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»Darf man so sagen – oder schreiben?«


Beiträge zum Thema

»Unglückliche Aufzählungen
und wie man sie umformulieren könnte«

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Dieser Beitrag wurde am 28.04.2008 um 15.11 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=180#3243


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 27.04.2008 um 02.11 Uhr

Lieber Herr Metz,

ich habe bei dem ursprünglichen Satz auch etwas über die "Erläuterungen" gerätselt, denn es wird streng genommen ja gar nicht gesagt, was erläutert wird. Natürlich ist es sehr naheliegend anzunehmen, daß die Erläuterungen sich auf die Änderungen beziehen, so wie Sie es ja wohl annehmen, wenn Sie von "Erläuterungen dazu" sprechen; aus dem Satz läßt sich das aber nicht ableiten.

Streng genommen wird auch nicht gesagt, welche Änderungen zusammengefaßt werden. Aus dem Zusammenhang wird jedermann vermuten, daß es sich um die Änderungen des Rates handelt. An anderer Stelle wird aber ausgeführt, daß die "Zusammenfassung" sowohl die Änderungen von 2006 als auch die Änderungen von 1996 behandelt.

Zugleich wird gesagt, daß die Änderungen von 1996 eben nicht erläutert wurden. Entschuldigend wird auf ein angeblich erstes Regelwerk von 1855 verwiesen, das auch keine Erläuterungen enthalten habe. Es mutet etwas merkwürdig an, daß der Rat sich einerseits rühmt, seine Änderungen erläutert zu haben, andererseits die Nichterläuterung der Änderungen von 1996 entschuldigt.

Der Vergleich mit 1855 hinkt zudem in jeder Hinsicht. Das Regelwerk von 1855 wird ja wohl kaum den Anspruch erhoben haben, eine bestehende (einigermaßen) einheitliche Rechtschreibung zu ändern, zu reformieren. Eine Begründung (Erläuterung) erwartet man ja normalerweise von dem, der etwas Bestehendes ändern ("reformieren") will, nicht von dem, der am Bewährten festhalten will.

Die "Erläuterungen" entpuppen sich schließlich als der Bericht des Rates von 2006. Ob dieser Bericht wirklich nennenswerte "Erläuterungen" enthält, darüber wäre noch zu reden.

Nach diesen Abschweifungen zurück zum fraglichen Satz. Mir ist inzwischen klar geworden, daß der Satz auch nach der Umstellung noch zweideutig ist. Er kann einerseits (wenn ich die Faupelsche Methode der Klammersetzung verwende) folgendermaßen verstanden werden: "Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten neben dem amtlichen Regelwerk auch (Erläuterungen und eine Zusammenfassung) der Änderungen eingestellt.“ So ist der Satz ja auch wohl gemeint. Er kann aber auch so verstanden werden: "Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten neben dem amtlichen Regelwerk auch (Erläuterungen) und (eine Zusammenfassung der Änderungen) eingestellt.“

Daher ein zweiter Versuch, den (mutmaßlichen) Sinn des Satzes klar auszudrücken: "Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten neben dem amtlichen Regelwerk auch eine Zusammenfassung und Erläuterungen der Änderungen eingestellt.“ Aber auch das befriedigt nicht, denn die Zusammenfassung könnte sich auch auf das amtliche Regelwerk beziehen.

Also muß man sich wohl oder übel umständlicher ausdrücken: "Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten das amtliche Regelwerk in den Fassungen von 2004 und 2006, eine Zusammenfassung der Änderungen an der herkömmlichen Rechtschreibung nach dem Stand von 2006 und Erläuterungen der Änderungen des Rates an den Regeln von 2004 eingestellt.“

Fazit: Es ist gar nicht so einfach, sich klar auszudrücken.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 26.04.2008 um 15.34 Uhr

Zu Herrn Achenbachs Vorschlag (#12020): An eine Umstellung der beiden Elemente hatte ich zunächst auch gedacht. Aber entstünde dadurch nicht ein neues Problem? Im ersten Satz wird ja zunächst festgestellt, daß es Änderungen gegeben hat: »Das amtliche Regelwerk wurde im Jahre 2006 revidiert.« Anschließend soll dem Leser mitgeteilt werden, daß der Rat auf seiner Website auch über diese Änderungen berichtet. In dem Satz »Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten […] auch Erläuterungen und eine Zusammenfassung der Änderungen eingestellt« wirken die Änderungen wie nachgereicht, obwohl sie doch der Hauptgegenstand der Aussage sein müßten. Ich würde jedenfalls stutzen, wenn ich irgendwo läse, daß ein Text Erläuterungen und eine Zusammenfassung von irgendetwas enthält, denn ich erwarte zunächst eine Beschreibung des Inhalts und erst danach, wenn überhaupt, Erläuterungen dazu.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 26.04.2008 um 14.57 Uhr

Herr Faupel hat ja vollkommen recht, daß der Satz mißglückt, weil schwer zu lesen ist.
Dabei hätte eine kleine Umstellung den Satz leichter verständlich gemacht: "Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten neben dem amtlichen Regelwerk auch Erläuterungen und eine Zusammenfassung der Änderungen eingestellt.“
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie schwer es für den Schreibenden sein kann, eine solche Mißverständlichkeit zu erkennen. Er selbst weiß ja ganz genau, was er ausdrücken will.
Gerade deshalb sind ja "Regeln" wie "Man kann ein Komma setzen, um Mißverständnisse zu vermeiden" so sinnlos. An sich ist das überhaupt keine Regel, sondern eine Beschreibung des Zweckes des Kommas.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 26.04.2008 um 13.46 Uhr

Der hier besprochene Satz ist rein von seiner Konstruktion her eindeutig, aber deshalb noch nicht unmißverständlich. Die Formulierung »Zusammenfassung der Änderungen und Erläuterungen« kann tatsächlich den Eindruck erwecken, als würden nicht nur die Änderungen, sondern auch die Erläuterungen zusammengefaßt. Der Kontext spricht aber eindeutig gegen eine solche Interpretation. Zudem bestätigen die beiden Links »Zusammenfassung der Änderungen« und »Erläuterungen« am linken Seitenrand, daß der Satz so gemeint ist, wie er aufgrund seiner grammatisch-syntaktischen Struktur gemeint sein muß.

Ich möchte aber noch auf einen anderen Aspekt hinweisen, der nichts mit Grammatik und Syntax zu tun hat. Herr Herter (?) verläßt sich offensichtlich ganz auf die Kompetenz des Schreibers: »Gerade der Plural sind weist ja darauf hin, daß das letzte und im Sinne von sowie zu verstehen ist«, während Herr Faupel dieses Vertrauen nicht aufzubringen vermag, sich jedenfalls nicht von solchen Überlegungen abhängig machen will, und statt dessen eindeutige Informationstexte verlangt. Gerade die aber können nur von kompetenten Schreibern verfaßt werden. (Wobei Mißverständnisse auch bei noch so sorgfältigem und durchdachtem Formulieren nie auszuschließen sind.)

Daß die Meinung des Lesers vom Können des Autors das Textverständnis beeinflußt, weiß ich nur zu gut aus eigener Erfahrung. Ein Freund von mir hat einen sehr ansprechenden Schreibstil, er formuliert gefällig und prägnant, aber seine Rechtschreibung ist eine einzige Katastrophe. Eine derart große Diskrepanz zwischen stilistischer und orthographischer Qualität habe ich bisher nur in seinen Texten festgestellt. Wenn ich sie lese, korrigiere ich die zahlreichen Fehler automatisch im Kopf. Das gelingt im großen und ganzen recht gut. Es kommt aber vor, daß ich ein korrekt geschriebenes Wort, ein korrekt gesetztes Komma o. ä. nicht ernst nehme und nur deshalb den betreffenden Satz falsch verstehe. (Leider kann ich im Moment nicht mit einem Beispiel dienen.) Umgekehrt funktioniert das Ganze übrigens auch. Ist einem Schreiber, den ich für in jeder Hinsicht kompetent halte, einmal ein Schnitzer unterlaufen, suche ich oft erst lange nach möglichen Beweggründen für die konstatierte Unregelmäßigkeit. In gewissem Sinne beeinträchtigt diese vorübergehende Verunsicherung ebenfalls das Verständnis des vorgefundenen Textes.


Kommentar von Johannes Faupel, verfaßt am 26.04.2008 um 08.03 Uhr

Man sieht, daß es so nicht funktioniert. Prompt kommt jemand, der für sich in Anspruch nimmt und anonym für alle Welt feststellt, daß der Satz unmißverständlich sei und nur gelten könne, wie er (oder sie) die Sache verstanden habe. Genau das ist der Punkt. Die Qualität eines Informationstextes zeigt sich an der einen Bedeutung, die er für alle Leser hat. Sobald es mehrere Bedeutungen gibt, also die Deutung ins Spiel kommt, ist ein Informationstext unbrauchbar.

Die Konstruktion „eine Zusammenfassung der Änderungen und Erläuterungen“ verhält sich wie „eine Analyse der Verhaltensweisen und Äußerungen“ oder „eine Bewertung der Ursachen und Pläne“ usw. Der Verfasser muß die Klammern setzen, nicht der Leser.
2 + 2 x 4 ist eben nicht (2 + 2) x 4.


Kommentar von R. H., verfaßt am 26.04.2008 um 01.35 Uhr

Spott, wem Spott gebührt! Aber Herr Faupel geißelt hier, wohl im Eifer der Empörung, eine korrekte und unmißverständliche Konstruktion. Gerade der Plural sind weist ja darauf hin, daß das letzte und im Sinne von sowie zu verstehen ist.


Kommentar von Johannes Faupel, verfaßt am 25.04.2008 um 23.51 Uhr

Außerdem „sind eine Zusammenfassung“. Das ist eben angewandter Pluralismus.

Eine weitere Perle auf rechtschreibrat.com ... Grundlagen der neuen deutschen Rechtschreibung: „Aus diesem Grunde sind auf den Folgeseiten neben dem amtlichen Regelwerk auch eine Zusammenfassung der Änderungen und Erläuterungen eingestellt.“
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande

Dieser Beitrag wurde am 13.04.2021 um 11.33 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=180#11686


Von Mitleid bis Mut: Wie das Ausland auf Corona-Deutschland schaut (spiegel.de)

Angeblich empfindet man in anderen Laendern zum Teil Mitleid mit den Deutschen, man blickt aber sicher nicht mit Mut auf Deutschland. Gemeint ist auch nicht etwa, dass man den Deutschen Mut zuspricht, sondern dass ihnen Mut attestiert wird. Dieser schroffe Perspektivwechsel erschwert das Verstaendnis sehr, jedenfalls hat er mich beim Lesen stocken lassen, und ich musste wirklich darueber nachdenken, was wohl gemeint sein koennte.


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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 13.04.2021 um 18.57 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=180#11687


Stimmt, und fuer die dargestellte Sicht aus Israel, GB, China, Frankreich, USA waere "Von Mitleid bis Desinteresse" zwar keine so schoene Alliteration, aber sowieso der treffendere Titel gewesen.
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