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04.12.2005
dtv – verloren und verlassen
Das Verließ
Der neue Weihnachtsprospekt des Deutschen Taschenbuch Verlags ist voll und ganz auf Reformkurs.
Und er tut sogar noch etwas mehr: „das Verließ“. Ja, meine Herren, das sind die eigentlichen Schwierigkeiten der herkömmlichen Orthographie, nicht aber die „Gemse“ oder der „Stengel“. Dabei hätte sich die Volksetymologie hier auf ehrwürdige Vorbilder stützen können.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2009 um 10.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#13950
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Das "Verließ" (heute wieder im Streiflicht der Süddeutschen Zeitung) muß man wohl mit Nachsicht betrachten. Es ist eine unerhörte Schwierigkeit der deutschen Orthographie und auf die Dauer nicht zu retten.
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Kommentar von Ch. Schaefer, verfaßt am 05.12.2005 um 20.30 Uhr 
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#1889
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Schöner Fehler, der ein Beispiel für die Untauglichkeit der RSR ist.
Nein, lieber Herr Leideck, das ist kein Beispiel für die Untauglichkeit der RSR, sondern ein Hinweis auf die echten Fallen der üblichen Orthographie, in die auch relativ erfahrene Schreiber zuhauf tappen. Andere Beispiele sind "Grabmal"/"Festmahl", "Grat"/Grad" oder "Gicht"/"Gischt".
Wenn hier so leicht Fehler passieren, liegt es wohl vor allem daran, daß diese Wörter relativ selten sind und daher weder in der Schule geübt werden, noch im visuellen Gedächtnis der Schreibenden präsent sind.
Dennoch läßt sich das "Verließ" als Paradebeispiel gegen die RSR anführen, denn die wirklichen Tücken der deutschen Orthographie geht sie nicht an und läßt Ratsuchende selbst im "amtlichen" Wörterverzeichnis teilweise im Regen stehen. Damit nicht genug, fügt sie neue Zonen der Unsicherheit hinzu, vor allem im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, von der ich mehr und mehr den Eindruck habe, daß sie niemand beherrscht, in der Groß- und Kleinschreibung, bei der die scheinbar so einleuchtende Artikelprobe die Schreibenden massenweise aufs Glatteis führt, und auch bei der geänderten ss/ß-Schreibung, die ihre fatalen Auswirkungen immer deutlicher zeigt.
Anhand einer Reihe von Aufsätzen, die ich in der letzten Woche das Vergnügen hatte Korrektur zu lesen, konnte ich das sehr schön nachvollziehen: ein Dutzend wissenschaftliche Texte, allesamt von Akademikern mit mindestens einem Doktortitel und in der Mehrheit Jura- oder Geschichtsprofessoren verfaßt. Die Fehler in Beiträgen mit herkömmlicher Orthographie bewegten sich im Rahmen von ein bis zwei Tippfehlern pro Text, während die "reformierten" Texte grob geschätzt fünf Fehler pro Seite aufwiesen. Die Fehler stammten alle aus den drei angesprochenen Bereichen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2005 um 08.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#1882
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Dank an Herrn Nakayama für den Hinweis! Eine "vollständige Umsetzung" der Rechtschreibreform ist a priori nicht möglich, weil die revidierte Fassung zu viele Leerstellen enthält, die amtliche deutsche Rechtschreibung daher zur Zeit als nicht definiert gelten muß. Zum Beispiel wissen wir nicht, ob aus den wieder zusammengeschriebenen Partizipien tatsächlich folgt, daß auch die entsprechenden Infinitive und finiten Formen wieder zusammengeschrieben werden sollen, wie es logischerweise zu erwarten wäre, ganz zu schweigen von den noch nicht amtlichen, aber ebenfalls unzulänglich formulierten Vorschlägen des Rates in diesem Bereich. Es gibt auch keine Arbeitsstelle, die eine umfassende Neudarstellung vornehmen könnte, denn das IDS hat dazu keinen Auftrag, und der Rat als ganzer ist dazu erst recht nicht imstande. Die Kultusminister müßten eigentlich einen eigenen Redaktionsstab ins Leben rufen.
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Kommentar von Ronald Leideck, verfaßt am 05.12.2005 um 07.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#1881
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Na, ist doch logisch: Das Verließ ist eine Ableitung von "der Verlass" ('auf ihn ist Verlass')! Nach Diphthong wird kein ss geschrieben, sondern ß... *lol*
Schöner Fehler, der ein Beispiel für die Untauglichkeit der RSR ist.
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Kommentar von Yutaka Nakayama, verfaßt am 04.12.2005 um 15.55 Uhr 
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#1875
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Im Frühling dieses Jahres erschien ein Deutsch-Japanisches Wörterbuch, das propagiete, wie alle anderen neulich publizierten Wörterbücher in Japan, daß es die Neuschreibung "vollständig" umgesetzt habe. Dort findet sich das Lemma "Litfasssäule" mit der etymologischen Erklärung, es sei nach dem Erfinder "Litfass" so benannt. "Gesslerhut" habe ich da leider nicht finden können.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 04.12.2005 um 15.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=311#1874
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Das Verließ klar, man würde es gern verlassen, daher mit ß. Ist doch (volksetymo-)logisch!
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