zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Unter den Diskussionsthemen nach
           
Im Forum nach

Diskussionsforum

Zurück zum Forenbereich
»Rechtschreibung und -reform«


Beiträge zum Thema

»Goethe-Institut«

Neueste Beiträge zuoberst anzeigen | nach unten


Verschoben


Dieser Beitrag wurde am 18.05.2008 um 13.43 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=183#3321


Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 18.05.2008 um 11.05 Uhr

Der Goethe-Präsident schrieb genau so, wie ich es zitiert hatte. Irgendein Problembewußtsein ist von außen im gesamten Goethe-Institut nicht zu erblicken. Es mag sein, daß einzelne Mitarbeiter die Linie nicht teilen, von einem weiß ich es sogar, aber die müssen sich der Sprachregelung fügen,was sonst.

In meinem Schreiben an Lehmann hatte ich auf weitere mir wichtige Punkte hingewiesen, s.u., auf die er aber nicht einging. Meine Überzeugung war schon vorher, Herr Achenbach, daß alles keinen Zweck mehr hat. Mein Schreiben an Köhler vor einiger Zeit und dessen Resultate wiesen schon in dieselbe Richtung. (Natürlich hat er es nicht selber gelesen.) Solche Schreiben müßten schon von recht bekannten Persönlichkeiten - oder mächtigen Verbänden - kommen, und dann mit Medienbegleitung, um wirklich beachtet zu werden. Aber auf sowas können wir jetzt lange warten.
Das Goethe-Positionspapier ist auch auf der Website zu finden:
http://www.goethe.de/kue/lit/dos/dds/de257045.htm
Apropos "www.goethe.de" - der Mann kann sich leider nicht mehr wehren.

Aus meinem Schreiben an Lehmann am 7.4.08:

"Mittlerweile herrscht in halbwegs informierten Kreisen längst Konsens, daß die Reform gescheitert ist. Das Festhalten daran, besser gesagt an einer 2006 nochmals halbherzig reparierten Ruine, geschah nur noch aus "Staatsräson", wie die seinerzeit zuständige Kultusministerin Wolff sogar in einem Spiegel-Interview zugab.

Ein solches Machwerk nun in der ausländischen Kulturarbeit zur alleinigen Grundlage des Deutschunterrichts zu machen, das erscheint doch recht zweifelhaft. Suggeriert man damit nicht zugleich, ältere Schriften lieber zu meiden, um sich bei der Lektüre keine "falschen" Schreibungen anzueignen? Die gesamte Literatur des 20. Jahrhunderts wird so in Bausch und Bogen mit einer künstlichen Patina überzogen, und es ist ja vollkommen illusorisch, daß ein nennenswerter Anteil in reformierter Schreibung - und in welcher Variante dann wohl? - neu erscheinen und dann von den Goethe-Bibliotheken auch erworben werden könnte.

Wer nun glaubt, es werde sicher bald alles durch geeignete Software abgemildert, sieht sich enttäuscht, ja schockiert. Die Software "Duden-Korrektor" bietet fünf (!) einstellbare Varianten an, wodurch das Ziel einer neuen Einheitlichkeit konterkariert wird. Dabei hat der "Rat für deutsche Rechtschreibung" unter Leitung Hans Zehetmairs das erklärte Ziel, "die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren"! Nach Lage der Dinge gibt es aber nichts mehr zu bewahren, sondern die Reform hat erst die Einheitlichkeit zerstört, zumal jetzt die Öffentlichkeit und besonders die Medien das Thema nicht mehr ernstnehmen und nur noch gleichgültig vor sich hin wurschteln. Viele Beobachter sind der Meinung, gestützt durch die tägliche Beobachtung einer Erosion der Qualität geschriebener Texte, daß ein Kulturgut irreparabel beschädigt ist. Unter Kennern im Ausland wird die Reform bespöttelt, das kann man sogar aus dem Wikipedia-Beitrag zu "German Language" entnehmen.

In dieser für Deutschland durchaus blamablen Situation als Goethe-Institut einen überzeugenden, hilfreichen Kurs zu steuern, das kann nicht leicht sein. Aber eine einseitige Bevorzugung und damit ja doch positive Bewertung der Reform, alle ältere Literatur quasi diskriminierend – ist dies ein akzeptabler, ein respektabler und vertrauenerweckender Weg?"


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 18.05.2008 um 00.40 Uhr

Lieber Herr Eversberg,

ich weiß, Sie haben ja gesagt, daß Sie exakt zitieren; dennoch kann ich meinen Augen nicht trauen. Ich bitte deshalb um Entschuldigung, wenn ich frage: Hat der Präsident des Goethe-Instituts wirklich "daß" und "bereit gestellt" geschrieben? Das wäre doch - gerade in diesem Brief - eine unglaubliche Blamage.

Kann man denn wirklich glauben, daß das Goethe-Institut Schleichwerbung für den Duden betreibt, daß es immer noch nicht bemerkt hat, daß es mit dem Duden-Monopol vorbei ist?

Wenn dem so ist, wenn das das Institut ist, das weltweit die deutsche Sprache fördern soll, müssen wir uns nicht fragen, wozu Frau Limbach, wozu wir alle hier uns abstrampeln? Müssen wir nicht alle Hoffnung fahren lassen?


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 16.05.2008 um 20.39 Uhr

Die Verabschiedung des neuen Regelwerks wird zu einer baldigen Vereinheitlichung der Schreibweisen beitragen. (Goethe-Institut)

Eine merkwürdige Logik. Warum soll ausgerechnet die Verabschiedung eines Regelwerks, das so viele Varianten vorsieht wie keines zuvor, einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Rechtschreibung leisten, und das auch noch so, daß das angestrebte Ziel bald erreicht sein soll?


Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 16.05.2008 um 18.51 Uhr

Daß Orthographie ein Privileg der Mächtigen ist, demonstriert sehr überzeugend das Goethe-Institut. Der neue Präsident, Klaus-Dieter Lehmann, antwortete mir gerade heute auf ein Schreiben, in dem ich Besorgnisse über die etwas einseitige Bevorzugung der NRS bei Goethe äußerte. Er beruhigt mich (und ich zitiere exakt),
"..., daß sich das Goethe-Institut an die neue Rechtschreibung hält, da wir natürlich das unterrichten und vermitteln wollen, was auch in Deutschland offiziell angewandt wird. Zudem regen wir an, dass man sich bei den Fällen, bei denen mehrere Varianten erlaubt sind, an die Empfehlungen hält, die das Dudenwörterbuch bereit stellt.
Im Anhang des Schreibens finden Sie ein Positionspapier des Goethe-Instituts vom März 2006 zur Einführung der Rechtschreibreform, ich hoffe, dass die Wertschätzung die wir der deutschen Sprache entgegenbringen damit ersichtlich wird. ..."

Da hat er recht, die besondere Art der Wertschätzung geht in der Tat daraus hervor, und auch das staatstragende Selbstverständnis des Instituts und sein differenziertes Bewußtsein der mit den Stufen und Stadien der Reform verbundenen Probleme insbesondere der Lernenden im Ausland. Dies ist der genaue Wortlaut:

»Am 30. März 2006 wurden die Regelungen zur neuen Rechtschreibung von der Konferenz der Ministerpräsidenten beschlossen und treten am 1. August 2006 deutschlandweit in Kraft. Die an der Reformdiskussion beteiligten anderen deutschsprachigen Länder haben ihre Bereitschaft signalisiert, die Reform ebenfalls wirksam werden zu lassen.
Etwa 20 Millionen Menschen lernen derzeit weltweit die deutsche Sprache. Seit 1998 tun sie das an unseren Instituten gemäß den Regeln der neuen Rechtschreibung und diese sind auch Basis für die Fortbildungsveranstaltungen für Deutschlehrer. Das Goethe-Institut hat die neuen Regeln von Anfang an sowohl für den Unterricht als auch bei seiner Materialproduktion übernommen.

Mit der verbindlichen Einführung der neuen Rechtschreibung wird an den Goethe-Instituten im In- und Ausland nunmehr ausschließlich die neue Rechtschreibung verwendet.
Auch für Tests und Prüfungen ist ausschließlich die neue Rechtschreibung verbindlich,

Das Goethe-Institut ist bereit - und hat dies in Ansätzen auch schon getan - die mit der Reform befassten Gremien dabei zu unterstützen, schnellstmöglich Klarheit in die noch strittigen Punkte zu bringen - hier besonders aus der Sicht der Personen, die Deutsch als Fremdsprache lehren und lernen. Das Goethe-Institut ist ferner bereit, mit seinen Erfahrungen als weltweit tätige Institution die Wörterbuchverlage bei der "Nachführungsarbeit" zu unterstützen. Dabei kann das Goethe-Institut insbesondere die Perspektive der Deutschlernenden im Ausland einbringen.

Die Verabschiedung des neuen Regelwerks wird zu einer baldigen Vereinheitlichung der Schreibweisen beitragen. Die bisherige Praxis einiger Zeitschriften und Zeitungen und von Teilen des Literaturbetriebs, die alte Schreibweise zu nutzen, hat im Ausland immer wieder zu Irritationen und Verunsicherung geführt, welche der Werbung für Deutsch als Fremdsprache entgegenarbeiten.

Die vielfältigen Auseinandersetzungen über diese oder jene zu bevorzugende Schreibweise offenbaren eine Wertschätzung, eine Liebe zum sprachlichen Detail, ein Ringen um Wortreichtum und Ausdrucksvermögen, das vor allem eines zeigt: wie wichtig die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache ist. Dies wird vom Goethe-Institut ausdrücklich unterstützt.«
nach oben

Verschoben


Dieser Beitrag wurde am 18.05.2008 um 14.17 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=183#3324


Beitrag geschrieben von stefan strasser am 18.05.2008 um 14:13 Uhr:

Selbst wenn Hr. Lehmann vom Goethe-Institut in seinem Inneren ein Gegner der Reform wäre, er würde nach außen trotzdem so argumentieren, wie er es tut. Und das aus gutem Grund. Es ist kein einziges "Schwergewicht" übriggeblieben, das sich klar der Reform widersetzt. Alle, die es taten, wurden von irgendwas eingeholt. Ergebnis: Linie und Raison soweit das Auge reicht!
Die paar Verlage, die auf Wunsch der Autoren konventionell verlegen, treten als Meinungsbildner nicht hervor, und den meisten Leuten ist die Rechtschreibung sowieso egal, die merken ohnehin keinen Unterschied. Ich bin überzeugt, daß der größte Teil der Bevölkerung nur ein verständnisloses Kopfschütteln dafür übrig hat, worüber hier diskutiert wird. Nach dem Motto: das müssen glückliche Menschen sein, deren Sorgen möchte ich haben!
nach oben

Jan-Martin Wagner
Halle (Saale)

Dieser Beitrag wurde am 25.03.2009 um 14.10 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=183#4775


Späte Einsicht

Aus einem Interview des Deutschlandfunks mit dem Präsidenten des Goethe-Instituts, Prof. Klaus-Dieter Lehmann, vom 20. März 2009:

Heinemann: Gestört ist allerdings die Beziehung zur Rechtschreibung, und das spätestens seit der Rechtschreibreform. Viele ältere Menschen schreiben so, wie sie es vor Jahrzehnten in der Schule gelernt haben. Die Jungen lernen die neue Schreibweise heute in den Schulen. Das wäre in unserem Nachbarland vermutlich undenkbar.

Lehmann: Das ist auch wieder ein Punkt, der unterschiedlich ist. Frankreich hat eine Art Regulierungsbehörde für seine Sprache, die Akademie. Man passt genau auf, dass keine Anglizismen in die Sprache wandern, sondern man säubert sie, man übersetzt, man findet Ausdrücke. Die deutsche Sprache hat keine zentrale Regulierungsbehörde und ich bin auch, muss ich ganz offen sagen, sehr froh darüber, weil das das Deutsche letztlich in seiner Vielfältigkeit, auch in seiner Vieldeutigkeit zu einer Sprache gemacht hat, die genau für die Kultur, für die Philosophie, für die Philologie eine deutliche Attraktivität hat. Also wir unterscheiden uns deutlich im Charakter, wie wir mit Sprachen umgehen.

Heinemann: Aber da ist doch die Frage, ob man Schifffahrt jetzt mit zwei oder drei F schreibt, unerheblich, oder?

Lehmann: Die Rechtschreibung ist für meine Begriffe, diese Reform, die da eingeleitet worden ist, eigentlich etwas, was nicht der Tradition der Entwicklung der deutschen Sprache wirklich entsprochen hat. Das war für mich ein Nebenweg - und er ist ja letztlich auch in der Öffentlichkeit so wahrgenommen worden - und im Grunde ist die Reform halbherzig abgeschlossen worden. Man hätte sie gar nicht erst beginnen sollen.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/937649/
nach oben


Zurück zur Themenübersicht | nach oben


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM