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12.11.2009
bar
Wortbildung, Sprachspielerei und Namensrecht
Es war wohl unser Nachbarland, das mit "Österreich ist wanderbar" einem Adjektiv mit -bar von nichttransitiver Grundlage zum Ruhm verhalf.
"(un)verzichtbar" und einiges dieser Art hat schon vorher die Gemüter der Sprachpfleger erhitzt. Ursprünglich waren ja diese Adjektive von Substantiven abgeleitet, denn "bar" = 'tragend' paßt hier bestens: "frucht-bar" usw. Über die Komponente "tragend = ermöglichend" wurde es dann auf transitive Verbstämme eingeschränkt, und die alten Bildungen ("sichtbar" usw.) liegen wie Findlinge in der Gegend herum.
Wie mir kürzlich ein Schalke-Fan erzählte, haben die Bochumer das Wort "unabsteigbar" erfunden und das Prädikat für ihren VfL reklamiert. Ob es ihnen genutzt hat, weiß ich nicht, weil ich die Tabelle der Bundesliga normalerweise nicht zur Kenntnis nehme. In letzter Zeit sehe ich aber doch manchmal nach, denn ein Nürnberger Club-Fan hatte mich mal zu einem Spiel eingeladen, und prompt siegten die darüber selbst verdutzten Nürnberger 5:1 (gegen Eintracht Frankfurt, ein wahres Wunder!). Seither gelte ich als Glücksbringer, und es wird höchste Zeit, daß ich dem Club wieder mal meine segensreiche Anwesenheit gönne, denn man weiß ja, wie es um ihn steht.
Aber Spaß beiseite, als ich mir kürzlich ein neues Fahrrad kaufte, fiel mein Blick wieder mal auf die Werbung "unplattbar" (Schwalbe Marathon). Dieses Wort ist sogar als Warenzeichen geschützt! Das kann man verstehen, es ist ja wirklich kein gewöhnliches Wort der deutschen Sprache.
Dagegen war ich ziemlich erstaunt zu lesen, daß der gemeinnützige Bundesverband Deutsche Tafel gerichtlich gegen einen "Verein Kindertafel" vorging, um ihm diese Bezeichnung streitig zu machen. Die Klage wurde abgewiesen, weil der Begriff "Tafel" nach Ansicht der Richterin ein Allgemeinbegriff des Deutschen und daher nicht schutzfähig sei. Recht so! (Das Motiv der Kläger ist mir schon klar und auch nicht von der Hand zu weisen: Qualitätssicherung usw., aber das Aus-dem-Verkehr-Ziehen von immer mehr Wörtern geht wohl doch zu weit. Dann muß man sich eben originellere Namen einfallen lassen.)
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Kommentare zu »bar« |
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Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 01.11.2012 um 23.30 Uhr
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Durch den Hinweis von Herrn Wrase stelle ich gerade fest, daß es keine sinkbaren Schiffe, sondern nur unsinkbare gibt. Jedenfalls kann ich sinkbar in keinem Wörterverzeichnis finden.
Trotzdem ist die Bounty gerade gesunken.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 01.11.2012 um 04.17 Uhr
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Ein Standardbegriff bei Schiffskonstrukteuren scheint kenterbar zu sein. In fünf Wikipedia-Artikeln taucht unkenterbar auf. Im Artikel über Katamarane wird deren Kenterbarkeit als Nachteil angeführt. Letzteres ist sprachlich auch insofern interessant, als Katamarane "sehr breit sind und damit sehr stabil auf dem Wasser liegen", wie es direkt davor heißt. Kenterbarkeit bedeutet also nicht, daß Katamarane leicht umkippen, sondern daß sie keine Tendenz haben, sich nach dem Umkippen wieder aufzurichten.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2010 um 15.34 Uhr
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Schon! Aber während man "visibility" nach Graden im Fernverkehr z. B. braucht, ist das bei "drinkable" eben nur nur eine Sprachspielerei und hilft vielleicht denen zu ihren 5 Sekunden Gespräch an der Bar, die zu Hause vielleicht nicht mal ein "coffee table book" haben, und führt sie — ebenfalls vielleicht — zu weiteren 5 Sekunden Gespräch, wenn sie dann zum kostenlosen Popcorn etwas von dessen "(great) edibility" zu sagen haben.
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Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 13.07.2010 um 10.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1243#16504
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Der Schritt ist auch (fast) nachvollziehbar, Adj. drinkable. S.a. visible, visibility.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2010 um 09.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1243#16502
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Weil zu "unkaputtbar" hierher verwiesen worden ist und ich hier dessen Ursprung und den Geist dahinter finde ("1990 von Coca-Cola bei Gelegenheit der Einführung von Plastikflaschen geprägt"): Kürzlich, voriges Jahr glaube ich, ging hier in den USA eine Riesenbierbrauerei mit dem Anspruch auf (die besondere) "drinkability" eines ihrer Biere hausieren.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.11.2009 um 11.45 Uhr
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Die Wortbildung mit dem Suffix "bar" ist ein Beweis für die fortdauernde Univerbierungstendenz nicht nur von Wortgruppen, sondern auch von ganzen Sätzen, denn einen solchen ersetzt die Adjektivbildung mit "-bar".
Am produktivsten ist die Tendenz bei Passivkonstruktionen von transitiven Verben.
Aber auch mit intransitiven Verben: brennbar, gerinnbar, unsinkbar, unversiegbar, unnahbar usw.
Nur von echten Reflexiva ist kein "-bar"-Adjektiv bildbar.
Ableitungen aus Substantiven sind schon lange lexikalisiert: dienstbar, jagdbar, schiffbar, fruchtbar, schandbar, dankbar, kostbar, wunderbar usw.
Ableitung von Adjektiven: offenbar, sonderbar.
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Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 14.11.2009 um 07.57 Uhr
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Aber woher, lieber Herr Riemer! Ein Wort meiden, weil's nicht im 'Ickler' steht? Das wäre wohl kaum im Sinne des Verfassers. Und im übrigen sind Herrn Gaugers Wege eben auch nicht unverirrbar...
An unverzichtbar wäre höchstens zu bemäkeln, es wirke zu papieren (es stammt ja aus der Rechtssprache) und sei recht ausgelutscht (von Politikermund). Vollends blutleer ist für mich allerdings erst unabdingbar; ich bevorzuge unentbehrlich. Das sind Geschmacks- und Stilfragen, wie man sieht, denn gebildet ist das harmlose (un)verzichtbar tadellos.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.11.2009 um 01.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1243#15270
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In "Was wir sagen, wenn wir reden" schimpft Hans-Martin Gauger auch über das Wort unverzichtbar. Er meint zunächst, daß nur transitive Verben bar-Adjektive bilden können, nennt dann aber doch mit Unterstützung von Peter Eisenbergs "Grundriß ..." eine ganze Reihe von Ausnahmen. Schließlich schreibt er, daß verzichtbar nicht zu diesen Ausnahmen gehöre, weil es "völlig isoliert" dastehe. Er erklärt aber nicht, worin diese Isoliertheit gegenüber den vielen anderen intransitiven Ausnahmen bestehen soll, und ich habe das auch nie einsehen können.
Verstehe ich Prof. Ickler richtig, daß (un)verzichtbar wie fruchtbar und sichtbar nicht vom Verbstamm, sondern vom Substantiv ableitbar ist: (k)einen Verzicht ermöglichend?
Warum steht dann das Wort (un)verzichtbar nicht im Icklerschen Wörterbuch? Soll man also doch besser darauf verzichten?
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 13.11.2009 um 17.59 Uhr
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»Ursprünglich waren ja diese Adjektive von Substantiven abgeleitet, denn "bar" = 'tragend' paßt hier bestens: "frucht-bar" usw. Über die Komponente "tragend = ermöglichend" wurde es dann auf transitive Verbstämme eingeschränkt, und die alten Bildungen ("sichtbar" usw.) liegen wie Findlinge in der Gegend herum.« (Th. I.)
Dazu fällt mir folgendes ein: wunderbar vs. machbar.
Und ich ahne, woher Herrn Achenbachs Abneigung gegenüber abrufbar rührt (siehe hier).
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Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 12.11.2009 um 20.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1243#15265
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unkaputtbar, so wird eine Brille beworben.
Im Scenesprachenwiki, einem Gemeinschaftsprojekt von Dudenverlag und Trendbüro (was immer das ist) wird erklärt: unzerstörbar.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 12.11.2009 um 20.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1243#15264
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Vorbild für unabsteigbar war wohl unkaputtbar, 1990 von Coca-Cola bei Gelegenheit der Einführung von Plastikflaschen geprägt.
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