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»Darf man so sagen – oder schreiben?«


Beiträge zum Thema

»Groß oder klein?«

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Dieser Beitrag wurde am 25.06.2005 um 20.57 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#158


Klaus Achenbach am 25.06.2005 um 20:38 Uhr:

Zur weiteren Präzisierung:
Der Schnelle Brüter heißt nicht so, weil er besonders schnell brütet, sondern weil er mit schnellen Neutronen arbeitet. Das allein rechtfertigt - unabhängig von jeder Fachsprache - die Großschreibung, genauso wie die Erste Hilfe nicht notwendigerweise die erste geleistete Hilfe ist.


Fritz Koch am 25.06.2005 um 19:56 Uhr:

(zu diesem Beitrag von Theodor Ickler:)

Der Schnelle Brüter war von Anfang an ein Fachname für eine ganz bestimmte Bauform von Atomkraftwerken, und das wurde damals der Öffentlichkeit auch so erklärt. Sonst hätte man ja auch als Gegenstück von langsamen Brütern sprechen müssen, aber dieser Begriff wurde nie erwähnt.
Die Zunahme und Verstärkung der Univerbierung kann als Haupttendenz im Bereich der deutschen Wortbildung angesehen werden. Die Zusammenfassung von Wortgruppen zu Worteinheiten beginnt schon im Mittelalter.
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Walter Lachenmann
Waakirchen

Dieser Beitrag wurde am 07.10.2005 um 00.15 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#303


Kommentar verfaßt von Karsten Bolz am 06.10.2005 um 18:49 Uhr

Lieber Herr Stock, "jdm. Angst einjagen" unterscheidet sich doch strukturell von "jdm. Angst machen". Wenn ich jemandem Angst einjage, dann hat der doch danach hoffentlich große Angst. Damit ist sozusagen das "Ding" Angst in den anderen eingedrungen. Wenn ich jemandem angst mache, dann mache ich dem doch nicht das "Ding" Angst und stelle diese vor ihm hin.

(Weitere Diskussionen hierzu sollten wir im Diskussionsforum führen.)

Gerne:

Lieber Herr Bolz, hier bewegen wir uns wohl in einem Bereich, in dem uns nicht nur das einfache Rechtschreibvolk nicht mehr folgt. Ich übrigens zähle mich in dieser Frage zum einfachen Rechtschreibvolk und bin mir ziemlich sicher, daß ich spontan schreiben würde: „Mir macht jemand Angst“, genauso wie „Mir macht jemand Kummer“. Es handelt sich wohl um einen Bereich, in dem man es jedem überlassen sollte, wie er schreiben will.
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Karsten Bolz
Hofheim

Dieser Beitrag wurde am 07.10.2005 um 19.50 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#304


Lieber Herr Lachenmann, manchmal denkt man einfach zu wenig nach, und hat sich - schwupps! - in seiner eigenen Logikfalle verfangen. Ihr analoges Beispiel "Mir macht jemand Kummer" leuchtet mir ein und entkräftet meine Argumentation. Wir befinden uns an dieser Stelle offensichtlich in einer Grauzone, in der man mit Logik schon einmal gar nicht weiterkommt.
Können wir das so festhalten: "Mir macht jemand Angst" ist wie "Mir macht jemand Kummer" frei konstruierbar? "Mir macht jemand angst" und insbesondere "Mir macht jemand angst und bange" sind daneben übliche Schreibungen, die sinnvoll so begründet werden können. Denn offensichtlich sind die Konstrukte "jmd. angst machen" und "jmd. bange machen" so häufig anzutreffen, sodaß sie im Rechtschreibwörterbuch Eingang gefunden haben. ("Mir macht jemand Angst und Bange" sieht mir reichlich hölzern aus.)
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Wolfgang Wrase
Unterhaching

Dieser Beitrag wurde am 25.10.2005 um 21.45 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#327


Plazet, Placebo

Heute fiel mir auf, daß der Duden neben dem Plazet kein Plazebo aufführt. Das ist nicht einleuchtend und auch nicht realistisch. Zwar dominiert Placebo, zumal in der Medizin, aber der Anteil von Plazebo ist auch nicht zu verachten. Eine unproblematische, geradezu zwangsläufige Eindeutschung, die ohne weiteres anerkannt werden sollte. In der Medizin gibt es ein fröhliches Nebeneinander von Fructose - Fruktose, Citrat - Zitrat, cerebral - zerebral u. v. a. Placebo - Plazebo liegt genau auf dieser Linie. Mir scheint auch, die Eindeutschung liegt noch näher, wenn Plazebo im übertragenen Sinn gebraucht wird, etwa: Die Reparaturen an Hartz IV sind bisher nur ein Plazebo.

Die Reformer mit ihrem deutschen Grislibär sind auch nicht drauf gekommen. Hatten wir das schon thematisiert? Ich kann mich nicht erinnern.

Im Ickler könnte Plazebo natürlich ebenfalls, vielleicht erstmals, anerkannt werden.
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Wolfgang Wrase
Unterhaching

Dieser Beitrag wurde am 26.10.2005 um 07.57 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#328


jemandem angst machen, jemandem Angst machen

Daß jemandem angst machen auf jeden Fall in Ordnung ist, ergibt sich aus der entsprechenden Fügung mir wird angst, mir wird angst und bange. Auch schon recht deutlich, wenn auch nicht mit letzter Eindeutigkeit adjektivisch: jemandem angst und bange machen.

Nehmen wir doch mal bange bzw. Bange allein: jemandem Bange machen. Das ist nach meiner Empfindung ziemlich daneben, noch mehr als bei jemandem Angst und Bange machen. Letzteres sieht jedoch nur deswegen plausibler aus, weil jemandem Angst machen nicht einfach als falsch bezeichnet werden kann; die Konstruktion mit Substantiv ist dann gewissermaßen vom Schreiber bzw. vom Leser bereits akzeptiert, und er fügt Bange mit einem gewissen Widerstreben in das Schema ein. Theoretisch könnte auch jemandem Bange machen in Ordnung sein, aber die Bange gehört in ein anderes stilistisches Register als das selbstverständliche, "normaler" klingende jemandem bange machen. Nur aus dieser stilistischen Sicht, meine ich, also nur aus dem Sprachgefühl kann man bange im letzteren Ausdruck mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als Adjektiv identifizieren.

Nun nochmals Angst allein: Ich bin mit Herrn Bolz der Meinung, daß jemandem Angst machen jedenfalls heutzutage ebenfalls eine gültige Konstruktion ist. Wenn es in der Geschichte Wortartwechsel und unbestimmte Wortartzugehörigkeiten gegeben hat, kann und muß das doch heute ebenfalls so sein. Ich würde daher die Großschreibung jemandem Angst machen als Nebenvariante ins Wörterbuch aufnehmen, nicht jedoch jemandem Bange machen, obwohl dies rein grammatisch, ohne Sprachgefühl, ebenfalls korrekt wäre.

Somit stünde in meinem Wörterbuch:
jemandem angst machen, auch: jemandem Angst machen
mir wird angst
jemandem bange machen
mir wird bange
jemandem angst und bange machen
mir wird angst und bange

Ich finde, das Problem löst sich mit dieser liberalen Handhabung bei angst, Angst auf. Wenn Adjektiv (dominante Zugehörigkeit, dominante Empfindung), dann klein. Wenn Substantiv, dann groß. Alles ganz normal. Es bleibt dem Schreiber überlassen, welche Interpretation ihm die Feder führt. Man kann ihn nicht zwingen, ein Adjektiv zu erspüren, auch wenn sich das anhand der Vergleichskonstruktion mir wird angst aufzudrängen scheint.

-------------

Das hatte ich zunächst geschrieben. Dann fiel mir ein: Es gibt doch ... macht mir keine Bange. Siehe Google. Natürlich auch reichhaltige Belege für ... macht mir keine Angst. Also müssen wir doch jemandem Bange machen sowie jemandem Angst und Bange machen anerkennen - oder?
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Kratzbaum
*

Dieser Beitrag wurde am 26.10.2005 um 09.27 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#329


Die Verwirrung rührt einmal daher, daß es bei angst/Angst - bange/Bange Groß- und Kleinschreibung gibt. Von Substantiven und Adjektiven zu sprechen, ist in diesem Fall schon problematisch und führt zu weiterer Unsicherheit. Hinzu kommt, wie Herr Wrase richtig bemerkt, daß uns (die) "Bange" nicht so geläufig ist wie (die) "Angst". - Mir scheint die Hauptursache des Problems allerdings die Vieldeutigkeit oder vielseitige Verwendbarkeit von "machen" zu sein.

1. machen gleich herstellen: einen Film machen
2. machen gleich herstellen (schon weniger konkret) m. Dativ-Objekt:
jemandem das Frühstück machen
3. machen gleich herstellen (kaum noch konkret) m. Dativ-Objekt:
jemandem den Louis machen
4. machen kaum noch als herstellen: den Abgang machen
5. machen gar nicht mehr als herstellen: nach Berlin machen

Vorschlag: angst machen usw. gehören in ein Wörterbuch der Redewendungen, und zwar unter " machen".
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Jan-Martin Wagner
Jena

Dieser Beitrag wurde am 11.04.2006 um 18.15 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#609


In Ergänzung dessen, was Herr Ickler bereits zu den Gedanken von Herrn Hohenembs ausgeführt hat (siehe hier), möchte ich noch auf zwei Dinge hinweisen:

1.) Strenggenommen kann jedes Substantiv, sobald es zusammen mit einer Präposition verwendet wird, adverbial verwendet werden, wodurch man nicht nur zu den Vorschlägen von Herrn Hohenembs käme, sondern man müßte in noch viel mehr Fällen klein schreiben. Das tut man aber nicht, sondern läßt das Substantiv unangetastet, weil die Verwendung von Präpositionen im Deutschen ein ganz normaler Vorgang ist.

Dieses Verfahren ist aber gewissermaßen eine Einbahnstraße: Nur von einem bestehenden Substantiv aus gelangt man mittels einer Präposition zu einem adverbialen Ausdruck. Die Reform wollte nun partout den umgekehrten, den „verbotenen“ Weg gehen (grob skizziert): Adverbiale Gefüge, die nicht von einem Substantiv abgeleitet sind, aber eine Präposition enthalten und bei denen es daher so aussieht, als enthielten sie ein Substantiv, sollen entsprechend mit einer Großschreibung versehen werden. Das führt dann zu solchen Absurditäten wie des Öfteren, bei dem es auf die Frage, was denn das Öftere sei, von dem dieser Ausdruck abgeleitet zu sein scheint, keine Antwort gibt.

(Im Unterschied dazu ist diese Ableitung bei im Voraus klar: Der Voraus ist nach § 1932 BGB der besondere Erbteil des überlebenden Ehegatten; Näheres in den Weiten des Internets, jede Suchmaschine kennt sich da aus.)

Davon zu unterscheiden ist eine echte Substantivierung, wie sie im folgenden Fall vorkommt:

2.) Gerade was die Formulierung des „Kürzerenziehens“ betrifft, sollte man sehr wohl in der Schreibung unterscheiden, ob man die konkrete oder die übertragene Bedeutung meint – wie der folgende altbekannte Witz verdeutlicht:

Trifft der Student seinen Professor am Pissoir. „Hallo Professor, endlich kann ich mir Ihnen gegenüber auch mal was herausnehmen!“ „Tja, wie ich Sie kenne, Müller, werden Sie auch hier wieder den kürzeren ziehen!“

Ob der Professor bei Großschreibung wegen Sexismus drangewesen wäre? Ich hoffe es – zum Nachteil der Rechtschreibreform, denn die läßt hier, soweit ich weiß, nur noch Großschreibung zu...
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Sigmar Salzburg
Dänischenhagen

Dieser Beitrag wurde am 11.04.2006 um 20.27 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#610


Ich deute Kleinschreibungen wie „den kürzeren ziehen“, „im wesentlichen“, „seit langem“ mitunter als Ellipse, als Ausdruck, bei dem zu Ergänzendes oder unbestimmt Vorausgesetztes weggelassen wurde: „den kürzeren [Stab] ziehen“, „im wesentlichen [Besprochenen] “, „seit langem [geplant]“. Gerade in Spiegel 11/2005 gesehen: „Der Dalai Lama ist nicht der Einzige, den der 59-jährige Physiker der Unversität Wien zum Staunen bringt.“ Jeder geübte Leser ergänzt sonst gedankenschnell einen unbestimmten, nicht in Worte zu fassenden Kategorialbegriff „… ist nicht der einzige [Mensch, Prominente, Interessierte …]“. Dies wird durch die Großschreibung abgeblockt, so daß nun unerwünscht die eingeschränkte Sonderbedeutung wirksam werden kann, die oft mit der substantivierten Form verbunden wird.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 11.04.2006 um 22.35 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#611


Sigmar Salzburgs Hinweis aufs Elliptische bei der Kleinschreibung in so manchen Ausdrücken hat eine Menge für sich. Die Tendenz zur Kleinschreibung ist jedem, der viel liest und schreibt, leicht eingänglich, auch wenn er nur mit Faustregeln wie "im Zweifel klein" arbeitet. Für mich ist auch "etwas auf die schnelle schreiben" etwas ganz anderes als "etwas auf die Schnelle schreiben". Ersteres bedeutet "etwas auf die schnelle Art schreiben", bei letzterem habe ich erotische Hintergedanken. — Tut mir leid, daß ich das so in den Vordergrund zerre, aber unser Moderator hat ja mit seinem Professorenwitz damit angefangen. Wie dem auch sei, — ich schreibe nichts auf die Schnelle. "Jeder geübte Leser ergänzt [...] gedankenschnell" das gemeinte Beziehungswort, unterbewußt, und mehr ist auch nicht nötig. Echte Substantivierung verlangt eben mehr als nur verordnete ungeordnete Großschreibung.
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Kratzbaum
*

Dieser Beitrag wurde am 03.07.2006 um 21.56 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#759


So ein verflixtes großes R

"Wer liebt, hat Recht" nennt das ZDF seinen heute gesendeten Fernsehfilm. Wo doch jeder weiß, daß man durch Liebe keine Rechte erwirbt.
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Konrad Schultz
Chemnitz

Dieser Beitrag wurde am 18.07.2006 um 21.10 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#798


Eine Lehrerin aus Thüringen war sich bei der Bewertung von Schulaufsätzen unsicher, ob die Heilige Elisabeth oder die heilige Elisabeth als richtig zu bewerten sei. Spontan schlug ich H. E. als sicher richtig vor, oder zumindest zulässig, jedenfalls nach den jüngeren Entwicklungen. In Thüringen ist die Frau ja wohl als Eigenname zu erkennen, gleich was über die heilige Theresia geschrieben wird. Nun, nach dem Nachsehen war ich nicht mehr so sicher. Daraufhin guckte ich in alle greifbaren Internetquellen, und hier fand ich nun als einzige verwertbare Quelle eine groß geschriebene Heilige Elisabeth, und die war nun doch wohl sicher verwertbar, nämlich im amtlichen Lehrplan im Fach Deutsch des Thüringer Kultusministeriums.
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Christoph Schatte
Poznan

Dieser Beitrag wurde am 04.10.2006 um 16.24 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#983


Wolfgang Wrase ist darin zuzustimmen, daß sowohl "jm. angst machen" als auch "jm Angst machen" graphemisch sinnvoll ist, denn /angst/ kann im ersten Falle steigernde Attribute annehmen, im zweiten Falle dagegen auch andere (z.B. Eigenschaftsattribute): "jm. sehr angst machen" vs. "jm. große Angst machen". Die adverbiale Graduierung ist natürlich bei "bange machen" ebenso wenig möglich wie im Falle von "angst und bange machen", weil Konjunktoren wie "und" nach U. Engel nur gleichartige (und gleichwertige) Elemente verbinden. Für den Neuschrieb wurde offenbar angenommen, daß "bange" einfach dazu verdonnert wird, ein Nomen zu sein, auch wenn es gar nicht möchte.
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande

Dieser Beitrag wurde am 04.11.2006 um 14.30 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1050


Du, du, Du!

Die Sache mit dem Du läßt mir keine Ruh. Die Erfinder der inzwischen entschärften Regel, nach der das Pronomen der vertrauten Anrede (du, dein, dir usw.) ausnahmslos, also auch in Briefen und briefähnlichen Texten, klein zu schreiben ist, mochten die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung bei diesen Anredepronomen nicht nachvollziehen. Auch ich habe diese Differenzierung nie so recht verstanden, wenn meine Überlegungen mich auch zu einem anderen Schluß geführt haben als die Reformer. (Daß der Staat sich nicht in die Orthographie von Privatbriefen einmischen sollte – geschenkt! Mich interessiert hier die Sache selbst, und ich bin gespannt auf die Meinung der geschätzten Mitdenker.)

Der letzte vorreformierte Rechtschreibduden von 1991 verkündet unter R 71:

„Das Anredepronomen in Briefen wird groß geschrieben.
[Es folgen Beispiele.]
Dasselbe gilt auch für Anredepronomen in feierlichen Aufrufen und Erlassen, Grabinschriften, Widmungen, Mitteilungen des Lehrers an einen Schüler unter Schularbeiten, auf Fragebogen, bei schriftlichen Prüfungsaufgaben usw.
[Beispiele]
Bei der Wiedergabe von Reden, Dialogen u.ä., in Protokollen, Prospekten, Lehrbüchern u.ä. wird jedoch klein geschrieben.“

Es soll also mal groß, mal klein geschrieben werden. Eine Begründung wird nicht gegeben. Meinen Versuch, sie mir selbst zu erschließen, beginne ich mit der Gegenüberstellung von zwei Fallgruppen: der Anredepronomen Du/du, Deine/deine usw. in schriftlichen Prüfungsaufgaben und in Lehrbüchern. (Der Begriff „Lehrbücher“ ist nicht ganz eindeutig, weil ein Lehrbuch nicht zwangsläufig ein Schulbuch ist. Daß sich R 71 aber auf Lernende bezieht, die geduzt werden, geht zum einen aus sämtlichen aufgeführten Beispielen und zum anderen aus der Tatsache hervor, daß der „Höflichkeitsanrede“ Sie eine eigene Richtlinie, R 72, gewidmet ist.) Nun frage ich mich, warum ein Schüler in einer Prüfungsaufgabe mit Du, in einer Übungsaufgabe in einem Schulbuch aber mit du angesprochen werden soll. Die Vermutung liegt nahe, daß der unterschiedliche Grad der Vertrautheit zwischen Verfasser und Rezipient bzw. der Direktheit der Anrede eine Rolle spielt: Während in der Prüfungsaufgabe der Lehrer ihm persönlich bekannte Schüler anspricht, wendet sich der mehr oder weniger anonyme Autor eines Schulbuchs an eine unüberschaubare Vielzahl ihm unbekannter Schüler. Diese Vermutung wird gestützt durch den Hinweis auf „Mitteilungen des Lehrers an einen Schüler unter Schularbeiten“, bei denen das Anredepronomen groß geschrieben werde. Gegen diese Deutung spricht allerdings die Großschreibung in „feierlichen Aufrufen und Erlassen“, die sich in der Regel ja ebenfalls an eine anonyme Masse richten. Gibt es womöglich so etwas wie ein Kriterium der „Feierlichkeit“?

Ich versuche es von einer anderen Seite her. Bei der „Wiedergabe von Reden“ wird nach dem alten Duden klein geschrieben. Das erscheint mir auf den ersten Blick plausibel. Aber warum eigentlich? Was ist überhaupt mit „Wiedergabe“ gemeint: die nachträgliche schriftliche Fixierung einer tatsächlich gehaltenen Rede, das Manuskript einer Rede, die noch gehalten werden muß, bereits gehalten worden ist oder niemals gehalten werden wird? Man stelle sich vor, der Abteilungsleiter hält eine Ansprache anläßlich der Verabschiedung eines Mitarbeiters, den er zufällig duzt. Was heißt das für die Groß- oder Kleinschreibung der Anredepronomen a) in seinem eigenen Redemanuskript, b) in dem Text, den er dem Mitarbeiter auf dessen Wunsch hin aushändigt, weil dieser die Rede so rührend fand, c) in dem Text, den er der Redaktion der Betriebszeitung zur Verfügung stellt, weil sie in der nächsten Ausgabe ein Porträt des verdienstvollen Mitarbeiters bringen und darin aus der Rede zitieren will?

Soll das Anredepronomen etwa nur dann groß geschrieben werden, wenn der Text für den persönlich Angesprochenen bestimmt ist? Zwar verliert ein Pronomen, sobald es nicht vom Angeredeten selbst, sondern von einem Dritten gelesen wird, seine unmittelbare Anrede-Funktion, so daß man argumentieren könnte, die Majuskel werde dann als optisches Signal an den Adressaten, daß er und nur er gemeint sei, nicht mehr gebraucht. Wäre dieses Kriterium aber wirklich entscheidend, so müßte man auch beim Abdruck eines Briefwechsels alle Du durch du ersetzen; auch dürfte man bei der Wiedergabe einer Rede bestimmte Satzzeichen nicht verwenden, z. B. ein Ausrufezeichen zur Kennzeichnung einer laut artikulierten Beschimpfung des Angeredeten – nicht des Lesers! – durch den Redner. Muß jener Leser hier tatsächlich vor Mißverständnissen geschützt werden? Ich glaube, nicht. Ihn dürfte das Du in der Textwiedergabe genausowenig überfordern wie die Anrede „Lieber Hans!“, die er auch dann nicht auf sich beziehen wird, wenn er selbst zufällig Hans heißen sollte.

Hier beende ich meinen Gedankenspaziergang durch die alte Dudenregelung. Ich selbst halte es mit den Anredepronomen ganz einfach: ich schreibe sie immer groß. Nur das auch in der Standardsprache immer häufiger zu hörende du im Sinne von man würde ich gegebenenfalls klein schreiben, weil es sich hier nicht um ein Anredepronomen handelt.

Die Kleinschreibung der Schüleranrede in Schulbüchern ist übrigens keine Erfindung des alten Dudens. Die Darstellung entsprach offensichtlich der Praxis. Jedenfalls habe ich in mehreren Schulbüchern meines Vaters aus den 50er Jahren und in meinen eigenen Schulbüchern aus den 70er und 80er Jahren ausnahmslos klein geschriebene Anredepronomen gefunden.

Mit der Teilrehabilitierung des großen Du in Briefen ist der Rechtschreibrat nach dem bekannten Muster verfahren, besonders heftig kritisierten obligatorischen Neuschreibungen die alten Schreibungen als Alternative zur Seite zu stellen. Die Heftigkeit der Kritik ist aber kein tauglicher Maßstab für die Überarbeitung eines fehlerhaften Regelwerks. Denn was ist zum Beispiel davon zu halten, daß man nach den neuesten Regeln das Du nur „in Briefen“ groß schreiben darf? Was ist mit E-Mails? Was ist, wenn jemand (gegen den Trend, der ja zur generellen Kleinschreibung geht) auch beim Chatten seinen Gesprächspartner mit Du anschreiben möchte? Sind elektronisch verfaßte und verschickte Nachrichten anders zu behandeln als klassische Briefe? Wie steht es mit handschriftlichen Notizen? Hat der Rat diese Fragen womöglich in irgendeiner Handreichung beantwortet? Wenn ja, worin soll dann eigentlich der Fortschritt gegenüber der Darstellung im alten Duden bestehen?

Alt, neu; vorher, nachher; regelungsbedürftig, nicht regelungsbedürftig – das alles interessiert mich, wie gesagt, nur am Rande. Wer kann etwas zur Sache sagen?
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 04.11.2006 um 15.51 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1051


Die alte Duden-Regelung erfaßt eine Form der Ansprache noch nicht, die heute von großer Bedeutung ist, nämlich die (durchaus unfeierliche) Anrede des Kunden in der Werbung. Dieses weite Feld ist auch vom Rat (bewußt) übersehen worden.

Erwähnenswert ist noch ein Sonderfall, die Übersetzung fingierter Briefe der klassischen Literatur (z. B. Seneca). Hier war und ist die Kleinschreibung üblich.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 04.11.2006 um 21.21 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1053


"Wer kann etwas zur Sache sagen?" (#1050)
Ich weiß nicht, ob ich das kann; aber ich habe jedenfalls die vernünftige Tradition so verstanden:
Unser "du" und seine Formen (also auch dessen Plural "ihr" und dessen Formen) werden groß geschrieben, wenn der Leser direkt mit diesen Formen angesprochen wird, also in Briefen, aber auch auf Plakaten, usw., selbst in der Reklame. Es ist die gleiche Großschreibung aus Gründen der Ehrung, die wir bei den Pronomenformen für Gott haben, so wir religiöse Texte für die Liturgie schreiben: "..., der Du bist im Himmel, Dein Wille geschehe", "wir erbitten Seinen Segen", usw.) und die auch bei anderen Majestäten üblich sind ("Ew. Gnaden", "Eu[e]re Hoheit/Magnifizenz/Spektabilität" usw.) und die auch ursprünglich zur Großschreibung des Anredepronomens "Sie" und seinen Formen geführt hat (hier mit Ausnahme des Reflexivpronomens "sich", heute jedenfalls). In Erzählungen zitierte Anredepronomen fallen deshalb nicht unter diese besondere Ehren-Großschreibung von Pronomen. Und ebenfalls kommt diese besondere "Ehrung" wohl nicht in Betracht bei Anreden von Kindern in den Aufgabenstellungen in (Schul-)"Lehrbüchern".
"..., so müßte man auch beim Abdruck eines Briefwechsels alle Du durch du ersetzen; auch dürfte man bei der Wiedergabe einer Rede bestimmte Satzzeichen nicht verwenden, z. B. ein Ausrufezeichen zur Kennzeichnung einer laut artikulierten Beschimpfung des Angeredeten – nicht des Lesers! – durch den Redner." Hier ist die Antwort schon gegeben: Der ganze "Abdruck" ist eben eine Kopie des Originalmanuskripts; die Großschreibung hier zeigt, der ursprünglich Angeredete wird vom ursprünglich Anredenden durch die Großschreibung geehrt, nicht jetzt der Leser des Manuskripts. Der alte Duden war hier etwas pingelig: "Wiedergabe von Reden" ist schon richtig, wie auch Herrn Markner Hinweis auf die "die Übersetzung fingierter Briefe der klassischen Literatur". Die Lösung des Problems liegt jedoch in der Antwort auf die Frage: Wer ist im gegebenen Augenblick der vom vorliegenden Text Angesprochene? Oder anders gefragt: Haben wir den Abdruck des Manuskripts mit den Du-Formen für den in der "Rede" Angesprochenen oder die "Wiedergabe" des wortwörtlichen Inhalts an den Leser jetzt?
Als der Singular unseres Anredepronomens "Sie" noch üblich war, wurde der auch aus Gründen der besonderen Ehrung großgeschrieben: "Hat Er schon gegessen?", "Hat Sie diese Antwort geschrieben?" Jedenfalls lese ich das so in Ausgaben von Texten aus jenen Zeiten. Die Pluralform dieser Anreden in der dritten Person aus Gründen der Ehrung für nur eine Person ("Sie" Singular) ist dann zusätzlich eine besondere Ehrung. Dieses letztere besondere Ehrungsmerkmal finden wir auch im Gebrauch von englisch "you" (ursprünglich ein Plural ["euch"]!) für nur eine Person.
Der Reformer-Angriff auf die Großschreibung der "Du"-Formen war also durchaus gesellschaftsideologisch motiviert; bloße "Vereinfachung" hätte ja auch die Kleinschreibung des Pronomens "Sie" verlangt. Der "Unterscheidungsgrund" zieht nicht, denn wir haben genügend viele andere Homophone, womit wir gut leben, wo die Reformer aber doch so unbedingt helfen wollend eingreifen mußten, mit ihrem "heute Abend" mit dem resubstantivierten "Abend" zum Beispiel, — wovor sie ein "heute Früh" vor dümmlicher Vereinfachung schon hätte warnen müssen. An den doch viel einfacher zu erkennenden Genitiv in "abends" haben sie sich aber nicht getraut. Vonwegen "heute Abend" sei "einfacher zu lehren"! Doch etwas sachgerecht und deshalb auf lange Sicht auch lehrgerecht zu bedenken ist eben ihre Sache nicht.
Also zu "feierlich/unfeierlich": Es geht bei der Großschreibung hier um "Ehrung", nicht um die feierliche Atmosphäre, die oft damit verbunden ist. Ehrung in jedem Fall? Ja; die normale gesellschaftliche Ehrung. Selbst Al Capone war bis zu seiner Verurteilung für den Richter immer noch "Mr. Capone". Ehre also, wenn wem diese uns normale Ehrenbezeigung nicht rechtskräftig abgenommen worden ist. Dies steht m. E. hinter der Großschreibung der Du-Formen, und ich entbiete es deshalb Ruhelosen zur Beruhigung.
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Christoph Schatte
Poznan

Dieser Beitrag wurde am 05.11.2006 um 16.00 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1058


Vielleicht wird mit der außer bei Sie freigestellten Großschreibung der Anredepronomina und ihrer Abkömmlinge weniger Ehrung vollzogen als dem Angesprochenen Ehrerbietung bzw. Demut signalisiert. Dem heutigen Briefschreiber ist es nun freigestellt, dem Angeschriebenen Ehrerbietung zu erweisen oder sie ihm zu versagen. Bleibt die Frage: In welchen alltäglichen und damit weitgehend konventionalisierten Stiuationen schriftlicher Kommunikation wird ein Schreiber dem Angeschriebenen deutlich machen wollen, daß er ihm die Ehrerbietung versagt?
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande

Dieser Beitrag wurde am 06.11.2006 um 01.53 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1062


Herr Ludwig (dem ich für seine „beruhigenden“ Worte [#1053] herzlich danke) setzt, kurz gesagt, auf eine Kombination von Unmittelbarkeit der Ansprache und Ehrerbietung. Das war, wie erwähnt, ursprünglich auch meine Überlegung, und ich halte diese beiden Aspekte nach wie vor für die wichtigsten. Aber es bleiben eben viele Ungereimtheiten, und ich vermute, daß die Zusammenhänge in Wahrheit noch viel komplizierter sind, als wir sie hier bisher erörtert haben. Ich denke, daß weitere Kriterien eine Rolle spielen und daß man bei einer gründlichen Analyse dieser komplexen Frage zu dem Ergebnis käme, daß die verschiedenen Kriterien von Fall zu Fall in durchaus unterschiedlichem Maße erfüllt sind. So bleibt die Frage unbeantwortet, warum Kindern in einem Prospekt der Jugendbibliothek und in einer Schulbuchaufgabe weniger „Ehrung“ gebühren soll als in einer Prüfungsaufgabe oder in einer Mitteilung des Lehrers unter einer Schularbeit. Spielt hier nicht doch die Tatsache hinein, daß sich die Beteiligten in diesem Falle persönlich kennen und in jenem nicht – ein Kriterium, das wiederum bei feierlichen Aufrufen außer Betracht bleibt?

Die Großschreibung der bewußten Pronomen in der Werbung scheint mir nur ein weiteres Indiz für die Kompliziertheit der Materie zu sein. Ich zumindest fühle mich, Großschreibung hin oder her, nicht sonderlich geehrt, wenn ich in Reklamespots neuerdings plump geduzt werde!

Gibt es einen Unterschied zwischen „Kopie des Originals“ und „Wiedergabe des Originals“? An sich schon. Nur ist dieser Unterschied in unserem Zusammenhang eben nicht relevant. Denn gemeint ist ja stets das wörtliche Zitat, also das Zitat von Teilen des Wortlauts oder des gesamten Wortlauts, nicht etwa – diese Deutung läßt das Wort „Wiedergabe“ zumindest zu – die indirekte Rede oder die Paraphrasierung (bei denen die Pronomen Du usw. im übrigen gar nicht vorkommen), und in diesem Sinne eben die Kopie. Insofern halte ich die Wortwahl des alten Duden für unglücklich. Für die Groß- oder Kleinschreibung der Anredepronomen kann es nicht darauf ankommen, an welcher Stelle und in welcher Form der Leser darauf aufmerksam gemacht wird, daß das Original zitiert, abgedruckt, „wiedergegeben“ wird und folglich nicht er gemeint ist, wenn irgendwo ein Du steht. Entscheidend ist vielmehr, daß der Leser es weiß. Und er weiß es – ob durch den Werktitel („Briefwechsel zwischen Rilke und ...“; Franz Kafkas „Brief an den Vater“), durch die Überschrift in der Betriebszeitung („Rede des Abteilungsleiters anläßlich ...“) oder durch entsprechende Einleitungssätze („In ihrer Rede hat sie das so formuliert:“; „Er fragte ihn:“). Daher halte ich die Umwandlung des Du in ein du in der Wiedergabe des Wortlauts einer Rede für ein in der Praxis überflüssiges Exerzitium.

Herr Schatte rührt mit seiner Anmerkung (#1058) an ein Thema, das hier an anderer Stelle schon einmal diskutiert worden ist. Ich meine Äußerungen der Art „Was bist Du/du nur für ein Weichei?!“, die nicht so recht ins Schema des Ehrenerweises passen. Fürwahr ein weites Feld. Der Rat sollte zum Nachsitzen verdonnert werden.
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 06.11.2006 um 02.59 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1063


Geehrt muß man sich durch das Angeduztwerden nicht fühlen, aber vielleicht ein bißchen geschmeichelt? Das Werbe-Du vermittelt im wesentlichen zwei Aussagen: Dieses Unternehmen ist Dein Freund! und: Thou art as young as thou feelst! Anders gesagt: Wer sich von Klingeltonwerbung noch angesprochen fühlt, muß sich noch nicht um seine Rente Sorgen machen.
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Kratzbaum
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Dieser Beitrag wurde am 06.11.2006 um 08.33 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#1064


Dududu

Die Diskussion um das Anrede-Du/du hatten wir hier ja schon einmal. Ich erlaubte mir damals den Einwand, daß die Rede von "Ehrerbietung" und "Höflichkeit" in diesem Zusammenhang in die Irre führe. Meiner Ansicht nach signalisiert das große Du eine persönliche Beziehung und Vertrautheit. Man schreibt groß, wenn man auch in der mündlichen Kommunikation den Partner duzt. Dem widerspricht weder das kleine du in Schullehrbüchern, noch das große Du in der Werbung. Im ersten Fall besteht eben keine persönliche Beziehung (als Lehrer würde ich z.B. in einer Bemerkung unter einer Schülerarbeit immer groß schreiben), im zweiten soll eine solche nur fingiert werden. Ehrerbietung und Höflichkeit haben mit Distanz zu tun (das große Du rückt mir auf dem Leib), und es wird wohl niemand behaupten, daß man diese in Briefen an Freunde usw. markieren will.
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande

Dieser Beitrag wurde am 06.11.2006 um 08.57 Uhr eingetragen.
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Ich fürchte, genau so (#1063) ist es. Und wieder ist die Sammlung um ein Exemplar reicher: das Kriterium der Anbiederung.
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Bernhard Eversberg
Braunschweig

Dieser Beitrag wurde am 06.11.2006 um 09.37 Uhr eingetragen.
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Sodann ist da noch das Kaiser-du. So nenne ich mal das von F. Beckenbauer, aber auch anderen Sportsmenschen dauernd im Munde geführte "du" als Ersatz für "man". Vermutlich ist es in Bayern sehr verbreitet, auch wenn man mit wildfremden Menschen spricht. Hier scheint mir, weil ja nicht wirklich eine persönliche Anrede intendiert ist, nur Kleinschreibung tunlich. Es kommt in der echten, gesprochenen Mundart wohl gar nicht als Wort vor, weil immer "kannst" und "siehst" und "gehst" usw. gesagt wird und nicht "kannst du" etc. Im bayrisch kolorierten Hochdeutsch dagegen, der Mediensprache also, taucht an der Stelle dann eben das "du" auf. Wohl weil das "Sie" und auch das "man" eine andere Wortstellung oder Flexion erzwänge, die dann unbayrisch anmutet.
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Dieser Beitrag wurde am 25.10.2007 um 14.38 Uhr eingetragen.
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Horst Ludwig am 24.10.2007 um 17.24 Uhr

Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas hilft: "zu Unrecht" ist ein "präpositionaler Ausdruck" (so lehrt man das in amerikanischen *High Schools*), und die bestehen aus einer "Präposition plus dem Objekt dieser Präposition" (vgl. www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=911#10468). Soweit so gut. Was aber viel wichtiger ist: Diese präpositionalen Ausdrücke sind meist Adverbiale im Satz, können aber auch adverbiale Attribute sein – und präpositionale Objekte sind sie manchmal auch. In Ihrem Beispiel sehe ich "zu Unrecht" adverbial, es antwortet mir auf die Frage "wie / auf welche Weise" oder "warum / mit welcher Begründung".


Christoph Kukulies am 24.10.2007 um 15.31 Uhr
Wie will man diese Grammatik erklären?

Ich bin kein Linguist, Germanist oder anderer Sprachwissenschaftler, aber kann mir jemand erklären, was in dem Satz, den ich bei FAZ.net eben las – "dass sein Sohn zu Unrecht hinter Gittern sitzt" – "Unrecht" für ein grammatisches Konstrukt ist?
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Dieser Beitrag wurde am 07.11.2007 um 16.49 Uhr eingetragen.
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Kommentar von Hans Brückner, verfaßt am 07.11.2007 um 15.34 Uhr

ich habe ein ganz anderes problem, das in keinem mir bekannten regelwerk erläutert wird: die substantivierung von partizip + infintiv: "beschenkt werden"
am elegantesten wäre "das Beschenktwerden", denn schon bei einer (unästhetischen) schreibung mit bindestrich stellt sich die frage: "Werden" groß oder klein?
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Roger Herter
Basel

Dieser Beitrag wurde am 07.11.2007 um 20.55 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#2505


Nun, wenn Sie schon – wider Ihr gutes Gefühl – diese Schreibung verwenden wollen, so wird der substantivierte Infinitiv ("das Werden") sichtbar: "das Beschenkt-Werden". Wie beim Durchkoppeln: "das In-die-Luft-gesprengt-Werden"...

Aber muß man denn solche Monsterchen in die Welt setzen?
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Jan-Martin Wagner
Jena

Dieser Beitrag wurde am 11.02.2008 um 17.14 Uhr eingetragen.
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Ein besonders unangenehmer Fall scheint mir folgende Zeitangabe zu sein: morgen späten nachmittag. Durch das flektierte spät wird zwar ein substantivischer Nachmittag suggeriert, aber die gesamte Fügung steht in einer Reihe mit morgen früh, morgen abend, morgen nachmittag usw., daher auch hier Kleinschreibung. Etwas anderes wäre es, ginge dem späten noch ein am voraus.
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 12.02.2008 um 00.58 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#2954


Das am (und dann natürlich die Großschreibung) ist doch wohl eigentlich unerläßlich. Ein paar Belege in flüchtig hingeworfenen Texten kann man für morgen späten nachmittag zwar auftreiben, aber die machen noch keine gängige Redeweise.
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Dieser Beitrag wurde am 08.07.2008 um 18.28 Uhr eingetragen.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 08.07.2008 um 17.28 Uhr

Lieber Herr Köster,

ich erinnere mich nicht, das mit dem "nichts" und "etwas" gesagt oder geschrieben zu haben. Und Herrn Ludwigs Überlegungen habe ich auch nicht angestellt, als ich das Anrüchige klein schrieb. Es ist schlicht auf die Schnelle passiert. Asche auf mein Haupt! ;-)


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 08.07.2008 um 16.52 Uhr

Es gehört zwar nicht hierher, aber zu so manchem Geregelten (Bolz/Köster): Ja, das ist so eine "Regelung" mit dem substantivierten Adjektiv nach "etwas/nichts/viel/wenig/ (sowas)" usw. und "alles/vieles/manches/solches/ (auch 'weniges')"; und ich stimme der Großschreibung instinktiv zu, einfach weil sie mir überliefert ist und dabei sinnvoll genug ist. Aber wenn danach "ander-" oder "folgend-" kommt, da bin ich auf einmal im Zweifel, und da gilt sofort "im Zweifel klein" (es sei denn, die Großschreibung ist sinnvolle Gegensatzschreibung [also bei Zweifel im Zweifel groß, weil das sinnvoll ist, denn da ist nichts Pronominales mehr]). Ich würde jedenfalls Herrn Bolz wegen solch geringem anrüchigem im Grenzfall zu nahezu nichts nichts vorhalten, — naja, also Anrüchigem, denn auch er will ja hier nicht Schule machen.


Kommentar von Philip Köster zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1025#12537, verfaßt am 08.07.2008 um 15.40 Uhr

Lieber Herr Bolz,

Sie waren es doch, der mir einmal erklärt hat, nach "nichts" und "etwas" folge die Großschreibung, wie Im Westen nichts Neues, erinnern Sie sich noch? Deshalb bitte "nichts Anrüchiges."
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Dieser Beitrag wurde am 02.10.2008 um 16.15 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#3979


Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 01.10.2008 um 23.02 Uhr, als Teil von http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1057#13184

Wie sieht es eigentlich im Fall "kochen wir etwas schönes/Schönes", oder auch "das ist nichts neues/Neues" aus? Wenn man hier "Schönes" oder "Neues" als substantiviertes Adjektiv sieht, dann steht man doch vor der eigenartigen Situation, daß die einzigen Substantive, die an diesen Stellen stehen dürfen, substantivierte Adjektive sind. Wenn man "schönes" oder "neues" als Adjektiv sieht, dann kann man zwar "neues" auf "das" beziehen (also wie in "das ist nicht neu"), aber worauf bezieht sich "schönes"?
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Peter Küsel
Norderstedt

Dieser Beitrag wurde am 26.01.2010 um 19.42 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#5967


Analog zu Seite 44 oben und Seite 44 unten würde ich eigentlich auch Seite 44 mitte schreiben. Aber das wäre bereits vor der Reform falsch gewesen, nicht wahr?
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Dieser Beitrag wurde am 06.06.2010 um 23.50 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#6483


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.06.2010 um 07.41 Uhr

Wie sollte man eigentlich die Schreibung für "das Klein-Klein" regeln (aktueller Anlaß: http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,695222,00.html)?

Denkbar wären immerhin "das Kleinklein" oder "das Klein-klein".

Meiner Ansicht nach gehört das in den Bereich des Ermessensspielraumes der Schreibenden, und das amtliche Regelwerk ist in dieser Hinsicht keine Hilfe, der alte Duden übrigens auch nicht.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 07.06.2010 um 02.48 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#6484


Zu #5967: "Analog zu Seite 44 oben und Seite 44 unten würde ich eigentlich auch Seite 44 mitte schreiben." Tun Sie's aber nicht, denn analog dazu müßten Sie dann auch "Kantstr. 4 erdgeschoß" schreiben. Und das würden Sie doch lieber nicht. Oder? —
Zu #6483: Das Adverbial "klein-klein" (wenn man's als sehr neu ansieht) oder "kleinklein" (wenn man's schon gewohnt ist) wäre substantiviert das/solches/manches Kleinklein, und niemand stolperte beim Lesen darüber; denn es als Substantiv zu verwenden, zeigt ja, daß man's schon gewohnt ist. Des Spiegels "Klein-Klein" zeugt dagegen nur von krampfhaftem Wollen, aber bestimmt nicht von professionellem Können.
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Roger Herter
Basel

Dieser Beitrag wurde am 07.12.2012 um 16.37 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#9743


Wohlstand für Alle

ist der Titel eines Buches von Ludwig Erhard aus dem Jahr – 1957.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 03.04.2013 um 10.43 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#10176


"Mithilfe ihres Freundes und Bodyguards Martin Kirsten habe sie die Drei retten können." (dernewsticker.de-Meldung vom 02.04.2013.) Bei den dreien handelt es sich um Heidi Klums siebenjährigen Sohn und seine zwei Nannys. Was wehrt sich eigentlich so stark dagegen, "drei" hier als ein Adjektivsubstantiv anzusehen? Bei mir nicht nur, daß Unterscheidungsschreibung die Kleinschreibung als richtig verlangt. Hofmannsthal überschrieb ein Gedicht "Die Beiden", was sich verteidigen läßt; wir haben ja auch "der Andere" mit seiner besonderen Bedeutung. Derartiges liegt aber in dieser Zeitungsmeldung nicht vor.
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Robert Roth
Gau-Algesheim

Dieser Beitrag wurde am 14.05.2013 um 20.49 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#10226


Die fan-Organisation begrüßt die Preisentwicklung, aber Viele entscheiden sich für Einzeltickets oder Fernsehen.

FR-online.de zur Zuschauerentwicklung bei Mainz 05 (http://www.fr-online.de/mainz/mainz–die-angst-vorm-zuschauerschwund,11181020,22761720.html).

Eigenartiges Substantiv Viele.
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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 11.06.2014 um 16.22 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#10728


Ist das nicht putzig? Siehe dict.leo.org:

vor kurzem (auch: Kurzem)
in kurzem
seit Kurzem (auch: kurzem)
binnen kurzem (auch: Kurzem)

Er ist erst seit kurzem in unserer Firma.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 11.02.2015 um 20.00 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=34#10987


GKS zu tausend und abertausend Zahlwörtern heute: "Die Türkei habe bislang Tausend Peschmerga-Kämpfer trainiert, 200.000 Menschen aus Kobane aufgenommen und sogar "das Futter für ihre Tiere haben wir den Menschen zur Verfügung gestellt", so Cavusoglu." (derNewsticker.de, heute)
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