13.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#18973

"Franziska van Almsick fühlt mit Birgit Prinz mit."
(MM, 8.7.11, Beilage S. 3)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.02.2013 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#22521

Wie schreibt man eigentlich nur so dahin gesagt? Vielleicht doch nur so dahingesagt?

Die Version nur so dahin gesagt kommt mir besser vor – obwohl nur so ungefähr dieselbe Bedeutung transportiert wie nur so dahin, so daß hin auch dem Verb zugeordnet werden könnte. Es geht aber nicht um dahinsagen (und zwar nur so), sondern um sagen (und zwar nur so dahin).

Vergleiche:
Ich bin im Walde so für mich hin gegangen
Ich bin im Walde so für mich hingegangen

So weit, so klar. Nun findet man nur so dahin bei Duden online in genau einer Fügung, nämlich unter dem Stichwort dahinschmelzen in dem Beispiel ihr Ärger, Groll schmolz nur so dahin. Stellen wir die beiden Möglichkeiten nebeneinander:

Ihr Groll ist nur so dahin geschmolzen
Ihr Groll ist nur so dahingeschmolzen

Duden bringt wie gesagt das Ganze unter dahinschmelzen – was nicht unbedingt heißen muß, daß die andere Auffassung als schmelzen (und zwar nur so dahin) ausgeschlossen ist. Trotzdem sagt mir in diesem Fall die Schreibung nur so dahinschmelzen eher zu. Hier geht es tatsächlich um dahinschmelzen, ein Synonym für wegschmelzen. Das ist etwas anderes als nur schmelzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2014 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#25212

Gehört der Drang nach Bildung zu einer hochgradig wissensbasierten Gesellschaft dazu? (FAZ 22.2.14)

Ohne das scheinbar pleonastische dazu läge der Akzent auf einem falschen Satzglied.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.03.2014 um 05.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#25346

Ein absurdes neues Gesetz in den USA führt in Deutschland zu einer grammatischen Neuerung: unter den Rock fotografieren werde jetzt mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet usw. Wohin fotografieren Sie? Dativ geht auch schlecht, dann müßte man selbst unter dem Rock sitzen. (Übrigens verdoppelt sich die Höchststrafe auf fünf Jahre, wenn man unter einen Kinderrock fotografiert. Dorthin sollten Sie also auf keinen Fall fotografieren.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2014 um 05.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#27591

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#17245:

Welche Möglichkeiten der Verbzusatz gegenüber dem einfachen Verb eröffnet, wird sehr schön an einem Aphorismus aus Doderers "Repertorium" deutlich:

Irgendwo dazugehören zu wollen, ist Niedrigkeit, bassesse, ein Ausdruck, den Stendhal gerne gebraucht, etwa in Vie de Henri Brulard. Aber auch zu seinem eigenen Sack und Pack und Schnack, mit welchem man vom Leben beladen worden ist wie der Esel vom Müller mit den Mehlsäcken, sich auch noch begeistert zu bekennen, ist um nichts besser.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.09.2019 um 07.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#42131

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#25346

Gerade kocht die Debatte um "Upskirting" wieder hoch. Das Fotografieren in den Schritt (FAZ) wird unter „sexualisierte Gewalt“ subsumiert, anders geht es ja nach heutigen Vorgaben nicht.

Mit solchen Untaten überspannter Geschlechtsgenossen nicht vertraut, geniere ich mich ein wenig für sie. Wenn ich allerdings in der FAZ lese, daß man auf einigen Fotos nicht nur den "Schritt", sondern auch das Gesicht der fotografierten Frauen erkenne, bewundere ich die Fototechnik.

Aber eigentlich geht es mir ja um die Verbrektion: Wohin fotografieren Sie?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.09.2019 um 16.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#42132

Eigentlich sollte die Antwort sein:
Auf meinen Speicherchip.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.05.2021 um 21.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1368#46079

zu #17237:

Rentner können künftig auf niedrigere Steuern hoffen

[...] Damit können Millionen Rentner künftig auf niedrigere Abgaben hoffen.
(Freie Presse, 1.6.2021, Seite 1)

Mit dem Verb hoffen gibt es offenbar mehrere Anomalien. Gemeint ist ja hier, daß sie nicht erst künftig, sondern jetzt schon hoffen können, künftig niedrigere Steuern zahlen zu müssen.
 
 

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