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Klaus Achenbach
Berlin
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Dieser Beitrag wurde am 28.05.2014 um 18.57 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=68#10701
Wie sich die Bilder gleichen
Kürzlich stieß ich auf die Rede von 1874 „Über eine Kaiserliche Akademie der deutschen Sprache“ von du Bois-Reymond. Wie der Titel schon sagt, empfiehlt er dort - allerdings erfolglos - die Schaffung einer solchen Akademie. Nachträglichen Anmerkungen des Verfassers entnehme ich folgenden Text:
"Nicht lange nachdem mein Vorschlag mehr oder minder schnöde beiseite geschoben worden war, wurde in Preußen von Staats wegen eine deutsche Rechtschreibung oktroyiert, welche, indem sie ohne erkennbaren Vorteil vielfach vom Hergebrachten abweicht, unser Auge beleidigt, und die Schreibung unserer klassischen Literaturperiode veraltet erscheinen läßt. Es ist hier nicht der Ort und meine Absicht nicht, die neue Schreibung zu kritisieren. Das, worauf es ankommt, ist vielmehr folgendes. Diese Schreibung wurde nicht bloß von den unter der preußischen Behörde stehenden Schulmännern pflichtgemäß eingeführt, sondern auch von vielen Schriftstellern, Redaktionen, Verlegern, Druckereien freiwillig angenommen: nicht weil sie sie billigten, denn an sich wurde sie fast allerseits verurteilt, sondern in der Hoffnung, daß nun der unerträgliche Zustand, in welchem die deutsche Rechtschreibung sich befindet, ein Ende erreichen würde. Auch wäre sie wirklich zu dauerndem Schaden allgemein geworden, hätte nicht des Reichskanzlers gesunder Sinn ihrer Ausbreitung noch rechtzeitig Schranken gesetzt. So hatte dieser Zwischenfall nur zur Folge, die Verwirrung auf das Höchste zu steigern, wie am besten daraus erhellt, daß zwar unsere Kinder bestraft werden, wenn sie gegen diese Schreibung verstoßen, daß aber, so wenig wie sonst eine der großen Körperschaften des Staates und des Reiches, das Ministerium selber, von welchem der Befehl zu ihrer Einführung erging, sich ihrer bedient.
Aber nun sehe man: als den Deutschen vorgeschlagen wurde, ihre Rechtschreibung durch eine Akademie ordnen zu lassen, war die Antwort der Presse im allgemeinen höhnisches Achselzucken. Als dagegen ein Staatsminister, der nicht einmal besonders volkstümlich ist, in seinem Machtbereich Einführung einer sehr bedenklichen Rechtschreibung befahl, unterwarf sich sofort auch aus freien Stücken ein großer Teil der literarisch beschäftigten Kreise. Aus Liebedienerei gegen den preußischen Minister ist dies in Leipzig doch wohl nicht geschehen. Vielmehr schließe ich, daß die Tagesschreiber, deren Witz mein Vorschlag als bequeme Zielscheibe erschien, die Lage der Dinge und die Stimmung der beteiligten Kreise nicht kannten, welche um jeden Preis Abhilfe suchten, zu jedem Kompromiß bereit waren; daß also mein Vorschlag einer deutschen Akademie als obersten Gerichtshofes in Sachen der Sprache zeitgemäß war und noch ist; und daß er bei kommender Gelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen sein wird. Oder sollte es der deutschen Nation nicht würdiger sein, von einer Versammlung ihrer besten Schriftsteller und Gelehrten die äußere Gestalt ihrer Sprache sich vorschreiben, als sie vom grünen Tisch aus sich diktieren zu lassen?"
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(Red.)
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Dieser Beitrag wurde am 03.12.2010 um 15.15 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=68#7165
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2000, Nr. 231, S. 8)
Die ungeliebte Rechtschreibreform Chronik einer Überwältigung / Von Kurt Reumann
Die Geschichte der Rechtschreibreform läßt sich mit einem Staffellauf vergleichen, bei dem der Stab unabhängig davon weitergereicht wurde, ob in Deutschland eine Monarchie, eine Diktatur oder eine Demokratie den Herrschaftsrahmen abgab. Unablässig variierten die "Neuerer" alte Vorschläge; nur die ideologische Verbrämung änderten sie von Fall zu Fall. Sie waren sich bewußt, daß die Öffentlichkeit ihre Pläne nicht billigen werde.
1876
Die erste orthographische Konferenz in Berlin verläuft ergebnislos. Sie hatte die Rechtschreibung vereinheitlichen und systematisieren sollen.
1880
Der Lehrer Konrad Duden gibt sein "Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache" heraus. Es fußt auf der preußischen Schulorthographie.
1901
Die zweite orthographische Konferenz in Berlin beschließt für den deutschen Sprachraum "Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis". Es ist die erste einheitliche Schreibnorm. Dudens Wörterbuch verschafft ihr zunächst in den Schulen und bei Druckern, dann allgemein Anerkennung. Richtschnur des "Duden" war seither die behutsame Anpassung an den sich wandelnden Sprachgebrauch.
1924
Gründung des "bunds für vereinfachte rechtschreibung". Sein "minimalprogramm" lautet, alle Wörter klein zu schreiben.
1931
Erfurter Rechtschreibungsprogramm. Der Vertretertag des Bildungsverbands der deutschen Buchdrucker entwirft eine Mindestreform, deren Kernforderungen in den Rechtschreibentwürfen der nächsten 65 Jahre ständig wiederkehren werden: 1. Kleinschreibung mit Ausnahme der Satzanfänge und Namen ("gemäßigte Kleinschreibung"). 2. Vermehrte Getrenntschreibung; keine Unterscheidung von sinnlicher und übertragener Bedeutung. 3. Eindeutschung von Fremdwörtern. 4. Trennung nach Sprechsilben. 5. Schrittweise Beseitigung aller Dehnungszeichen und der Bezeichnungen der Vokalkürze. 6. Ersetzung "schwieriger" Buchstaben durch andere, zum Beispiel f statt v (frefel), s statt ß und dergleichen mehr. Danach würde "Vieh" zu "fi".
1933
Die "Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums" in München, kurz "Deutsche Akademie" genannt, setzt sich für die Einrichtung eines "Deutschen Sprachamts" ein, das 1935 geschaffen wird, aber keine Kompetenzen erhält. Der Generalsekretär der Akademie, Franz Thierfelder, wirbt dafür, daß auf den "völkischen Aufbruch" der "Aufbruch der Sprache" folgen müsse.
1941
Bernhard Rust, preußischer Kultusminister und seit 1934 auch Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, setzt eine Orthographiekommission ein. Ihre "Vorschläge zur Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung" stimmen weitgehend mit dem Erfurter Programm überein. Sie favorisieren die "gemäßigte"Kleinschreibung. Diskutiert wird darüber, ob das stimmlose "s" nach kurzem Vokal "ss" und nach langem Vokal "ß" geschrieben werden sollte. Kein Komma vor "und" und "oder". Nicht zuletzt wegen der Glorifizierung der "Führerreden" erhält das gesprochene Wort Vorrang vor dem geschriebenen Wort. Entsprechend werden die Laut-Buchstaben-Angleichungen und die Trennung nach Sprechsilben aufgegriffen. Die Reform soll der deutschen Sprache Weltgeltung verschaffen. Rust muß dem Reichsinnenministerium zusichern, daß über die Vorarbeit nichts an die Öffentlichkeit gelange.
1944
Rust und seine sprachwissenschaftlichen Berater legen einen überarbeiteten, vorsichtigeren Gesetzentwurf ("Kleine Rustsche Reform") vor: 1. Eindeutschung von Fremdwörtern (Filosof, Frisör, rytmisch), 2. Die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung wird verschoben. Empfohlen wird statt der "gemäßigten" Kleinschreibung "vermehrte Groß- und Auseinanderschreibung". (Diese Anregung wird die Reform von 1995/96 aufgreifen.) 3. In Zusammensetzungen werden Konsonanten nur zweimal geschrieben: Schiffahrt, aber auch Schiffracht. 4. Trennung nach Sprechsilben: Pä-da-go-ge. 5. In Satzverbindungen vor "und" und "oder" kein Komma.
27. Juni 1944: "Tagesparole des Reichspressechefs": Über die neuen Regeln für die Rechtschreibung sei in der Presse bis auf weiteres nicht zu berichten.
24. August 1944: "Führerbefehl" Adolf Hitlers: Die Arbeiten an der Rechtschreibreform seien bis Kriegsende zurückzustellen. Die noch nicht ausgelieferte Auflage von einer Million Exemplaren der Kleinen Reform wird eingestampft.
1952
Franz Thierfelder, inzwischen Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, regt die Gründung der "Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege" an.
1954
Stuttgarter Empfehlungen. Die Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege faßt ihre Vorschläge in acht Punkten zusammen, die dem Erfurter Programm der Drucker von 1931 und den Rustschen Plänen von 1941 ähneln, gibt sich aber weniger radikal. Die Reform soll der Erleichterung des Schreibens im Unterricht, der Stärkung des Deutschen als internationaler Verkehrssprache sowie der Vermeidung eines Minderwertigkeitsgefühls von weniger Gebildeten dienen. Thomas Mann, Hermann Hesse und Friedrich Dürrenmatt lehnen die Empfehlungen ab.
1955
Die Kultusministerkonferenz beschließt, daß an Schulen der "Duden" verbindlich sei. Die DDR schließt sich der Regelung stillschweigend an.
1956
Die Zweiteilung Deutschlands spaltet auch den "Duden". Der "West-Duden" erscheint beim Bibliographischen Institut (AG) in Mannheim, seit der Verlag in Leipzig enteignet worden ist. Der "Ost-Duden" wird vom "Volkseigenen Betrieb Bibliographisches Institut" in Leipzig herausgegeben, der sich die Verlagsrechte widerrechtlich aneignet.
1958
Wiesbadener Empfehlungen des Arbeitskreises für Rechtschreibregelung. In den wesentlichen Punkten - Kleinschreibung von Substantiven, Zusammen- und Getrenntschreibung, vereinfachte Kommaregeln, Silbentrennung - folgen sie den Anregungen von 1931, 1941 und 1954. Der Vorstoß scheitert am Protest der Öffentlichkeit.
1972
Die Hessischen Rahmenrichtlinien für den Schulunterricht verdächtigen die Schriftsprache, sie diene den besser Gebildeten und kapitalistischen Ausbeutern als Herrschaftsinstrument. Die Richtlinien geben der Förderung der sprachlichen (vor allem mündlichen) Kommunikationsfähigkeit Vorrang. Demgegenüber sei das Erlernen der Rechtschreibung zweitrangig.
1973
Kongreß "vernünftiger schreiben" in Frankfurt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Verband deutscher Schriftsteller und das PEN-Zentrum Deutschland setzen sich mit antikapitalistischer Begründung vor allem für die Kleinschreibung der Substantive ein.
Internationaler Wiener Kongreß, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Sprachpflege und Rechtschreiberneuerung. In Wien können sich west- und ostdeutsche Linguisten quasi auf neutralem Boden treffen. Variation der alten Reformpläne.
1977
Gründung der "Kommission für Rechtschreibfragen" am Institut für deutsche Sprache (IdS) in Mannheim.
1978
Zweiter Wiener Kongreß.
1987
Die deutsche Kultusministerkonferenz läßt ein neues Regelwerk ausarbeiten. Den Auftrag erhalten nicht etwa die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und andere Akademien, sondern zwei in der Tradition der Reformer stehende Einrichtungen, nämlich das Institut für deutsche Sprache in Mannheim (nicht zu verwechseln mit der Duden-Redaktion) und die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Es handelt sich um Theoretiker. Kein Schriftsteller, kein Lehrer, kein Journalist, also kein Sprachpraktiker, dem es vor allem auf die Verständlichkeit des Geschriebenen für den Leser ankäme. Mit einer Ausnahme treten sämtliche Mitglieder der Kommission für die Kleinschreibung von Substantiven ein.
1988/89
Die Kommission hält sich an die überlieferten Reformvorschläge: Der apt isst mit dem keiser al im bot. Der erste Entwurf gelangt aus Versehen in die Öffentlichkeit und scheitert am allgemeinen Protest.
1992
In Rorschach in der Schweiz verabschieden Sprachwissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz einen Entwurf zur Rechtschreibreform. Er enthält kein Wörterverzeichnis, läßt daher keinen Schluß über das Ausmaß der geplanten Neuerungen zu. Zur Groß- und Kleinschreibung werden drei konkurrierende Vorschläge gemacht.
1993
Die Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz fürchtet nach der Erfahrung von 1988 öffentliche Kritik. Der Entwurf wird daher zunächst nur interessierten Verbänden vorgestellt. Es handelt sich um die vorsichtigste Empfehlung in der Geschichte der Reformvorschläge. Bezeichnenderweise greift sie die Anregung auf, der Kleinschreibung von Substantiven eine vermehrte Großschreibung bei gleichzeitig reduzierter Zusammenschreibung vorzuziehen (vergleiche 1944). Unterscheidungsschreibungen werden weitgehend, aber nicht so radikal wie im Erfurter Programm von 1931 aufgehoben. Trennung nach Sprechsilben. "Gemäßigte" Eindeutschung von Fremdwörtern. "ss" nach kurzem, "ß" nach langem Vokal (vergleiche 1941). In Zusammensetzungen werden Konsonanten nach kurzem Vokal dreifach geschrieben: Schifffahrt wie Schifffracht. "Liberalisierung" der Zeichensetzung. Im Gegensatz zu einigen Wortführern von 1954 und 1958 stehen die Reformer unserer Tage nicht im Verdacht, je Sympathien für die Nationalsozialisten gehegt zu haben.
1994
November 1994: 3. Wiener Gespräche. Sprachwissenschaftler und Kultusbeamte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus Ländern mit deutschsprachigen Minderheiten billigen den Entwurf. Kein Minister nimmt daran teil. Es gibt kein Protokoll.
Auf einer Pressekonferenz der deutschen Kultusminister werden den Journalisten die Leitlinien vorgestellt; dazu wird eine exemplarische, aber keine vollständige Wörterliste präsentiert. Die erste Reaktion ist Erleichterung darüber, daß die Reformer von der Kleinschreibung der Substantive und der Ersetzung von "v" durch "f" (kein "frefel") sowie von "ai" durch "ei" Abstand nehmen.
1995
In einem am 29. November 1995 in der "Rheinischen Post" veröffentlichten Interview sagt der bayerische Kultusminister Zehetmair: 1. "Ich habe Hunderte von Briefen erhalten, vornehmlich aus Österreich und der Schweiz - mit der Tendenz, daß die meisten Menschen die Reform überhaupt nicht wollen." 2. "Wenn man alle Ministerpräsidenten zur Reform befragt, gewinnt man den Eindruck, sie würden davon am liebsten gar nichts wissen." 3. "Es gibt aber auch die Diskussion darüber, ob die Landtage in die Entscheidung mit einbezogen werden müssen. Wenn das der Fall ist, wird die Reform - da bin ich mir sicher - nicht stattfinden."
Zehetmair kündigt "ein paar kleine Korrekturen" an. Deshalb muß der bereits gedruckte neue "Duden" wieder geändert werden.
Dezember 1995: Die Kultusminister der deutschen Länder stimmen der überarbeiteten Fassung zu und versichern sich der Rückendeckung durch die Ministerpräsidenten. Das redigierte Regelwerk wird an alle Teilnehmerstaaten verschickt.
1996
Juli 1996: "Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" in Wien. Von deutscher Seite unterzeichnen der Präsident der Kultusministerkonferenz, Reck, und im Auftrag des Bundesinnenministers dessen Staatssekretär Lintner. Ferner unterzeichnen Minister oder Beauftragte aus Belgien, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Österreich, Rumänien, der Schweiz und Ungarn. In einer Presseerklärung der deutschen Kultusminister heißt es, der gemeinsame Zeitplan sehe vor, "daß die Neuregelung der Rechtschreibung am 1. 8. 1998 wirksam wird".
August 1996: Zehn Bundesländer führen die neuen Regeln an den Schulen ein und schaffen damit - zwei Jahre vor dem vereinbarten Inkrafttreten - vollendete Tatsachen, auf die sie sich fortan berufen, um die Unzumutbarkeit einer Revision zu begründen.
Einen Tag nach der Wiener Absichtserklärung erscheint das Bertelsmann-Rechtschreibwörterbuch, das der Verlag auch an alle 40 000 deutschen Schulen verschickt. Der neue Duden, dessen Privileg durch die Neuregelung aufgehoben ist, kommt Ende August heraus. Im Laufe der nächsten vier Jahre übernimmt er wieder die Marktführerschaft.
Oktober 1996: Die Bevölkerung lehnt die Neuregelung ab. Das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt: 75 Prozent sagen: "Wir brauchen keine Reform." 12 Prozent sprechen sich dafür aus; 13 Prozent sind unentschieden.
Oktober 1996: "Frankfurter Erklärung". Die Veröffentlichung der vollständigen Wörterliste und die unterschiedlichen, teilweise einander widersprechenden Regelauslegungen der Wörterbuch-Verlage lassen das ganze Ausmaß und die Fehler der Neuregelung erkennen. Daher fordern Schriftsteller, Germanisten, Verleger und Journalisten auf der Frankfurter Buchmesse, bei der bisherigen Rechtschreibung zu bleiben. Falls die Reform verwirklicht werde, stehe eine "jahrzehntelange Verwirrung" bevor.
25. Oktober 1996: Auf die "Frankfurter Erklärung" antworten die Kultusminister mit einer vom Institut für deutsche Sprache vorformulierten "Dresdner Erklärung": Der demokratische Entscheidungsprozeß sei abgeschlossen; der verspätete Protest der Schriftsteller und Publizisten könne daran nichts ändern. Die Neuregelung habe den "Normalbürger" im Blick. Literaten brauchten sich um Orthographieregeln nicht zu kümmern; sie könnten auch künftig "frei mit der Sprache umgehen". Schriftsteller und Publizisten müßten "zur Kenntnis nehmen, daß ihre Interessen deshalb bei der Neuregelung der Rechtschreibung nicht im Vordergrund stehen". Das Institut für deutsche Sprache übernimmt zwischenzeitlich ohne Auftrag die Koordination und Agitation für die Reform.
1997
März 1997: In Mannheim konstituiert sich eine zwischenstaatliche Kommission, die statt des "Duden" in Zweifelsfällen entscheiden soll. Sie besteht überwiegend aus den Verfassern der Neuregelung selbst. Nach der öffentlichen Kritik beauftragen die Kultusminister die Kommission, den Korrekturbedarf festzustellen.
Oktober 1997: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärt die vorzeitige Umsetzung der Reform für rechtswidrig. Gegen seinen Kultusminister Wernstedt setzt Ministerpräsident Schröder durch, daß die neuen Regeln für den Unterricht ausgesetzt werden. Niedersachsen bleibt das einzige Land, das ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwartet.
Das OVG Lüneburg hat noch nicht entschieden.
1998
Januar/Februar 1998: Die Kultusminister und das Bundesinnenministerium lehnen alle Vorschläge der Kommission zur Änderung der teilweise als fehlerhaft erkannten Neuregelung ab.
März 1998: Der Deutsche Bundestag spricht sich gegen die Reform aus: "Die Sprache gehört dem Volk." Der vom Bundestag beschlossene interfraktionelle Gruppenantrag hat keine rechtlichen Konsequenzen für die Kultusministerkonferenz. Allerdings fordert der Bundestag, daß die Neuregelung nicht ohne Überarbeitung und Wiedervorlage in die Amtssprache zumal der Bundesbehörden eingeführt werde. Alte und neue Bundesregierung setzen sich über diesen Plenarbeschluß hinweg.
Mai 1998: 567 Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaften warnen: "Eine derart fehlerhafte Regelung, die von den bedeutendsten Autoren und der großen Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt wird und die Einheit der Schriftsprache auf Jahrzehnte zerstören würde, darf keinesfalls für Schulen und Behörden verbindlich gemacht werden."
14. Juli 1998: Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe attestiert den Kultusministern, daß sie eine Reform verordnen dürfen, ohne dazu parlamentarisch ermächtigt zu sein.
August 1998: Offizielle Einführung der neuen Schreibweisen an allen Schulen.
September 1998: Bei einem Volksentscheid lehnen die Schleswig-Holsteiner die Einführung der neuen Regeln mit klarer Mehrheit ab.
1999
Vom 1. August 1999 an versenden die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und die anderen deutschsprachigen Nachrichtenagenturen alle Texte in der neuen Schreibung. Allerdings beachten sie weiter die alten Kommaregeln; ferner machen sie die Eindeutschung von Fremdwörtern nicht mit. Sie bleiben dabei, bei feststehenden Begriffen nicht nur das Substantiv, sondern auch das Adjektiv groß zu schreiben. Mit den Nachrichtenagenturen stellen sich die Zeitungen um.
September 1999: Der Landtag in Kiel beschließt einstimmig die Einführung der neuen Rechtschreibung an den 1200 Schulen des Landes. Damit verwirft er den Volksentscheid.
August 2000: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kehrt zur alten Rechtschreibung zurück.
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Sigmar Salzburg
Mohrkirch
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Dieser Beitrag wurde am 17.09.2009 um 07.12 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=68#5374
Zur Erinnerung: 17. September – Zehnter Jahrestag der Annullierung des Volksentscheids in Schleswig-Holstein im Jahre 1999
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Jan-Martin Wagner
Halle (Saale)
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Dieser Beitrag wurde am 29.06.2009 um 23.02 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=68#5120
Deutsche Welle, Kalenderblatt zum 17. Juni 1901
In J.-H. Zedler, Großes Universallexikon von 1741 ist zu lesen: "Rechtschreibung ist in der Sprachlehre das erste Stücke derselben, welches lehret die Buchstaben, Worte und ganze Reden recht und gehörig zu schreiben. Darum viel geschickte Männer einen Versuch getan, zu einer beständigen Rechtschreibung zu gelangen, haben aber einen durchgehenden Beifall noch nicht erlangen können."
Streit herrschte in den Klosterschreibstuben und Kanzleien des Mittelalters. Die deutsche Sprache begann das Lateinische aus dem amtlichen Sprachgebrauch zu verdrängen. Zu sprechen und zu verstehen wusste man es recht leidlich, aber zu schreiben hatten sie ihre liebe Not, die Menschen deutscher Zunge.
Die einen schrieben zum Beispiel einen langen Vokal wie das "o" im Wort "Rohr", indem sie ihm ein "i" nachstellten: R-o-i-r, gesprochen "Rohr". Die anderen nahmen ein "e": R-o-e-r, gesprochen "Rohr". Die dritten nahmen ein "h": Ro-h-r, gesprochen "Rohr". Drei Schreibweisen für ein und dasselbe Wort - und das quer durch die ganze Sprache. Ordnung musste her.
"Schreibe, wie Du sprichst!"
"Schreibe, wie Du sprichst!" Diese fundamentale Regel formulierte der Philosoph und Sprachforscher Johann-Christoph Adelung in einem Regelwerk. Aber leichter gesagt, als getan, denn auch um Deutsch zu schreiben, hatte man nur lateinische Buchstaben, und für einige Laute der deutschen Sprache gab es keine Zeichen. Zum Beispiel, für das "ch" wie in "Becher" oder für das "sch" wie in "Schwer". Zeichenkombinationen mussten helfen. Auf der anderen Seite konnte ein und derselbe Laut durch mehrere Zeichen dargestellt werden. Ein "f" konnte ein "F" sein, wie in "Fisch" oder ein "V", wie in "Verrat" oder ein "PH", wie in "Philosoph".
In seinen "Grundsätzen der deutschen Orthographie" von 1782 legte Adelung für jedes Wort der deutschen Sprache eine Schreibweise fest. Das Werk wurde zur Grundlage der deutschen Einheitsrechtschreibung. Vieles davon gilt bis heute. Waren die Rechtschreibregeln zunächst nur allgemeiner Gebrauch - im preußischen Kaiserreich wurden sie zum Gesetz.
Verbindliche Regeln
Als erstes Land stellte Hannover im Jahr 1855 verbindliche Regeln für die Schulorthografie auf. Württemberg zog nach. Daraufhin nahm der preußische Kultusminister die reichsweit einheitliche, verbindliche Regelung der Rechtschreibung in die Hand. Er berief eine Konferenz zur Herstellung endgültiger Einigung in der deutschen Rechtschreibung ein.
Die beschlossenen Regelungen waren sehr weitreichend und selbst nach heutigen Maßstäben modern. Zum Beispiel der Vorstoß in Richtung konsequenter Kleinschreibung: "Ihr Lehrer der Jugend - gesteht es euch nur ehrlich, vom 6. bis zum 12. und 14. Jahre elendet ihr die Kinder mit den großen Buchstaben! Wie viele Zeit ging damit verloren, mit roter Tinte die kleinen Buchstaben in große zu verwandeln!"
Einige Länder zogen dabei nicht mit, die Konferenz vertagte sich. Ein Teilnehmer, der Sprachforscher Konrad Duden, suchte nach einer Kompromisslösung und machte sich ans Werk. Er verfasste ein "Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der Deutschen Sprache". Aber er bekam Konkurrenz. Der Germanist Wilhelm Wilmanns verfasste gleichzeitig sein Buch "Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Rechtschreibung zum Gebrauch in den preußischen Schulen."
Allerorten verbindlich
Kanzler Bismarck sprach ein Machtwort. Konrad Duden mit seinem "Orthographischen Wörterbuch", heute bekannt als "Der Duden", hatte gewonnen. Auch die Schweiz und Österreich übernahmen Ende des 19. Jahrhunderts die preußischen Rechtschreibregeln.
Ihren Abschluss fand die Kaiserlich-Preußische Rechtschreibvereinheitlichung in der Staatlichen Rechtschreibkonferenz von 1901. Sie erklärte Konrad Dudens Orthografieregeln für allerorten verbindlich. Lediglich ein kleines Zugeständnis wurde noch an die Modernisten unter den Reformern gemacht: Auf "T" anlautende Worte wie "That" oder "Thür" verloren das "H", das bis dahin immer hinter ein "T" am Wortanfang geschrieben worden war.
Nur ein Wort durfte nicht verändert werden. Der "Thron" behielt sein "H", darauf bestand der Kaiser. Und bis heute konnte er seinen Thron erfolgreich zumindest gegen die Rechtschreibreformen verteidigen.
Autorin: Catrin Möderler
(www.kalenderblatt.de)
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Wolfgang Scheuermann
Dilsberg
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Dieser Beitrag wurde am 17.04.2009 um 07.34 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=68#4877
Lehrer, euch gehört die Sprache nicht! von Peter Eisenberg Der Streit um die Rechtschreibung ist beendet, geblieben sind die Folgeschäden der Neuregelung - das kritisiert ein Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung.
FAZ v. 17.4.2009
Vor gut fünf Jahren hat die Ständige Konferenz der Kultusminister den Rat für deutsche Rechtschreibung ins Leben gerufen. Zu seinen Aufgaben gehören laut Statut "die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung" und "die Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache". Der Rat hat nächstes Jahr mit Ende seiner ersten Amtszeit einen Tätigkeitsbericht vorzulegen. Und es zeichnet sich ab, dass auch personelle Veränderungen zu erwarten sind.
Trotz aller Rechtschreibfrustration verliert die Frage, wer die orthographische Norm künftig wie bearbeitet und entwickelt, nichts von ihrer Tragweite. Einheitlichkeit der Schreibung bleibt das stärkste Band im vielfältig gegliederten deutschen Sprachgebiet. Auch nimmt seine Bedeutung eher zu als ab. Alle vergleichenden Leistungstests der vergangenen Jahre setzen ja im Kern bei Schreib- und Lesekompetenzen an. Mit der Orthographiereform von 1996 hat der Staat die Verantwortung für den Normierungsprozess an sich gezogen. Der öffentliche Diskurs ist gegenwärtig einer mit dem Staat, in Deutschland an erster Stelle mit der KMK.
Die Einrichtung eines neuen Gremiums war unvermeidlich geworden, weil die alte zwischenstaatliche Rechtschreibkommission den Anforderungen nicht gerecht wurde. Man hat sie regelrecht gefeuert. Ihr war entgangen, dass die Kultusminister nach Jahren quälender Debatten, juristischer Auseinandersetzungen und politischer Querelen von der Neuregelung herunterwollten. Aber als dann im Herbst 2004 die zwölfköpfige Kommission durch einen sechsunddreißigköpfigen Rat ersetzt wurde, war die erste Reaktion ein allgemeines Rätselraten über die Motive der Politiker. Ein Gremium dieser Größe kann nicht effektiv arbeiten, aber andererseits musste etwas passieren. Der Rat sollte die Kastanien aus dem Feuer holen - und wider alle Erwartung tat er das. Innerhalb weniger Monate legte er ein in wichtigen Teilen überarbeitetes Regelwerk vor, das im Sommer 2006 politisch abgesegnet wurde und, abgesehen von kleineren Nachhutscharmützeln, die öffentliche Rechtschreibdebatte beendete. Drei Hauptgründe ermöglichten den Erfolg.
Der erste ist in der Person des Ratsvorsitzenden Hans Zehetmair zu sehen. Der ehemalige bayerische Staatsminister hat mit Geduld, Geschick und klaren Zielvorgaben dem heterogenen Gremium zu konstruktiven, inhaltlich verantwortbaren Entscheidungen verholfen. Der zweite Grund liegt bei den Arbeitsformen des Rates. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hatte ihre Mitwirkung an die Bedingung effektiver Arbeitsformen geknüpft. Es wurden Arbeitsgruppen zu Einzelthemen eingerichtet, deren wichtigste eine Neuformulierung der Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung vorlegte. Drittens musste der Rat inhaltlich nicht bei null beginnen. Er stützte sich auf den Kompromissvorschlag der Akademie, der seit 2003 als kommentierte Wörterliste gedruckt vorlag und später auch einen Formulierungsvorschlag für Teile des Regelwerks umfasste. Alles zusammen war eine glückliche Fügung, aber eine, deren Bestandteile vielleicht der künftigen Lösung Pate stehen können.
Seit dem Sommer 2006 arbeitet der Rat, aber substantielle Vorschläge zu Entwicklung oder Rückbau der Orthographie hat er nicht mehr gemacht. Das war politisch so gewollt, sachlich gerechtfertigt war es nicht. Die geltende Regelung enthält noch immer zahlreiche Ungereimtheiten und Fehlschreibungen. Vieles wurde von der Deutschen Akademie unternommen, um den Rückbauprozess in Gang zu halten, im Ganzen ohne Erfolg. Ausschlaggebend war letztlich, dass die "zuständigen politischen Stellen" keine Bewegung mehr wollten und sich darin mit starken Kräften innerhalb des Rates einig wussten. Immerhin trat unübersehbar zutage, was ein solches Gremium tut, wenn es nicht unter Erfolgsdruck steht, wie es sich spreizt und zu entfalten beginnt. Man kann versuchen, daraus etwas zu lernen.
Die deutschen Vertreter im Rat werden von Institutionen benannt. Zu ihnen gehören unter anderen das Institut für Deutsche Sprache, die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die Union der Akademien, die großen Wörterbuchverlage, Verleger-, Didaktiker- und Journalistenverbände, Beamten- und Gewerkschaftsbund. Eine solche Zusammensetzung führt zwangsläufig zu Versuchen, die jeweils eigene Perspektive zur Geltung zu bringen, sei es als materielles Interesse wie bei den Verlagsvertretern oder sei es als Verbands- und Berufsinteresse. Letzteres betrifft vor allem die Fraktion der Schulvertreter. Beispielsweise finden manche von ihnen nichts dabei, bestimmte Rechtschreibregeln zu favorisieren, weil sie sich einfach formulieren lassen. Das kann bis zu dem Punkt gehen, an dem die Einfachheit der Regel über die Angemessenheit der Schreibung triumphiert. Von Didaktikerseite kommt auch das Ansinnen, der Rat möge eine Umstellung literarischer Texte auf neue Orthographie empfehlen, soweit diese im Schulunterricht verwendet werden.
Mehrfach hatte sich der Rat unter Mühen auf seine eigentliche Aufgabe zu besinnen. Die orthographische Norm entsprechend dem allgemeinen Schreibgebrauch zu erfassen und zu entwickeln ist etwas anderes, als sie den Bedürfnissen bestimmter Institutionen anzupassen. Um es ganz einfach zu sagen: Die Orthographie ist weder dazu gemacht, dass man mit ihr erfolgreich Wörterbuchverlage betreibt, noch dazu, in der Schule gelehrt zu werden. Sie ist, wie sie ist. Erst daraus gewinnt sie ihre Würde als allgemein verfügbares kommunikatives Werkzeug, als Gegenstand des öffentlichen Sprachdiskurses, der Dokumentation in Wörterbüchern, der Fachwissenschaft und erst recht der Fachdidaktik Deutsch. Jede noch so gutwillige, gutgemeinte Manipulation am Gegenstand hat zu unterbleiben. Der Rat soll ihm so zur Sichtbarkeit verhelfen, dass ein vernünftiger Umgang mit ihm möglich wird. Das ist ziemlich aufwendig, aber eine wichtige und lohnende Aufgabe.
Um die Aufgabe zu erfüllen, braucht der Rat eine materielle Grundausstattung. Datenerhebung und -auswertung zum allgemeinen Schreibgebrauch kosten Geld. Bisher behilft man sich und bittet Ratsmitglieder, die über elektronische Sprachkorpora verfügen, um Recherchen. Dieser Weg aber ist aus vielen Gründen auf Dauer versperrt. Und noch einmal sei an die Peinlichkeit erinnert, dass den deutschen Ratsmitgliedern im Gegensatz zu allen anderen nicht einmal Reisekosten erstattet werden. Man braucht keine sich aufblähende Organisation, um das Notwendige zu tun. Freundliche und aufmunternde Worte, wie wir sie von der KMK gelegentlich hören, reichen nicht. Der Staat hat eine Verantwortung übernommen.
Ein weiteres, durchaus demotivierendes Manko ist eine gewisse Ziellosigkeit der Ratsarbeit. Es gibt keinen geregelten Weg, auf dem Vorschläge umgesetzt oder abgelehnt werden. Dies war von Beginn an so etwas wie die politische Achillesferse der Neuregelung. Wir stehen als Bittsteller da, müssen mit schlichter Nichtbefassung rechnen und haben nicht einmal ein verbrieftes Vortragsrecht, ganz zu schweigen von einem Anspruch auf internationale Abstimmung.
Schließlich liegt das geltende amtliche Regelwerk wie ein Felsbrocken in der Tür zu einer sich verstetigenden Arbeit. Der Text ist, was die Textsorte betrifft, unentschieden, er ist unverständlich, voller Widersprüche, viel zu kompliziert, wissenschaftlich nicht auf dem Stand der Technik, er erfasst zu wenig elementare Regularitäten, regelt aber zu viele Details. Die Deutsche Akademie wird deshalb für die nächste Ratssitzung am 24. April einen Textvorschlag zum kritischen Bereich Substantivgroßschreibung vorbereiten, der einige unhaltbare Fehlschreibungen ausschließt und hoffentlich zeigt, wie einfach das Regelwerk sein könnte.
Die Rechtschreibdiskussion ist in Deutschland verstummt, gewichtige Folgeschäden der Neuregelung sind geblieben. Das Vertrauen der Sprachgemeinschaft in die Tragfähigkeit der geltenden Regelung ist erst teilweise hergestellt, das gilt ausdrücklich auch für die Schule. Man umschifft den Orthographieunterricht eher als vor 1996 und tut den Kindern damit keinen Gefallen. Die Rechtschreibfähigkeiten werden so keinesfalls besser, nicht einmal dort, wo die Neuregelung nichts geändert hat.
Riskieren wir deshalb einen konkreten Vorschlag, mit dem sich zahllose Diskussionen unter Fachleuten bündeln lassen. Ein Rat für Rechtschreibung, dem mittelfristig die Regelung der Orthographie des Deutschen obliegt, hat eine ungerade Zahl von weniger als zehn Mitgliedern. Sie sind Fachleute für Erhebung und Auswertung von Sprachdaten, für deren systematische Beschreibung wie für die Umsetzung der Beschreibungen in ein transparentes, einer größeren Öffentlichkeit zugängliches Regelwerk. Der Rat verfügt über Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben. Ihm steht ein Weg offen, den er zum Inkraftsetzen seiner Vorschläge beschreiten kann.
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Jan-Martin Wagner
Jena
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Dieser Beitrag wurde am 01.04.2008 um 18.07 Uhr eingetragen.
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Zum ZEIT-Interview:
"Wir wollten lediglich die Reformvorschläge der Fachleute absegnen und haben uns letztlich einen riesigen Streit eingehandelt."
Aber nicht nur das: Zum Teil sind es immer noch dieselben "Fachleute" wie damals, die an der Reform beteiligt sind und nun dem Rechtschreibrat angehören; sie bestimmen weiterhin, wo es langgeht. Ob das dazu geeignet ist, sich weniger Streit einzuhandeln?
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Jan-Martin Wagner
Jena
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Dieser Beitrag wurde am 07.03.2008 um 16.07 Uhr eingetragen.
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GEMEINSAME ABSICHTSERKLÄRUNG ZUR NEUREGELUNG DER DEUTSCHEN RECHTSCHREIBUNG Wiener Absichtserklärung
Der Minister für Unterricht, Kultur, wissenschaftliche Forschung, Denkmäler und Landschaften der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft des Königreichs Belgien, der Präsident der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland, der Landesrat für Denkmäler, deutsche und ladinische Schule und Kultur der Landesregierung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol der Republik Italien, der Regierungschef-Stellvertreter des Fürstentums Liechtenstein, die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Republik Österreich, der ao. und bev. Botschafter von Rumänien in Österreich im Auftrag der Regierung der Republik Rumänien, der Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Vizekanzler der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Dekan der Philosophischen Fakultät und Direktor des Germanistischen Institutes der Eötvös Loránd Universität Budapest im Auftrag des Ministers für Kultur und Bildung der Republik Ungarn geben zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung folgende gemeinsame Absichtserklärung ab:
ARTIKEL I Die Unterzeichner nehmen das auf der Grundlage der Dritten Wiener Gespräche vom 22. bis 24. November 1994 entstandene und als Anhang beigefügte Regelwerk "Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis" zustimmend zur Kenntnis.
ARTIKEL II Die Unterzeichner beabsichtigen, sich innerhalb ihres Wirkungsbereiches für die Umsetzung des in Artikel I genannten Regelwerkes einzusetzen.
Folgender Zeitplan wird in Aussicht genommen: 1. Die Neuregelung der Rechtschreibung soll am 1. August 1998 wirksam werden. 2. Für ihre Umsetzung ist eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen.
ARTIKEL III Die zuständigen staatlichen Stellen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz werden Experten in eine Kommission für die deutsche Rechtschreibung entsenden, deren Geschäftsstelle beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim eingerichtet wird.
Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks.
ARTIKEL IV Zuständigen Stellen anderer Staaten steht es frei, dieser "Gemeinsamen Absichtserklärung" beizutreten. Das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Republik Österreich wird sodann die anderen Unterzeichner von diesen Beitritten in Kenntnis setzen.
Wien, am 1. Juli 1996
Minister für Unterricht, Kultur, wissenschaftliche Forschung, Denkmäler und Landschaften der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft des Königreichs Belgien Wilfried SCHRÖDER
Präsident der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Karl-Heinz RECK
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern der Bundesrepublik Deutschland Eduard LINTNER
Landesrat für Denkmäler, deutsche und ladinische Schule und Kultur der Landesregierung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol der Republik Italien Dr. Bruno HOSP
Regierungschef-Stellvertreter des Fürstentums Liechtenstein Dipl. Chem. Thomas BÜCHEL
Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Republik Österreich Elisabeth GEHRER
Ao. und bev. Botschafter von Rumänien in Österreich im Auftrag der Regierung der Republik Rumänien Univ. Doz. Dr. Petru FORNA
Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungs- direktoren der Schweizerischen Eidgenossenschaft Peter SCHMID
Vizekanzler der Schweizerischen Eidgenossenschaft Achille CASANOVA
Dekan der Philosophischen Fakultät und Direktor des Germanistischen Instituts der Eötvös Loránd Universität Budapest im Auftrag des Ministers für Kultur und Bildung der Republik Ungarn Prof. Dr. Károly MANHERZ
(Quellen: web-archive.org und http://members.aol.com/gy95c/fritzer/p1.htm)
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Jan-Martin Wagner
Jena
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Dieser Beitrag wurde am 19.05.2006 um 19.02 Uhr eingetragen.
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KMK-Pressemitteilung
Bonn, 10. 8. 2004
Rat für deutsche Rechtschreibung wird rasch seine Aufgaben wahrnehmen
Die Kultusministerkonferenz strebt auf Grundlage ihres Beschlusses vom 4. Juni 2004 die zügige Einsetzung eines Rates für deutsche Rechtschreibung an.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, in dem auch Kritiker des derzeitigen Regelwerks mitarbeiten sollen, wird durch ein hohes Maß an Pluralität gekennzeichnet sein. Er soll die Entwicklung des Schriftgebrauchs beobachten und das Regelwerk gegebenenfalls dort anpassen, wo es notwendig ist.
Ende August wird dazu in Wien ein Gespräch auf Arbeitsebene zwischen Vertretern Deutschlands, der Schweiz und Österreichs stattfinden, das seit mehreren Wochen geplant ist. Ein abgestimmtes Konzept über die Aufgaben, die Zusammensetzung und die Befugnisse des künftigen Rates für deutsche Rechtschreibung soll im September vorliegen, damit der Rat noch im Herbst dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen kann.
Die Kultusministerkonferenz ruft alle Beteiligten zu einer Versachlichung in der öffentlichen Debatte um die Neuregelung der Rechtschreibung auf. Über Jahre hat sie dafür Sorge getragen, unterschiedliche Interessen in die Diskussion um die Neuregelung der Rechtschreibung einzubeziehen und die internationale Abstimmung im deutschsprachigen Raum zu erhalten. Im Beirat für deutsche Rechtschreibung haben die verschiedenen Verbände von Presse, Buchhandel und Schriftstellern den Reformprozess zustimmend begleitet.
Seit sechs Schuljahren lernen und schreiben Schülerinnen und Schüler nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein nach den neuen Regeln – und das weitgehend problemlos, wie die Erfahrungen aus den Schulen belegen. Im Interesse dieser Schülerinnen und Schüler darf es keine weitere öffentliche Verunsicherung über die Neuregelung der Rechtschreibung geben.
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Jan-Martin Wagner
Jena
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Dieser Beitrag wurde am 26.01.2006 um 16.32 Uhr eingetragen.
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KMK-Pressemitteilung
Bonn, 25. 3. 1997
KMK-Präsident zur konstituierenden Sitzung der Kommission für die deutsche Rechtschreibung Beginn der Arbeit der Rechtschreibkommission / KMK-Präsident begrüßt unveränderten Willen der Bundesregierung, die Neuregelung in ihrem Wirkungsbereich umzusetzen
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Minister Prof. Rolf Wernstedt (Niedersachsen), hat anläßlich der konstituierenden Sitzung der Kommission für die deutsche Rechtschreibung am 25.03.1997 in Mannheim festgestellt:
Mit dem heutigen Beginn der Arbeit der Kommission für die deutsche Rechtschreibung beginnt nach einem gut zehnjährigen Beratungsprozeß von Wissenschaftlern, Beamten, Politikern und interessierten Bürgerinnen und Bürgern eine neue Etappe bei der Behandlung der deutschen Rechtschreibung. Gestatten Sie mir, daß ich zunächst auf die letzten Beratungen über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung und die ersten mit ihr gemachten Erfahrungen eingehe. Die Gäste aus Österreich und der Schweiz werden es mir nachsehen, wenn ich den Prozeß so darstelle, wie er sich in Deutschland abgespielt hat. Nach den Diskussionen der letzten Monate hat die Kultusministerkonferenz in ihren Erklärungen von Dresden am 25.10.1996 und Bonn am 28.02.1997 bekräftigt, daß sie zur Neuregelung steht. Ich begrüße es auch, daß der Bundesinnenminister jetzt noch einmal gegenüber der Kultusministerkonferenz festgestellt hat, daß die Neuregelung in rechtsstaatlich korrekter Verfahrensweise beschlossen worden ist und bei der Bundesregierung der unveränderte Wille besteht, die Neuregelung in ihrem Wirkungsbereich umzusetzen.
Nach Auffassung der Kultusministerkonferenz tangiert die Neuregelung nicht die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Sie berührt mit Sicherheit nicht den Wesensgehalt von Grundrechten. Es handelt sich vielmehr um eine maßvolle Anpassung einer Konvention, die allein das Schreiben in den Schulen und Behörden verbindlich regelt, und zwar mit dem Ziel einer Bereinigung nach rund 100 Jahren und damit der Herstellung einer neuen Übersichtlichkeit der Regeln. Daher bedarf es nach Auffassung der Kultusministerkonferenz auch keiner Befassung durch die Parlamente. Ich unterstreiche dies deshalb noch einmal, weil nach meinem Eindruck die Irritationen in der Öffentlichkeit vielfach auch daher rühren, daß fälschlich angenommen wird, der Staat wolle durch die Neuregelung der Rechtschreibung das Schreiben in allen Lebensbereichen sanktionieren. Es ist zu betonen, daß durch die Neuregelungen und die Einrichtung der internationalen Kommission die Legitimation für Veränderungen in der Rechtschreibung der deutschen Sprache sogar erhöht wird, weil die Veränderung nicht mehr einer privaten Firma, nämlich der Dudenredaktion überlassen wird, sondern durch legitimierte Ländervertreter des deutschsprachigen Raumes erarbeitet wird.
Die Neuregelung ist in einem längjährigen Beratungsprozeß von den dazu demokratisch legitimierten politischen Instanzen in Bund und Ländern beschlossen worden, in dessen Verlauf diejenigen, die es wollten, zu den Vorschlägen Stellung nehmen konnten. Die Kultusministerkonferenz hat insbesondere hervorgehoben, daß ein Sonderweg einzelner Länder bei der Rechtschreibung für sie nicht vorstellbar ist. Dies widerspräche dem Interesse einer einheitlichen Pflege der deutschen Sprache und dem Grundsatz der gegenseitigem Rücksichtnahme der deutschsprachigen Staaten und Gemeinschaften.
Zur Erinnerung: Nach dem Auftrag durch die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium des Innern an die Wissenschaftler im Jahre 1987 lag der erste Entwurf für ein neues Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung 1988, dessen gründliche Überarbeitung 1992 vor. 1993 fand in Deutschland darüber eine Verbändeanhörung statt. 1994 konnte das Regelwerk nach einer weiteren Überarbeitung bei den Dritten Wiener Gesprächen von Wissenschaftlern und Fachbeamten den zuständigen staatlichen Stellen zur Genehmigung vorgelegt werden. Am 01.12.1995 hat die Kultusministerkonferenz einer vor allem bei der Fremdwortschreibung leicht veränderten Fassung zugestimmt. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich dieser Zustimmung angeschlossen, die Bundesregierung hat sie ohne Einwände zur Kenntnis genommen.
Am 01.07.1996 erklärten die Unterzeichner der "Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der Deutschen Rechtschreibung", daß sie beabsichtigen, sich innerhalb ihres Wirkungsbereiches für die Umsetzung des Regelwerks einzusetzen. Damit war die erste systematische Neubearbeitung des Regelwerks von 1901/02 mit dem Ziel einer Vereinfachung durch stärkere Systematisierung beschlossen. Dies bedeutet aber nicht, und ich sage dies vor allem mit Blick auf die öffentliche Verunsicherung, daß durch die Neuregelung die Regeln für das Schreiben zementiert, ein Stillstand der Sprachentwicklung beschlossen würde. Es muß auch öffentlich immer wieder verdeutlicht werden, daß es die Aufgabe der heute erstmals zusammentretenden Kommission sein wird, die Sprachentwicklung zu beobachten und - bei Bedarf - Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks zu machen. In den Verlagen, aber auch in den Schulen hat die Vorbereitung auf den offiziellen Einführungsstichtag am 01.08.1998 schon lange begonnen. Die meisten Grundschulen unterrichten bereits danach, aber auch viele weiterführende Schulen haben die Neuregelung ihrem Unterricht zugrunde gelegt. Aus den Schulen wird berichtet, daß die Reaktionen auf die Inhalte der Neuregelung sehr sachbezogen, besonnen und überwiegend zustimmend ausfallen. Damit wird die Hauptabsicht der Neuregelung bestätigt, daß sie das Regelwerk strukturierter und transparenter macht und das Erlernen des normgerechten Schreibens erleichtert, zugleich aber am tradierten Schriftbild im wesentlichen festhält.
Lassen Sie mich nun auf die Kommission für die deutsche Rechtschreibung eingehen: In der Wiener Absichtserklärung von 1996 haben die Unterzeichner sich auch für die Einrichtung einer Kommission für die deutsche Rechtschreibung ausgesprochen, deren Geschäftsstelle beim Institut für deutsche Sprache hier in Mannheim eingerichtet wird.
Zu den Aufgaben der Kommission für die deutsche Rechtschreibung heißt es in der Wiener Absichtserklärung: "Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich, erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks." In der Aufgabenbeschreibung für die Arbeit der Kommission, die zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmt wurde, heißt es: "Die Kommission für die Deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum auf der Grundlage des neuen orthographischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis) zu bewahren und die Rechtschreibung in unerläßlichem Umfang zu entwickeln. Herzu gehören insbesondere die Teilaufgaben: 1.1 Beobachtung der Umsetzung des Regelwerks während der vereinbarten Übergangszeit 1.2 Laufende Beobachtung der Sprachentwicklung, Klärung von Zweifelsfällen auf der Grundlage der geltenden Rechtschreibung 1.3 Erarbeitung und wissenschaftliche Begründung von Empfehlungen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Sprachwandel, wobei auch Gesichtspunkte der Sprachkultur zu berücksichtigen sind."
Vorrangige Aufgabe ist also zunächst die Klärung von Zweifelsfällen bei der Begleitung der Umsetzung des Regelwerks und nicht - wie vielfach in der Öffentlichkeit behauptet - die nochmalige Veränderung oder sogenannte Nachbesserung der vorliegenden Regeln. Dort, wo die Kommission bei Zweifelsfällen Entscheidungen trifft, tut sie dies auf der Grundlage des Regelwerks. Die Kommission ist also keineswegs - dieser Eindruck wird gelegentlich in der Öffentlichkeit geweckt - eine Reaktion auf die Kritik an der Neuregelung. Die Kommission kommt heute zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Sie hat gegenwärtig 12 Mitglieder, 6 aus Deutschland, 3 aus Österreich und 3 aus der Schweiz. Die Kommission wird heute selbst einen Vorsitzenden wählen und sich eine Geschäftsordnung geben.
Die Kultusministerkonferenz hält die Kommission für eine behutsame Einrichtung, weil mit ihr erstmals für den deutschen Sprachraum eine Institution geschaffen wurde, die im staatlichen Auftrag nicht nur die Einführung der Neuregelung begleiten, sondern darüber hinaus auch die künftige Sprachentwicklung beobachten wird. Von einer zügigen Aufnahme der Kommissionsarbeit hängt viel ab. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den in verschiedenen Ländern und auch im Deutschen Bundestag geäußerten Vorbehalten gegen die Neuregelung. Ein häufig gebrauchtes Argument sind in diesem Zusammenhang unterschiedliche Schreibungen in den Wörterbüchern. Auch wenn sie nach Auskunft aus dem Institut für Deutsche Sprache und aus der Duden-Redaktion längst nicht so zahlreich sind wie häufig behauptet, schaffen sie doch Verunsicherung. Die Kultusminister der Länder halten es daher im Interesse der Sache und aller Beteiligten für erforderlich, daß in möglichst kurzer Frist - am besten noch vor Beginn des neuen Schuljahres - durch die Kommission eine Liste unterschiedlicher Schreibungen, insbesondere im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung und der Groß- und Kleinschreibung, vorgelegt wird, welche die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage der Neuregelung enthält.
Lassen Sie mich abschließend dem Direktor des Instituts für deutsche Sprache, Herrn Prof. Dr. Stickel, für die Vorbereitung des heutigen Tages danken. Das Institut ist in der Zeit, als es noch nicht Geschäftsstelle der Kommission war, gleichwohl jederzeit bereit gewesen, die Arbeit der Kommission vorzubereiten. Ich wünsche der Kommission eine glückliche Hand bei ihrer nicht leichten Arbeit. Im Namen der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums des Innem danke ich Ihnen dafür schon jetzt und wünsche Ihnen einen guten Start.
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