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»Amerikanisch«

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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 17.08.2013 um 23.46 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#10388


Der MM befaßt sich heute (S. 7) mit einem "Trend aus den USA" (fett im Original):

Das Franchising-Unternehmen "Meloonia" in Darmstadt bietet nach eigenen Angaben die ersten Self-Serve Frozen Yogurt Shops in Deutschland.

Tolles Denglisch! Im Text kommen die Wörter Joghurt und Frozen Yogurt jeweils mehrfach vor, und zwar nur in diesen beiden Schreibweisen, z. B.:

Kundin Kerstin hat sich ihr Frozen Yogurt in der Mannheimer Boost Juice Bar mit frischem Obst garnieren lassen.
Das ist eine Bildunterschrift. Auf dem Foto ist deutlich die Werbung am Schaufenster zu erkennen: Frozen Yoghurt (britisches Englisch, auch amer.).

ihr Frozen Yogurt - ist Yogurt also sächlich? Tatsächlich:
"Die Deutschen mögen das Frozen Yogurt am liebsten natur", sagt Fresh-Five-Chef Lauer. (Sonst steht Joghurt im Artikel immer in der männlichen Form.)

Fresh Five ist laut dem Artikel ein Heilbronner Frozen Yogurt-Hersteller, also ein Gefrorener Joghurt-Hersteller. Der Arme! Außerdem mehrfach:
Frozen Yogurt-Läden, Frozen Yogurt-Shops, Frozen Yogurt-Pulver.
Gefährlich, in so einen gefrorenen Laden zu gehen. Wer weiß, ob und wenn ja, wie man wieder herauskommt?
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 30.09.2008 um 15.46 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3972


Springer-Verlag-Übersetzungen aus dem Amerikanischen, so daß die deutschen Schulkinder was lernen: "Bevor Palin von den Republikanern zur Kandidatin gewählt wurde, musste sie einen intimen Fragebogen ausfüllen. Darin ging es auch um Fragen wie 'Haben sie je für Sex bezahlt' und 'Waren sie in ihrer Ehe je untreu'." www.bild.de
(Und wenn ich sowas lese, dann lesen Schulkinder und andere Wenigschreiber das sicher auch. Als Nachtrag für die Schulkinder übrigens: Auch im Amerikanischen setzt man am Ende von Fragen Fragezeichen!)
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Oliver Höher
Braunschweig

Dieser Beitrag wurde am 21.09.2008 um 17.18 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3924


Ich habe derzeit in meinen Kursen wieder einige "Amerikaner" (aus dem Norden und dem Süden des besagten Doppelkontinents). Davon bezeichnen sich aber nur die US-Amerikaner selbst als "Amerikaner". Die Damen und Herren aus dem Süden sind dagegen – je nach Herkunft – "Argentinier", "Brasilianer" und "Kolumbianer".

Kanadier sind in Braunschweig an der Universität etwas seltener anzutreffen. Vor einigen Jahren hatte ich aber einige zusammen mit US-Amerikanern im Kurs. Das waren erneut "Amerikaner" und schlicht und einfach "Kanadier".

Womöglich übersehen wir auch in unserer Debatte wieder die Kleinigkeit, daß lediglich bei den USA (soweit ich das momentan bei Südamerika überblicke) das Wort "Amerika" schon ein Teil des Landesnamens ist. Warum sollten sich daher Kanadier "Kanada-Amerikaner" nennen? Ich sehe das wie Sie, lieber Herr Ludwig. So redet keiner, und die Kanadier schon recht nicht!

Etwas anders sieht das dann schon bei der Sprache aus, womit wir hier ja auch anfingen. Der Zusatz des "amerikanischen" Englisch, aus dem dann wohl das "Amerikanische" wurde, kam – wie ich wortreich und langatmig und -weilig darzulegen versuchte – erst nach 1945 auf. Und da übersehen wir womöglich schon wieder, daß die USA schließlich zu den Alliierten gehörten, die Deutschland nach dem Kriegsende auch mit so etwas wie amerikanischer Kultur versorgten. Neben dem Kaugummi war das eben auch Hemingway in billigen Taschenbüchern, der nun womöglich zum erstenmal auch tatsächlich als amerikanischer Autor wahrgenommen wurde.

Schließlich galt auch der Jazz bis in die 50er Jahre als genuin amerikanische Musik. Ganz egal, ob nun Django Reinhardt bereits in den 30er Jahren Jazzaufnahmen in Frankreich machte oder der Schweizer Teddy Stauffer ebenfalls in den (natürlich frühen) 30er Jahren Berlin zum Swingen brachte.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 20.09.2008 um 21.33 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3923


Ach, lieber Herr Riemer, zur etwas laxen deutschen Art bei den Amerikanern: Natürlich gibt es überall Leute, die alles genauestens unterscheiden, weil sie aber auch alles genauestens bedacht haben und dann herausfinden, daß die Sprache es ja ganz falsch hat. Aber mir reicht es tatsächlich, zwischen dem Land Amerika und den zwei Amerikas zu unterscheiden, bei letzteren, wenn nötig, mit dem Zusatz Kontinente. Im Atlas heißt das Land sowieso USA. Wer, was die Leute angeht, deshalb von den US-Amerikanern sprechen will, dem sei das nicht verboten, wenn ich auch meine, jeder weiß, wer einfach die Amerikaner sind. Zumal wir neben den US-Amerikanern dann noch, — ja wen denn dann noch hätten? Die Nicht-US-Amerikaner? Die Kanada-Amerikaner? So redet doch keiner! Wir wissen genau, was wir meinen, wenn wir mit den Amerikanern zusammen mit Begeisterung oder großen Sorgen im Gesicht sagen: "God bless America", und, weiß Gott, Gott weiß es auch, — hoffen wir jedenfalls, so daß unsere Segenssprüche nicht nur eitel dahingesagt sind und die Welt, *God willing*, auch dadurch wirklich eine etwas bessere werde. Übrigens sind auch die *n*etten *L*eute jenseits unserer Nordwestgrenze für die meisten bei uns die Holländer, alle da. Sie im Englischen "Dutch" zu nennen, zeugt doch eigentlich auch von ziemlich laxem Sprachgebrauch, — und das schon seit langem, oder?
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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 11.09.2008 um 01.28 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3892


Lieber Herr Ludwig, ich möchte doch nochmal auf Ihre Bemerkung zurückkommen: "Und unsre Amis sind die Amerikaner, was halt nicht nur dem Volk zwischen dem Rio Grande und dem 49. Breitengrad Nordamerikas, sondern auch im Ausland, selbst im fernen Japan, jedem vom Maul abzuschauen ist." (#3881)

Es ging ja darum, ob es wirklich in Ordnung ist, daß wir Wörter wie Amerika, Amerikaner, amerikanisch immer automatisch auf "die Staaten" beziehen, und nur in Ausnahmefällen, wenn es der Zusammenhang erkennen läßt, auf den ganzen Kontinent. Und wenn es aus dem Zusammenhang nicht hervorgeht, muß es nur für den Kontinent eigens gekennzeichnet werden. Es hat sich zwar bei uns so eingebürgert, aber ob das weltweit, sogar bis Japan so ist, müßte wohl erst noch besser überprüft werden.

Ich kann leider kein Japanisch, aber ich habe einen japanischen Kollegen gefragt, und da stellte sich heraus, daß es die Japaner damit exakt (bis auf die unterschiedliche Aussprache) genauso halten wie die Chinesen.

Und die Chinesen unterscheiden sehr wohl immer (nicht wie die Deutschen nur gelegentlich) zwischen
mei guo = Amerika-Land (USA) und mei zhou = Amerika-Kontinent, entsprechend auch beim Adjektiv amerikanisch.
Vielleicht kann man also doch darüber nachdenken, ob unser nur auf die USA bezogenes Amerika[-ner, -nisch] nicht etwas anmaßend ist?

Ergänzung:
Ich lerne immer noch dazu: Neben diesen chinesisch-japanischen Gemeinsamkeiten ist nur in Japan tatsächlich auch ein Wort "a me li ka" (geschrieben mit 4 spezifisch japanischen Zeichen) üblich, welches sich nur auf "die Staaten" bezieht, nicht auf den Kontinent. Wenn es das ist, was Sie meinten, lieber Herr Ludwig, daß das Wort Amerika überhaupt auch in Japan existiert und "die Staaten" bezeichnet, dann haben Sie also sicherlich recht. Mir ging es jedoch in erster Linie darum, daß ein Unterschied zwischen dem Land und dem Kontinent gemacht wird, und der ist in Japan auf jeden Fall vorhanden. Ebenso in China. Die etwas laxe deutsche Art, alles US-Amerikanische schlicht amerikanisch zu nennen, mag also schon auch international verbreitet sein, aber sicher nicht weltweit.

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Oliver Höher
Braunschweig

Dieser Beitrag wurde am 09.09.2008 um 11.36 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3886


Nein, lieber Herr Riemer, zu ‚australischem Englisch’ fällt mir tatsächlich kein Beispiel aus der übersetzten Literatur ein (zur Revision und dem Hinweis von Herrn Markner vgl. meinen Nachtrag). Und um mal ein europäisches Problem zu konstruieren, Joyce wurde – seit Goyerts immerhin autorisierter Erstübersetzung 1927 – auch immer nur aus dem Englischen und nie etwa aus dem ‚Irischen’ übersetzt.

Ich glaube die Ursache darin zu sehen, daß Irland (auch vor der Gründung der Republik hat die Insel immer wieder Literaten von Rang hervorgebracht; man denke nur an Swift, Sterne, Wilde, Shaw oder Yeats) und Schottland (Burns, Smollett, Thomson, Boswell, Stevenson, Doyle) nicht erst nach 1707 als Teile des englischen Kulturraumes angesehen wurden. Auf spezifisch schottische oder irische Eigenarten der einzelnen Autoren wird dabei in Literaturgeschichten gerne hingewiesen.

Ich setze im folgenden einfach die selbständigen Publikationen kursiv, um sie von den Zitaten zu unterscheiden und bitte schon jetzt um Nachsicht wegen der Länge des Beitrags.

Nordamerika als wesentlich größeres Land (ja sogar Kontinent) stand lange im Schatten der englischen Literatur. Auch nach dem Unabhängigkeitskrieg interessierte man sich in Europa noch nicht gerade für so etwas wie amerikanische Literatur. Natürlich schrieben durchaus schon Autoren wie Anne Bradstreet (ihre Gedichte erschienen immerhin 1650 in London, falls sich jemand fragt, warum ich sie überhaupt erwähne), Thomas Jefferson oder Benjamin Franklin. Aber was wurde daran in Europa als spezifisch amerikanisch angesehen? In Franklins Autobiographie vielleicht am ehesten noch der Tugendkatalog. Und natürlich wurde Anne Bradstreet in der nicht autorisierten Londoner Publikation als zehnte Muse, die in Amerika erwachte, gefeiert. Aber was war daran für europäische Leser amerikanisch, welche Vorstellungen hatte man überhaupt von Amerika? Jeffersons Notes on the State of Virginia erschienen anonym 1784 in Paris (leider helfen mir meine Ausgaben nicht weiter, wann diese Anonymität gelüftet wurde). Franklins Almanack for the Year of Christ wurde 1733 mit dem Poor Richard eingeleitet. Ich kann nicht sagen, ob und wie er etwa in England zur Kenntnis genommen wurde. Spätere Fortsetzungen aus den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts mit Franklins Ausfällen gegen die ungerechte englische Steuerpolitik wird man aber lediglich als Hetze der abtrünnigen Kolonien wahrgenommen haben. Seine berühmte Autobiography (in Deutschland beispielsweise von Wieland geschätzt) erschien erst 1791 – ein Jahr nach seinem Tod – in einer unvollständigen und zudem nicht autorisierten französischen Übersetzung. Die ersten englischen Ausgaben waren Rückübersetzungen dieser Fassung.

Wenn ich es richtig sehe, dann wurde Charles Brockden Brown zuerst 1790 ins Deutsche übersetzt. Als Vertreter dessen, was man aus England als gotischen Roman (gothic novel) kannte, hat er jedoch kein allzu breites Publikum gefunden. Zumal man ja in Deutschland auch in diesem Genre nicht auf Importe aus der neuen Welt angewiesen war. Übersetzungsbestseller im wahrsten Sinne des Wortes wurde zuerst James Fenimore Cooper in den 1820er Jahren (meist jedoch nur „in’s Deutsche übertragen“). Aus dem Jahr 1853 stammt dann die erste deutsche Übersetzung von Poes The Raven und hinterläßt noch keinen bleibenden Eindruck. Und damit kommen wir in die Nähe der Geburtsstunde der genuin amerikanischen Literatur. 1855 erschienen die Leaves of Grass von Whitman.

Es mag nun ein Zufall der Literaturgeschichte sein, daß vier Jahre später Friedrich Spielhagens Sammlung amerikanischer Gedichte zum erstenmal im Zusammenhang einer Übersetzung auf amerikanische Poesie allgemein aufmerksam macht. Noch mal weitere elf Jahre später erscheint dann Adolf Strodtmanns Amerikanische Anthologie, die übrigens wie die Sammlung von Spielhagen nur „[a]us dem Englischen“ übersetzt wird. Aber die Literaturkritik nimmt Amerika noch immer nur als Ableger der englischen Literatur wahr. Zufall oder nicht, auch die erste deutsche Whitman-Übertragung von Ferdinand Freiligrath am 10.5.1868 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheint erst, nachdem Freiligrath in England die Whitman-Ausgabe von William Michael Rossetti (übrigens ein Bruder von Dante Gabriel Rossetti) kennengelernt hatte. Wer weiß, ob er sonst Whitman überhaupt zur Kenntnis genommen hätte!

Der hier schon hinlänglich bekannte Eduard Engel veröffentlichte seine Geschichte der englischen Litteratur von ihren Anfängen bis auf die neueste Zeit (Leipzig: Wilhelm Friedel 1883) noch mit einem „Anhange: Die amerikanische Litteratur“. Ab der 4. Auflage von 1897 dann sogar schon spezieller als „nordamerikanische“ Literatur. Auch Karl Bleibtreus wichtige Literaturgeschichte sieht Nordamerika noch als Teil der englischen Literatur: Geschichte der englischen Literatur mit Einschluß der amerikanischen (Bern: Ernst Bircher 1923). Zwar erscheint bereits vor Bleibtreu Leon Kellners Geschichte der nordamerikanischen Literatur (2 Bde., Berlin und Leipzig: Göschen 1913), doch handelt es sich hierbei lediglich um zwei dünne Heftchen der Sammlung Göschen und wendet sich somit eher an den Fachwissenschaftler als den gebildeten Laien. Die Ausbildung der Amerikanistik als einer eigenständigen Wissenschaften wird in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig. Aber so schnell geht das nicht, erst mit den Forschungen von Walther Fischer beginnt sich in Deutschland ab 1931 die Amerikanistik von der englischen Literaturwissenschaft zu emanzipieren. Damit ist es dann ab 1933 auch schon wieder vorbei und wichtig wird erst wieder Henry Lüdekes Geschichte der amerikanischen Literatur (Bern: Francke 1952). Nach 1945 hat sich die Amerikanistik endgültig etabliert – gefördert von den Aliierten – und die Verlage holen schließlich mit Übersetzungsliteratur nach, was ab 1933 nicht mehr möglich war. Nun mit dem Stempel einer eigenen Nationalliteratur, der sich sogar in den Übersetzungshinweisen findet. (Man müßte einmal verfolgen, ob die Alliierten Verlage mit Lizenzen begünstigt haben, die Übersetzungen aus der jeweiligen Ausgangssprache brachten.) Die Erstübersetzung von Hemingways Roman In einem andern Land erschien 1930 beispielsweise noch schlicht „[ü]bertragen von Annemarie Horschitz“ (Berlin: Ernst Rowohlt), 1953 dann aber im selben Verlag (noch) in Hamburg als „[a]us dem Amerikanischen von Annemarie Horschitz-Horst“ übertragen. Ähnliches könnte ich bibliographisch nachweisen für Sinclair Lewis’ Roman Babbitt, der 1924 bei Kurt Wolff in München nur „[i]ns Deutsche übertragen von Daisy Brody“ erschien und erst später den Hinweis bekam, daß er angeblich aus dem „Amerikanischen“ übertragen wurde. Ich verzichte auf weitere Belege von Hawthorne, Longfellow, Poe oder Thomas Wolfe, um mich nicht noch unbeliebter zu machen.

Ich mache mit der überspitzen, aber nicht völlig abwegigen Frage Schluß, ob es beispielsweise eine zweisprachige Dante-Ausgabe gibt, die nicht etwa „Italienisch-Deutsch“, sondern vielmehr „Toskanisch-Deutsch“ im Sprachhinweis führt.

Nachtrag:
Danke, Herr Markner, aber das gehört für mich fast noch in den Bereich der Emanzipation der Commonwealth-Literatur, die ja im Gefolge der sogenannten Post-Kolonialismus-Forschungen (Said und Nachfolger) auch Deutschland erreicht hat. Gibt es da beispielsweise schon Belege aus den 60er oder 70er Jahren?
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 09.09.2008 um 11.25 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3885


Markus Zusak: Der Joker. Aus dem australischen Englisch von Alexandra Ernst. München: cbj, 2006.
Shane Maloney: Künstlerpech. Roman. Aus dem australischen Englisch von Nikolaus Stingl. Zürich: Diogenes, 2000.
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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 08.09.2008 um 22.41 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3884


Lieber Herr Ludwig, ich will dann mal die Zwischeneinlage mit dem Bäcker wieder beiseite lassen. Daß wir alle wissen, was "die Staaten" und DIE Amerikaner sind und aus welchem Land der amerikanische Präsident kommt, ist schon klar. Na ja, das Problem mit der Doppelbenennung für den Kontinent und ein einzelnes Land desselben haben wenigstens nicht wir, sondern eigentlich schon die Urväter der Unabhängigkeitserklärung verursacht.

Die Australier haben gegenüber den Amerikanern immerhin den Vorteil, daß ihnen tatsächlich der ganze gleichnamige Erdteil gehört.
Trotzdem glaube ich, noch nie eine "Übersetzung aus dem Australischen" gelesen zu haben. Auch an eine aus "australischem Englisch" kann ich mich nicht erinnern. Oder hätten Sie dazu auch ein paar Beispiele, lieber Herr Höher?
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Oliver Höher
Braunschweig

Dieser Beitrag wurde am 08.09.2008 um 12.21 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3882


Nachdem wir uns nun alle auf dem Verschiebebahnhof befinden, möchte ich auf die Bemerkung von Herrn Riemer (7.09., 20:39 Uhr) eingehen.

Unzweifelhaft zu den kanadischen Autoren gehört beispielsweise Stephen Leacock (1869–1944), der hier immer noch zu wenig bekannt ist. Man wird ihm nicht gerecht, wenn man ihn immer nur als das kanadische Pendant zu Mark Twain bezeichnet, auch wenn er über den verehrten Südstaatler eine kleine Biographie geschrieben hat.

Immerhin hat sich der hannoveraner Fackelträger-Verlag in den 80er Jahren Leacocks angenommen, also genau in der Zeit, als die Spitzfindigkeiten in puncto Originalsprache schon verbreitet waren. Daher nun drei Beispiele:

(1) Stephen Leacock: Der Asbestmann und andere Nonsens-Novellen [Originaltitel: Nonsense novels]. Aus dem Englischen von Manfred Bartz. Hannover: Fackelträger 1987.

(2) Ders.: Die liebreizende Winnie. Neue Nonsens-Novellen [Originaltitel: Winsome Winnie and other nonsense novels]. Aus dem Englischen von Manfred Bartz. Hannover: Fackelträger 1988.

(3) Ders.: Die Hohenzollern in Amerika und andere Satiren [Originaltitel: The Hohenzollern in America and other impossibilities]. Aus dem Englischen von Beate Bartz. Hannover: Fackelträger 1989.

Leacock war Professor für Politologie und kannte Europa gut genug, um in "Winsome Winnie" die Engländer herrlich durch den Kakao zu ziehen und in "The Hohenzollern in America" satirisch die deutsche Kolonialisierung Nordamerikas durch Wilhelm II. und dessen Scheitern an der dortigen Mentalität durchzuspielen. Man kennt Leacock heute eher wegen seiner "Sunshine sketches of a little town", aber aus deutscher Persektive lohnen sich diese beiden anderen Bücher allemal. Und – womit ich aus der kleinen Exkursion auch wieder zurückkomme – sie wurden nicht etwa 'aus dem kanadischen Englisch' übersetzt, was durchaus möglich gewesen wäre.

Womöglich fallen Herrn Ludwig noch andere kanadische Autoren ein, deren Übersetzungen man dann entsprechend betrachten könnte.

Ich vermute in dem Hinweis 'aus dem Amerikanischen' einen zunächst verlegerischen Fingerzeig auf die Vermittlung US-amerikanischer Literatur, wie sie etwa von Kurt Wolff (seit 1925: Sinclair Lewis) und Ernst Rowohlt (1928: Ernest Hemingway und Sinclair Lewis [von Kurt Wolff übernommen], 1932: Thomas Wolfe, 1935: William Faulkner) in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts betrieben wurde. Nach 1945 galt es dann hieran anzuknüpfen und nachzuholen, was nach 1933 nicht mehr möglich war. Etwa W. Faulkner, T. Williams, G. Stein, Th. Wolfe auszubauen, bzw. neu aufzunehmen. Ich müßte das im einzelnen nachprüfen und bibliographisch belegen, daher zunächst hier nur meine Vermutung. Frühere amerikanische Autoren wie etwa Poe galten eher als europäische Ableger, zumal viele ihrer Texte entweder direkt in Europa spielen oder topologisch seltsam diffus bleiben. Franz Blei hat sich bereits früh um die Vermittlung Hawthornes bemüht, ich habe aber jetzt nicht im Kopf, wie er seine Übersetzung bezeichnete. Blei lebte aber nachweislich einige Zeit in den USA und war später auch an der (Weiter)Vermittlung Poes beteiligt (u.a. mit Wolfenstein als Übersetzer). Autoren wie Faulkner und Kate Chopin galten lange Zeit auch in den USA wenig und wurden dort erst auf dem Umweg über Frankreich bekannt. Und nun mache ich lieber Schluß, ehe ich aus der Geschichte der Literaturvermittlung gar keinen Ausweg mehr sehe.
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 08.09.2008 um 07.04 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3881


Nur damit wir wissen, wovon wir reden: Richtige Berliner scheint es überhaupt nur in deutschen Bäckereien zu geben. Jeder zweite Berliner ist doch aus Schlesien. Und unsre Amis sind die Amerikaner, was halt nicht nur dem Volk zwischen dem Rio Grande und dem 49. Breitengrad Nordamerikas, sondern auch im Ausland, selbst im fernen Japan, jedem vom Maul abzuschauen ist. Es ist also klar, wer ein Amerikaner ist. Weil die Mexikaner spanisch sprechen, nennen die sie allerdings Norte-Americanos und manchmal, wie's auch mir einmal aus dem Mund einem fetten nackten Babys auf dem sicheren Schoß seiner Mutter da entgegen kam, Gringos. Die eingeborenen Amerikaner sind in beiden Amerika(s) zu Hause, also z. B. auch in Kanada, einem Land, wo sonst jedoch nur die Kanadier zu Hause sind. In deutschen Bäckereien gibt's auch Amerikaner. Die White Anglo-Saxon Protestants sind übrigens WASPS, besonders ausgewählte Amerikaner. Und jetzt gibt's auch die *Fly-over Americans*, "the people [in den Staaten, und das sind, wie jeder weiß, die Vereinigten Staaten, und das sind, wie jeder weiß, die Vereinigten Staaten von Amerika, auch wenn Mexiko auch aus vereinigten Staaten besteht und deshalb ja offiziell Estados Unidos Mexicanos heißt] usually given less attention by those hopping from coast to coast", also die Amerikaner, die etwas weiter als nur ein paar Meilen (amerikanische Meilen) von den Ozeanküsten entfernt leben und sehr gute Amerikaner sind, ich meine sogar, bessere als die andern.
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Dieser Beitrag wurde am 08.09.2008 um 00.10 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=202#3880


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.09.2008 um 21.06 Uhr

Und die Einwohner Mittelnordamerikas sind ebenfalls keine Amerikaner, sondern Americans. Richtige Amerikaner scheint es überhaupt nur in deutschen Bäckereien zu geben.

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.09.2008 um 20.58 Uhr

Die Einwohner Mittel- und Südamerikas sind ja auch keine Amerikaner, sondern Americanos, -as. Von den WAPs (White Anglosaxon Protestants) werden sie Hispanics genannt, obwohl die wenigsten aus Spanien stammen.

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.09.2008 um 20.39 Uhr

Ich glaube, was Sie sagen wollen, lieber Herr Höher, ist, daß es für die Übersetzung egal ist, ob sie aus dem amerikanischen oder europäischen Englisch kommt, und daß es deshalb ausreicht, z.B. nur "Übersetzung aus dem Englischen" zu schreiben. Das ist richtig, andererseits ist amerikanisch vielleicht schon eine ganz nützliche Zusatzinformation auf den Autor.

Was ich aber eigentlich meinte, ist, daß das Amerikanische immer automatisch als Synonym für amerikanisches Englisch verstanden wird. Es gibt ja in Amerika nicht nur die USA, sondern noch ein paar andere Länder, in denen wohl auch amerikanisch, aber eben nicht englisch gesprochen wird.

Tut man diesen Ländern nicht unrecht, wenn man das Wort Amerikanisch derart fest mit der Bedeutung 'amerikanisches Englisch' besetzt? Womit wir wohl auch wieder genau beim Thema -- politische Korrektheit -- wären.

Damit fühle ich mich nun allerdings etwas unwohl, denn die vielen Auswüchse von PC, wie sie Herr Ickler immer wieder kritisiert, sind mir auch ein Greuel. Aber vielleicht gibt es einige "Fälle von Politischer Korrektheit" (Herr Ickler oben), die man doch beachten sollte? Ist PC vielleicht doch nicht immer schlecht?

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 07.09.2008 um 14.32 Uhr

Nein, lieber Herr Riemer, das ist natürlich keine sehr geschickte Wahl. Denn in einer Übersetzung – und der Hinweis auf die geheimnisvolle Sprache Amerikanisch findet sich ja vor allem in Übersetzungen – merkt man nicht mehr, ob im Originaltext "flat" oder "apartment", "lift" oder "elevator", "tin" oder "can" oder schließlich – um mal nur Unterschiede in der Schreibweise heranzuziehen – "centre" oder "center", "color" (so ja auch hier in den HTML-Befehlen im Diskussionsforum) oder "colour" steht. Wichtig ist der Hinweis auf die Originalsprache Englisch, die dann gerne noch mit einem Zusatz auf die spezifische Varietät (im Sinne von "varieties of English") versehen werden kann.

Natürlich gibt es amerikanische Filme, in denen die Schauspieler dann aber eben amerikanisches Englisch sprechen. Heutzutage findet sich ja bezeichnenderweise auf DVDs auch nur der Hinweis auf die Sprache 'Englisch' und nicht etwa 'Amerikanisch'. Vielleicht könnten Übersetzer (von Büchern) hier noch etwas von den Silberscheiben lernen. Womit ich natürlich nicht die unsägliche Reformschreibung (meist noch auch dem "Leid tuenden" Stand von 1996) der deutschen Untertitel meine. So etwas hat mich schon mehrmals zu einem Umtausch bewogen, vor allem dann, wenn sich die Untertitel so gar nicht abstellen lassen.

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.09.2008 um 00.35 Uhr

Ich frage mich manchmal, ob Amerikanisch wirklich eine so gelungene Abkürzung für AE ist.

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 29.08.2008 um 14.36 Uhr

Vorsicht, vorsicht, liebe(r) ppc,

Ihr angeblich amerikanisches "jail" ist lediglich orthographisch an die Aussprache angenähert. Tatsächlich ist das ein sehr altes englisches (also insulares) Wort. Denken Sie nur mal an Oscar Wildes (ich bleibe der Einfachhheit halber bei ihm) "Ballad of Reading Gaol". Aus der alten Schreibung "gaol" wurde einfach "jail".

Kommentar von ppc, verfaßt am 29.08.2008 um 13.18 Uhr

Ich denke, die Unterscheidung zwischen Englisch (BE) und Amerikanisch (AE) ist insbesondere ein Anliegen der Engländer, die ja rein zahlenmäßig, und was die Zahl der produzierten Spielfilmminuten pro Jahr angeht, den Uhsahiern gegenüber im Nachteil sind und ihre Sprache bewahren wollen. Angesichts der AE-Übermacht werden aber eh bald Wörter wie prison durch jail und holidays durch vacations und petrol durch gas ersetzt werden.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß gewisse Schreibweisen wie "initalise" (statt "initialize") im BE angeblich erst deshalb entstanden sein sollen, weil man fälschlicherweise annahm, die Schreibweise mit Zett sei AE.

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 29.08.2008 um 08.16 Uhr

Vor Jahrzehnten erzählte mir der amerikanische Musiker Oliver Hirsch, er habe in einem Soldatenkino einer britischen Garnison in Niedersachsen einen amerikanischen Film gesehen und sich über die Dialoge schrummelig gelacht. Die Soldaten aber hätten keine Miene verzogen, weil sie die amerikanischen Zweideutigkeiten nicht verstanden.

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 28.08.2008 um 20.12 Uhr

Naja, linguistisch sprechen wir natürlich vom britischen, amerikanischem, kanadischem, indischen Englisch, usw., und Englisch gut zu können ist auch in den USA nützlich. Auch mich verwundert (immer wieder) der verlegerische Übersetzungshinweis "Aus dem Amerikanischen" bei den Druckmedien. Aber da wir den eben immer wieder vorgesetzt bekommen und wir uns nur wundern und keiner protestiert, ist diese Sprachbezeichnung bei denen offenbar die "gebräuchliche". Allerdings bezieht sich der Unterschied zum britischen Englisch nicht nur auf leicht andere Schreibung und die Ausprache: brit. "bonnet" am Auto ist am. "hood", und nicht jeder "truck driver" weiß auf Anhieb, was er mit einem "lorry driver" gemein hat. Und das immer wieder zitierte Beispiel, das Verwirrung stiftet, wenn man sich bei diesem Problem nicht auskennt, ist das parlamentarische "on the table" und das Verb "table", wo Engländer und Amerikaner aneinander bös vorbeireden können, auch wenn sie laut das gleiche sagen.

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.08.2008 um 10.09 Uhr

Sollte es tatsächlich eine Sprache geben, die Amerikanisch heißt? Bislang dachte ich immer, in den Vereinigten Staaten würde Englisch gesprochen. Auch wenn die USA meines Wissens keine verfassungsmäßig vorgeschriebene Landessprache haben (bitte korrigieren, falls erforderlich).

Linguisten und Wörterbuchschreiber unterscheiden dann immer noch gerne zwischen GA (General American [English]) und BE (British English). Das betrifft vor allem Schreibweisen wie "color/ colour", "center/ centre", "theater/ theatre" usw. Vieles Andere betrifft dann nur noch die Phonetik. Auch bei Verlagen wundert es mich immer wieder, wenn ein Buch "aus dem Amerikanischen" übersetzt wird.
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