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Berlin

Dieser Beitrag wurde am 01.07.2007 um 13.03 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=123#2006


Kommentar von Fritz Henze, Dipl.-Math., verfaßt am 01.07.2007 um 12.24

Im Deutschen ist bereits unser Lautsystem uneinheitlich, z.B. die s-Schreibung (Weiches s oder scharfes.

Problem: Getrennt- oder Verbund-Schreibung.
Auch die zusammengesetzten (komposite) Hauptwörter(HW)sind für Ausländer ein Problem, weil sie zusammengeschrieben werden (= verbunden geschrieben werden). Man weis gar nicht, wo man sematisch (Bedeutungserfassung) trennen muss z.B. Parkscheinautomatbetreiber). Ein Vorschlag wäre: z.B. bei 2 Hauptwörtern (HW2 + HW1) oder Verbstamm (Tatwort2) + HW1 (allgemein: W2 + W1 (wobei mindestens ein Wort (W) ein Hauptwort ist), z.B. Erbonkel (Onkel der etwas vererbt ((ver-)) und Erbprinz (Prinz der ein Land erbt (erben wird)), ein gut aussprechbare Silbe and das W2 zuhängen (das W1 bleibt unverändert!). In "Erbonkel" ist "Onkel" ein Verursacher(jur. "Erblasser", nicht "Er-blassender") und in "Erbprinz" ist "Prinz" ein Begünstigter.
Die angehängte Silbe könnte mit "-y" (Aussprache: j)beginnen, "u" für den Verursacher, also "Erb-yu Onkel" (getrennte (!) Schreibung) und "Erb-y[] Prinz", wobei [] = "in" für Zweck.
Das kann man auf mehr als 2 Wörter erweitern.

Bitte mal schauen in
www.freenet-homepage.de/angramma
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Christoph Schatte
Poznan

Dieser Beitrag wurde am 20.07.2007 um 17.20 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=123#2095


Programme für Lexikographen ermöglichen das Einbringen verborgener Trenn(ungs)stellen -- etwa für die sprichwörtliche "Blumentopferde" -- wenigstens dort, wo der Algorithmus für die automatische Trennung scheitert (nach der RSR ist kein sinnvoller Trenn-Algorithmus mehr möglich). Außerdem erlauben die (teuren) lexikographischen Programme die (verborgene) Notation der die Semantik bestimmenden Hierarchie in Komposita aus mehr als zwei Elementen mit sog. Linksverzweigung, Rechtsverzweigung oder sogar mit Verzweigungen nach links wie rechts. Im Falle von silbisch oder hierarchisch differenten Homographen werden dann automatisch zwei Lemmata (selten mehr) generiert, die entsprechende Ausführungen (Lemma-Artikel) verlangen. In den Terminologiekonventionen mancher Teildisziplinen der organischen Chemie dient der Differenzierung in erster Linie die Notation mit oder ohne Bindestrich.

Ob auch Unterschiede wie der zwischen Erbonkel und Erbprinz von solchen Programmen erfaßt werden, ist mir nicht bekannt. Das dürfte aber höchst aufwendig sein, weil man dann z.B. auch Unterschiede wie den zwischen Schneegestöber, Schneetelefon, Schneeglöckchen usw. sowie sehr viele noch anders geartete erfassen müßte.

Wunder nimmt übrigens, daß das mit den lexikographischen Programmen heute bereits Erfaßte dem Benutzer in den meisten elektronischen Wörterbüchern nicht zugänglich gemacht wird. Zu vermutende Ursache: Geheimhaltung.
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Dieser Beitrag wurde am 16.08.2007 um 14.15 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=123#2208


Kommentar von David Weiers, verfaßt am 16.08.2007 um 13.58 Uhr

Lieber Germanist, Ihre Verschwörungstheorie ist geradezu genial! Und es paßt so schön, denn wenn man soziale Chancengleichheit erreichen will, dann geht es nur über die totale Gleichstellung der Geschlechter!
Vermutlich wird bald vorgeschlagen werden, daß Jungen vermehrt Östogene zu sich nehmen sollen, Mädchen dementsprechend Testosterone. Und im Nu wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern zumindest im sozialen Miteinander ausgebügelt sein. Und das alles ist eine perfekte Ergänzung zur RSR, dank der es bald keine soziale Ungleichheit mehr im Bildungsbereich geben wird, frei nach dem Motto: Intelligentia -- ja, aber nur, wenn sie genauso blöd ist wie der Rest.

Was wir dann hätten, wäre das REB -- das Reformorientierte Einheits-Bürgertum. Pflegeleicht, weil absolut anspruchslos (Brot und Spiele reichen da aus; also schön Privatfernsehen und von Promis beworbener Fertig-Fitness-Fraß, kurz "CelebFitFood" genannt), glücklich (solange der Strom nicht ausfällt) und vor allem: extrem lenkbar (da freut sich Heide Simonis noch im Jenseits drüber)!

... und vielleicht kann man den wenigen Text der Killerspiele ja auch noch rechtschreibreformpädagogisch aufpeppen, damit sich auch beim Zocken die "neuen" Schreibweisen noch einprägen...

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.08.2007 um 15.32 Uhr

Und hier die neueste Verschwörungstheorie: Die Mädchen sollen daran gehindert werden, nur dadurch bessere Deutschnoten als die Jungens zu erreichen, weil sie mehr Bücher lesen, während die anderen mehr Zeit mit Killerspielen am Computer verbringen.
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Jan-Martin Wagner
Jena

Dieser Beitrag wurde am 27.03.2008 um 16.41 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=123#3083


Stolz und Sprache

Warum die Aufregung um Sprachreformen auch ein Ausdruck von Patriotismus ist

Erinnert man sich noch der öffentlichen Auseinandersetzungen um die deutsche Rechtschreibreform? Sie galt vielen als Attacke auf die deutsche Sprache, wiewohl sie mit Sprache nur insofern zu tun hatte, als sie deren Schriftform betraf. Die erste und eigentliche Funktion von Sprache, nämlich Material fürs Sprechen zu liefern, blieb davon gänzlich unberührt.

Das erste Ansinnen der Reformväter, nach dem Vorbild europäischer Nachbarn die gemäßigte Kleinschreibung einzuführen (die schon der Erzvater der deutschen Sprachwissenschaft, Jacob Grimm, verwendete), stieß, es begann in den Fünfzigerjahren, auf einen so breiten, wütenden und andauernden Protest, dass es rundum scheiterte. Es folgten viele Sitzungen. Es entstanden maßvollere Vorschläge. Als sie öffentlich wurden, stießen sie wiederum auf Protest. Kampagnen fanden statt. Verordnungen wurden erlassen und widerrufen, Gremien traten zusammen. Was am Ende herauskam, war ein matter Kompromiss, der viel Ähnlichkeit mit einer Totalrücknahme hatte. Zwischen dem Duden von heute und dem von 1991 sind einzig auffällig bloß der Ersatz des ß durch ss nach kurzem Vokal und die Tripelkonsonanten in Wörtern wie Schifffahrt.

Spätestens seither aber vermögen Sprache, Sprachprobleme und Sprachverirrungen ein Massenpublikum zu bewegen. Feuilletonredakteure wissen das sehr gut. Nur wenig anderes, allenfalls noch der Fußball, beschert Zeitungen ein ähnlich großes Leserbriefecho wie Aufsätze zur Sprache. Derart haben, was vor einem Halbjahrhundert noch undenkbar schien und einzig der Zeitschrift "Die Fackel" von Karl Kraus vorbehalten blieb, unsere Journale sich zu mehr oder weniger regelmäßig gedruckten Sprachglossen entschlossen, wie auch wir sie in den letzten fünf Tagen probiert haben. Zur Sache sind auflagenstarke Bücher erschienen. Ihre Autoren heißen Dieter E. Zimmer, Wolf Schneider und Bastian Sick. Zumal der Letzte brachte es zu Bestsellerruhm, seine Vorträge zu Lexik und Semantik finden überall Zuhörer. Sprache kann Emotionen erwecken. Sie kann Diskussionen, Ablehnungen und Moden provozieren. Also wollen wir dieses Phänomen werten als das, was es ist: als einen Ausdruck von Patriotismus. Viele Schriftsteller, so der Kritiker Marcel Reich-Ranicki, pflegen mitzuteilen, ihre eigentliche Heimat sei die deutsche Sprache. 1998 beschloss der Bundestag: "Die Sprache gehört dem Volk." Unbestreitbar jedenfalls, dass wir uns hier im Dunstkreis dessen befinden, was manche Politikern, etwas angestrengt, als unseren Nationalstolz beschwören. Hier also ist er. Seine Substanz ist die Sprache. Mehr braucht er auch nicht.

Rolf Schneider ist Schriftsteller. Er lebt in Schöneiche bei Berlin


(WELT, 22. März 2008)
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